Die Deutsche Bahn AG will Interregio-Strecken schließen

Züge fliegen nicht

Die Deutsche Bahn AG hat in der vergangenen Woche angekündigt, sich demnächst von allen unrentablen Interregio-Linien trennen zu wollen. Damit hört das Interregio-Netz de facto auf zu existieren. Einige der Verbindungen sollen mit dem Fahrplanwechsel im Dezember ganz aus dem Fernverkehrsnetz genommen werden, verkündete der Sprecher der Bahn, Gunnar Meyer.

Andere würden zu IC- oder ICE-Strecken »aufgewertet«. Das bedeute keinen Geldverlust für die Fahrgäste, erklärte Meyer weiter, denn mit der Einführung des neuen Tarifsystems, das gleichfalls Mitte Dezember in Kraft treten soll, würden auch die bisher üblichen Zuschläge für die IC- und ICE-Züge wegfallen.

Doch die Länder und der Fahrgastverband mit dem euphorischen Namen Pro Bahn stellen sich quer. Sie wissen, was bisher jede »Verbesserung« bei der Bahn mit sich gebracht hat. Die meisten Fahrgäste der Interregio-Züge will die Bahn auf den Nahverkehr verteilen, was Umsteigezeiten und völlig überfüllte Züge zur Folge haben wird. Denn nicht nur sind Interregios zu Stoßzeiten schon jetzt überlastet, im Nahverkehr kommen auch noch die Arbeitspendler hinzu. Und alle, die diese Züge im Ruhr- oder Rhein-Main-Gebiet jemals benutzt haben, wissen, dass man oft während der gesamten Fahrt stehen muss.

Doch es geht der Bahn gar nicht um die Fahrgäste. Der Nahverkehr wird von den Ländern bestellt und bezahlt und vom Bund mitfinanziert, den Fernverkehr dagegen muss die Bahn selbst finanzieren. Schafft man die Interregios ab, bringt das der Bahn AG gigantische Einsparungen. Und diese benötigt die Bahn, geht es ihr doch trotz - oder gerade wegen - vielfältiger Rationalisierungsmaßnahmen nicht gut.

Allerdings ist die Misere zum großen Teil selbst verschuldet. Sei es der konsequente Abbau von Strecken, die über Dörfer und kleinere Städte führten und nun nicht selten mit erklecklichem Gewinn von privaten Firmen betrieben werden, sei es die Investition in einen luxuriösen Fuhrpark, sei es die erhebliche Verteuerung des von den Kunden zunächst sehr gut angenommenen Wochenendtickets oder die Kontingentierung des »Guten Abend«-Tickets - stets lässt die Deutsche Bahn AG die Mehrheit ihrer Kunden dafür bezahlen, dass sie sich in Konkurrenz zu den Fluggesellschaften wähnt, und dafür, dass sie noch immer die so genannten Geschäftskunden für ihre eigentlichen hält.

Auf diese Weise verleugnet die Deutsche Bahn AG den Charakter der Eisenbahn als Massenverkehrsmittel und kämpft einen Kampf gegen den Flugverkehr, den sie längst verloren hat. Menschen, die aus eigener Kraft fliegen wollen, machen sich lächerlich. Man muss ihnen helfen. Die Deutsche Bahn AG aber, die sich wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen geriert, jedoch Eigentum der öffentlichen Hand ist, bringt niemand zur Vernunft.

Im Gegenteil. Obwohl Unternehmen aus anderen europäischen Ländern dank der EU-Richtlinien demnächst auch Zugverbindungen auf dem deutschen Schienennetz anbieten dürfen, setzen die deutschen Verkehrsminister und die Verantwortlichen der AG noch immer auf eine nationale Elitenbahn.

Dass es auch anders geht, zeigt der private Bahnbetreiber Connex, der ein Teil des französischen Vivendi-Konzerns ist. Seine auf der ehemaligen Interregio-Strecke zwischen Rostock, Berlin und Gera verkehrenden Züge bieten zwar keinen besonderen Komfort, sind aber sehr günstig. Doch das Angebot von Connex, nun den gesamten Interregio-Verkehr zu übernehmen, lehnte die Deutsche Bahn AG ab.

Man fürchtet diejenigen, von denen man ahnt, dass sie Recht haben. Daher ignoriert man sie mit aller Arroganz und ringt weiter mit der Lufthansa oder der Deutschen BA. Und da man ein privatwirtschaftliches Unternehmen mit der Macht eines volkseigenen Monopolbetriebes ist, kann man sich diesen Wahnsinn leider auch leisten.