Medienpleite gefährdet den britischen Fußball

Wenn die Fußballblase platzt

Der drohende Konkurs des britischen Fernsehsenders ITV könnte das Aus für mehrer Zweitliga-Vereine bedeuten. Auch Mannschaften aus der Premier League wären von der sich abzeichnenden Pleite betroffen.

So sehen Angebote aus, die in Mafia-Filmen als »nicht abzulehnen« bezeichnet werden: Der eine Geschäftspartner erklärt dem anderen, entweder werde der vertraglich festgesetzte Preis für eine Ware eklatant verringert oder er melde eben Konkurs an und dann werde überhaupt nichts bezahlt.

Nicht abzulehnende Angebote heißen außerhalb des Kinos Erpressung, und nichts anderes versucht derzeit der in Liquidation befindliche britische Sender ITV mit seinen Vertragspartnern, den 72 professionellen Fußballvereinen unterhalb der Premier League.

Der erste digitale Pay-TV-Sender Großbritanniens, der über terrestrische Frequenzen zu empfangen ist, hatte sich die auf drei Jahre befristeten Senderechte an den Spielen der »Football League« gesichert. Insgesamt verpflichtete sich ITV, das jeweils zur Hälfte den Sendern Carlton und Granada gehört, dafür 315 Millionen Pfund an die Clubs zu zahlen.

Nun steht der Sender jedoch kurz vor der Pleite und versucht, sich mit einem unablehnbaren Angebot zu retten. Entweder akzeptierten die Clubs eine drastisische Verringerung der vertraglich vereinbarten zweiten Rate, oder sie erhielten gar nichts. 50 statt 183 Millionen Pfund für die nächsten beiden Spielzeiten lautete das Angebot von ITV.

Falls die Vereine nicht darauf eingingen, würde ITV Konkurs anmelden. Carlton und Granada seien übrigens vertraglich nicht verpflichtet, die ausstehende Summe zu zahlen.

Die »Football League« votierte kurz vor dem Ablauf der von ITV gesetzten Frist gegen Verhandlungen über einen eventuellen Rabatt. Man wolle die gesamten 183 Millionen Pfund vom Sender haben, erklärten Offizielle, schließlich sei das Geld bereits verplant. Werde nicht gezahlt, habe dies unabsehbare wirschaftliche Konsequenzen für die meisten Clubs.

Britische Medien zeigten sich vom drohenden ITV-Konkurs nicht besonders überrascht. Die Quoten seien so niedrig gewesen, dass es »für den Sender billiger gewesen wäre, jeden einzelnen Zuschauer zum Spiel zu bringen und ihn anschließend in einem Fünf-Sterne-Hotel unterzubringen«, schrieb The Guardian Ende letzter Woche in einem Kommentar.

Nennenswertes Mitleid brachte der Kolumnist jedoch auch für die Vereine nicht auf. Sie hätten mit dem Fernsehgeld »inflationäre Preise für Spieler gezahlt«. Am einfachsten sei es daher wohl, alle Beteiligten im eigenen Saft schmoren zu lassen.

Das wird kaum möglich sein. Der Start von ITV war von der britischen Regierung enthusiastisch aufgenommen worden. Schließlich passte der Sender gut in den Plan, die Konsumenten langsam an digitales terrrestrisches Pay-TV ohne Satellitenschüssel zu gewöhnen, um dann noch in diesem Jahrzehnt das analoge Fernsehen ganz abzuschaffen. Und nicht nur den entsprechenden Technologieproduzenten des Landes einen international verwertbaren Vorsprung zu verschaffen, sondern auch die Vorherrschaft von Rupert Murdoch auf dem Pay-TV-Sektor zu brechen. Nun macht der Bankrott des Senders nicht nur der Politik einen Strich durch die Rechnung, sondern auch Digital-Box-Anbietern. In Kürze soll schließlich eine »bezahlbare Box« zum Preis von 100 Pfund auf den Markt kommen. Kann ITV nicht gerettet werden, sind wohl nur wenige Konsumenten bereit, in das offenkundige Flop-System zu investieren.

Kann es sich die britische Regierung aber leisten, einem Massenbankrott der Vereine tatenlos zuzusehen? Bereits jetzt werden zwölf Vereine als fast sichere Pleitekandidaten gehandelt, darunter so renommierte Clubs wie Sheffield Wednesday, Queens Park Rangers, Crystal Palace und Swindon Town.

Kulturministerin Tessa Jowell wollte nicht vom Ende des terrestrischen Digital-Fernsehens sprechen, falls die ITV-Pleite unaufhaltsam sei. Sie glaube weiterhin fest daran, dass D-TV »große gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorteile« bringen werde. Ein Eingreifen Blairs sehen Kommentatoren nach dieser Äußerung als unwahrscheinlich an, obwohl ein solcher populistischer Schachzug zur Rettung des britischen Fußballs nicht gänzlich ausgeschlossen wird.

