Korruptionsvorwürfe gegen den Fifa-Präsidenten Sepp Blatter

Das Geld macht's rund

Die Wiederwahl von Sepp Blatter, dem Präsidenten des internationalen Fußballbundes Fifa, ist trotz diverser Korruptionsvorwürfe nicht unwahrscheinlich.

So viel Dummdreistigkeit muss man selbst in der Politik lange suchen. Ein Untersuchungsausschuss, der sich mit Korruptionsvorwürfen gegen den Fifa-Chef Sepp Blatter beschäftigen sollte, wurde von diesem kurz nach der Gründung kurzerhand für aufgelöst erklärt.

Die sechs Mitglieder erhielten wenige Stunden nach Blatters Rückkehr von einer Wahlkampfreise nach Afrika ein kurzes Schreiben des Präsidenten. »Zur Gewährleistung und zum Schutz der Interessen der Fifa sehe ich mich veranlasst, die Arbeit der internen Ad-hoc-Buchprüfungskommission der Fifa bis zum Abschluss einer Untersuchung auszusetzen, die sich auf eine Verletzung der Vertraulichkeitsbestimmungen für diesen Ausschuss bezieht sowie auf die Art und Weise, wie mit Dokumenten umgegangen wurde, welche die Mitglieder dieses Ausschusses ausgehändigt erhalten haben«, hieß es darin ebenso umständlich wie mysteriös.

Angeblich habe mindestens ein Mitglied des Ausschusses die angeordneten Vertraulichkeitsbestimmungen nicht beachtet und sich Kopien der nur in den Fifa-Räumlichkeiten einzusehenden Akten gemacht.

Falls Blatter damit gerechnet hat, dass die Fußballfunktionäre sich dies gefallen lassen würden, muss er dieser Tage jedoch sehr enttäuscht sein. Denn mit seinem Handstreich erreichte er nur die Stärkung der bislang marginalen Opposition gegen den Fifa-Präsidenten.

Zumal sich auch Lennart Johannsson, der langjährige Rivale Blatters, zu Wort meldete. Er war Blatter 1998 im Kampf um den Vorsitz klar unterlegen, obwohl auch der angeblich mächtige DFB seine Kandidatur unterstützt hatte. Nachdem jedoch entgegen allen Wahlversprechen des Schweizers Deutschland statt Südafrika die Austragung der WM 2006 gewonnen hatte, wurden Vorwürfe laut, dass Blatter sich womöglich einige afrikanische Stimmen erschlichen habe.

Am 29. Mai, wenn er wieder gewählt werden will, kann der große Vorsitzende nun auf einige osteuropäische Staaten und auf die Bundesrepublik als Stimmenlieferanten setzen. Obwohl die Vorwürfe gegen Blatter immer konkreter werden und mitterweile viel mehr als den in sportlichen Kreisen als Kavaliersdelikt geltenden Stimmenkauf umfassen.

So erklärte der bisher als »rechte Hand« Blatters eingestufte Fifa-Generaldirektor Michel Zen-Ruffinen nach der präsidialen Auflösungsverfügung einer schweizerischen Zeitschrift: »Der Ausschuss wurde nur ausgesetzt, damit ich keine Zeugenaussage mehr machen kann, denn ich könnte einige delikate Elemente enthüllen, beispielsweise über Funktionsstörungen im internen Finanzprozess der Fifa.«

Zudem erinnerten sich jetzt viele Funktionäre an einen Vorfall, dem man in den Jahren zuvor kaum Bedeutung hatte beimessen wollen. Ein afrikanischer Funktionär hatte bereits vor Jahren zugegeben, dass er 1998 nur deswegen für Blatter als neuen Präsidenten gestimmt hatte, weil der ihm viel Geld geboten habe.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete in der letzten Woche von einem weiteren Skandal. Demnach war dem Verbandschef Haitis, Jean-Marie Kyss, zur Wahl 1998 offiziell die Ausreise verboten worden. Jetzt erfuhr er »aus den Fifa-Akten, dass ein Neville Fergusson '98 beim Wahlkongress für Haiti votiert habe«.

Dieser Fergusson, so die Zeitung weiter, sei jedoch kein Haitianer, sondern arbeite als Assistent des zwielichtigen nord-mittelamerikanischen Concacaf-Verbandschefs Jack Warner, eines engen Freundes Blatters. »Jack the Ripper« heißt der Mann aus Trinidad in Fachkreisen, als »Blatters Bester« bezeichnet ihn die Süddeutsche Zeitung. Denn er sei derjenige, der über die insgesamt 30 Stimmen der Concacaf gebiete.

Warum? Wegen der Fernsehrechte, um die es dieser Tage immer zu gehen scheint. Die Lizenz zum Senden war es auch, die aus dem ehemaligen Geschichtslehrer Warner einen Multimillionär machte, der sich bei seinem Kumpel Blatter im Jahr 1999 bitter darüber beschwerte, dass die Fifa zur WM 2002 im amerikanischen Raum einem anderen die Rechte erteilt hatte. Bisher habe er nur einen symbolischen Dollar bezahlen müssen, nun werde ein Meistbietender bevorzugt, lautete seine Klage.

Nachdem der Marketingpartner der Fifa, die ISL, Pleite gegangen war, konnte das damalige Problem zur allseitigen Zufriedenheit gelöst werden. Jack Warner erhielt seine Rechte zurück. Und auch Blatter hätte seine Ruhe haben können, wären da nicht die verbandsinternen Kritiker.

Seit dem Konkurs des schweizerischen Rechteverwerters ISL/ISMM hatten Insider immer wieder erklärt, dass Blatter ausgiebig mit den Zahlen trickse. Statt des von ihm angegebenen Verlustes in Höhe von 20 Millionen Dollar habe der Weltfußballverband in Wirklichkeit das Zehnfache, knapp 200 Millionen, verloren. Wohl auch deswegen wollte es Blatter nicht, dass sich ein Untersuchungsausschuss inklusive unabhängigen Gutachtern näher mit den Fifa-Finanzen beschäftigt.

Am 7. März jedoch hatten sich auf einer höchst tubulenten Sitzung in Zürich unvorhergesehen die Kritiker des Präsidenten durchgesetzt, eine Überprüfungskommission wurde trotz des erheblichen Widerstands Blatters beschlossen. Der hatte das Meeting überhaupt nur deshalb einberufen, weil 13 der 24 Mitglieder des Exekutivkommitees auf der Dringlichkeitssitzung bestanden hatten. »Es geht in erster Linie um meine Demontage. Aber je mehr ich angegriffen werde, je mehr ich in den Schlagzeilen stehe, desto mehr Unterstützung erfahre ich«, sagte er damals.

Kurz danach wurde überdies klar, dass Blatter bei der Wahl zum Fifa-Präsidenten nicht ohne Gegenkandidaten bleiben würde. Zuvor hatte der Schweizer immer damit kokettiert, dass er sich nur mangels eines würdigen Nachfolgers und zum Wohle des Fußballs erneut der Abstimmung stellen werde. Er leide an Prostatakrebs, sagte er, aber die Krankheit werde ihn nicht davon abhalten, seine Pflicht zu tun. Sein Gegenkandidat ist nun Issa Hayatou, der Vorsitzende des afrikanischen Fußballverbandes.

Der Kameruner verspricht im Falle seines Wahlsieges neben Transparenz, der Offenlegung der Fifa-Jahresbilanzen und einer Begrenzung der präsidialen Amtszeiten auf zwei Legislaturperioden, die jeweils über vier Jahre gehen sollen, allerdings auch definitive Nachteile für manche Verbände. Die Comebol, der Verband der südamerikanischen Länder, soll nach seinen Vorstellungen nur noch drei Startplätze bei Weltmeisterschaften erhalten.

Welcher Fußballverband nicht für ihn stimmen wird, ist seither klar. Wäre die Hayatousche Regel bereits bei den Qualifikationsspielen zur diesjährigen WM angewendet worden, hätte das brasilianische Team auf keinen Fall mitkicken dürfen.