Von anderer Seite ist dagegen auf keinen Fall Hilfe zu erwarten. BBC-Direktor Greg Dyke zerstörte bereits entsprechende Träume der 72 Clubs, eventuell die Senderechte von ITV zu übernehmen. »Es wurden Preise gezahlt, die niemals wieder gezahlt werden. Ich fürchte, für die Menschen, die im Fußball beschäftigt sind, ist dies erst der Anfang gewesen.«

Dabei war der digitale Sender im Jahr 1998 mit großen Erwartungen gestartet, damals noch als ONDigital. Die 90 Millionen Pfund teure Werbekampagne zur Einführung des Angebots verhallte jedoch, denn Probleme mit der Decoder-Box bewirkten, dass das wichtige Weihnachtsgeschäft verpasst wurde.

Interne Querelen bestimmten seither die Schlagzeilgen über den Sender. Im April 2001 wurde das Rebranding angekündigt, vier Monate später benannte sich ONDigital in ITV um. Im November vergangenen Jahres schließlich spekulierten Insider bereits öffentlich darüber, ob der digitale Sender ein Flop sei. Die Abo-Zahlen stagnierten bei 1,2 Millionen. David Chance, der frühere Vorstandsvorsitzende vom Konkurrenzsender BSkyB, wurde von den Gesellschaftern Carlton und Granada eingekauft, um die »strategische Neubeurteilung der Plattform« durchzuführen. Was nicht gelang, denn im Februar 2002 stand fest, dass ITV praktisch pleite ist. Am 27. März dann kam es zur Konkurs-Vorverhandlung vor dem Londoner High Court. ITV in die Liquidation ging.

Und auch dort versuchte es der Sender mit einer Strategie, die verdächtig nach Erpressung aussah. Falls die Nachverhandlungen mit den Clubs nicht erfolgreich seien, drohe die »meltdown liquidity«, der Totalbankrott. Oder der Verkauf an ein anderes Unternehmen, das dann aber nicht mehr an die Vereinbarungen mit den Clubs gebunden sei, erklärte Gabriel Moss dem Richter für das ITV-Direktorium.

Die Drohung in Richtung der widerspenstigen Vereine war überdeutlich. Bis zum 15. April gab Richter Terence Etherton dem Sender Zeit für neue Verhandlungen mit den Clubs. Werde bis dahin kein Ergebnis erzielt, gehe das Unternehmen in Konkurs.

Damit sind nun wieder die Vereine am Zug. Gordon Taylor, Vorsitzender der Spielergewerkschaft Professional Footballers' Association (PFA), rief in der Times die Vereinsvorsitzenden dazu auf, sich mit ITV an einen Tisch zu setzen. Andernfalls befürchte er ein »Doomsday-Szenario«, denn »für die meisten unterklassigen Clubs sind Fernsehgelder eine Frage von Leben und Tod«.

Die PFA rechnet damit, dass von 3 500 Profikickern am Ende der jetzigen Saison 500 arbeitslos sein werden, wenn keine Einigung erzielt wird. Des Weiteren würden die Spielstätten verkauft und Jugendmannschaften aufgelöst werden müssen. Das scheint auch den Vereinsmanagern klar zu sein, denn bereits am Tag nach der Einleitung der Liquidation zeigten sich einige verhandlungsbereit.

Käme es zu einer Einigung, dürfte sie auch Auswirkungen auf die Premier League haben. Deren Manager verkünden zwar seit Wochen, die Pleite von ITV werde keinen Einfluss auf »die Ware hochklassiger Fußball« haben, die Manager von ManU und Co. könnten sich jedoch irren. Wenn mit Murdochs BSkyB demnächst nur noch ein einziger Interessent für die Kickereien ihrer Clubs vorhanden ist, dann wird er die Preise diktieren.

Vor zwei Jahren hatte BSkyB für die auf 36 Monate begrenzten Rechte an den Übertragungen der britischen Ersten Liga noch 1,1 Milliarden Pfund bezahlt, fast doppelt so viel wie für den 1996 geschlossenen Fünfjahres-Vertrag. Manager von BSkyB sollen in privaten Gesprächen bereits erklärt haben, dass »die Blase Fußballrechte geplatzt ist und die Unternehmensgruppe daher bei den nächsten Verhandlungen viel weniger bezahlen wird«.

Das hilft ITV und den Vereinen jedoch nicht weiter. Mit einer ungewöhnlichen Aktion wollen nun die Fußballfans retten, was noch zu retten ist. Die Football Supporter Association (FSA) wird in der nächsten Woche zum Boykott mit der Fernbedienung aufrufen. Fans sollten die Shows und Soaps von Granada und Carlton nicht einschalten, um damit gegen die drohende Pleite von ITV zu protestieren. Blöderweise sendet Granada nun aber ausgerechnet die meisten Lieblingsserien der Briten, wie den Dauerbrenner »Coronation Street« und die Publikumsmagneten »Blind Date«, »Emmerdale« und »Heartbeat«.

»Ich liebe meinen Verein Watford«, zitiert die Times einen Fan, »aber meine Gefühle für 'Heartbeat' sind einfach stärker.« Selbst Daniel Prescott, Pressesprecher des in der vorigen Woche eingegangenen Clubs Swindon Town, sähe beim einem Boykott Probleme auf sich zu kommen. Wie es bei »Coronation Street« weitergehe, wolle er »auf keinen Fall verpassen«.

Für ihn und die anderen Serienfans gibt es jedoch bereits eine Lösung von der FSA. Das Wochenmagazin Inside Soap bringt lange Inhaltsangaben der kommenden Folgen, und könnte nun vor einer ungeahnten Auflagensteigerung stehen.