Die europäische und die US-Agrarpolitik ruinieren Afrika

Boxen mit einer Hand

Die Agrarpolitik der USA und Europas treibt den Ruin Afrikas voran.

US-Präsident George W. Bush ist zurzeit der Liebling der Bauern. Am 14. Mai unterzeichnete er ein neues Agrargesetz, nach dem die amerikanischen Landwirte in den nächsten zehn Jahren mit insgesamt 180 Milliarden Dollar unterstützt werden. Das sind 73 Milliarden Dollar mehr als bisher. Noch 1996 plante die US-Regierung, Agrarsubventionen schrittweise zu beenden. Jetzt hat sie die entgegengesetzte Richtung gewählt. Von der neuen Strategie sollen vor allem die Bundesstaaten im Süden und Mittleren Westen des Landes profitieren. In vielen von ihnen wird im Herbst gewählt. Bush will offenbar den Bauern eine Freude machen und hofft, dass sich ihre Freude in Wählerstimmen für die Republikaner auszahlt.

Weniger begeistert über den US-amerikanischen Vorstoß ist man auf der anderen Seite des Atlantik. Das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und den USA in Handels- und Wirtschaftsfragen wird seit Monaten von beiderseitigen Drohungen belastet. Zuletzt hatte Washington die EU mit hohen Einfuhrzöllen auf ausländischen Stahl verärgert. Brüssel drohte im Gegenzug mit Zollsanktionen auf US-Produkte im Wert von etwa 370 Millionen Dollar.

Daneben schwelt ein Konflikt um US-amerikanische Exportsubventionen, mit denen Ausfuhrprodukte künstlich verbilligt werden, damit sie sich leichter absetzen lassen, sowie ein Streit über die Weigerung der EU, die Einfuhr von hormonbehandeltem Rindfleisch aus den USA zu erlauben.

Mit dem neuen US-Agrargesetz kommt jetzt ein neuer Streitpunkt hinzu. Bush argumentiert, die Erhöhung der Beihilfen garantiere die Lebensfähigkeit des US-Agrarsektors. Demgegenüber bezeichnete der EU-Agrarkommissar Franz Fischler das Gesetz als einen »Schlag gegen die Glaubwürdigkeit amerikanischer Politik«. Während alle anderen Länder versuchten, ihre Subventionen abzubauen, würden die USA sie noch erhöhen, so Fischler.

Bei der Gründung der WTO im Jahr 1995 war vereinbart worden, dass die USA nicht mehr als 19,1 Milliarden US-Dollar Agrarsubventionen im Jahr vergeben dürfen. Diese Summe dürfte künftig deutlich überschritten werden. Die EU denkt an eine erneute Klage vor dem Schiedsgericht der WTO.

Während Europa jammert, drohen die schlimmsten Auswirkungen der US-Subventionsentscheidung allerdings anderswo. Für viele Staaten Afrikas bedeutet sie eine ökonomische Katastrophe. Schon seit Monaten zeichnet sich ab, dass der afrikanische Kontinent für das Jahr 2002 mit einer erneuten Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Situation rechnen muss. »Afrika wird vom 'Krieg gegen den Terrorismus' und von der globalen konjunkturellen Abkühlung nach dem 11. September am härtesten getroffen«, analysiert etwa das World Market Research Center.

Doch nicht nur eine allgemeine Abkühlung der Weltkonjunktur, sondern auch die europäischen und US-amerikanischen Agrarbeihilfen und ein damit einhergehender Verfall der Weltmarktpreise für Rohstoffe, von deren Export afrikanische Staaten zu etwa 80 Prozent abhängig sind, machen dem Kontinent zu schaffen.

Ein besonders krasses Beispiel für den Verfall der Rohstoffpreise ist seit einigen Monaten auf dem Markt für Baumwolle zu beobachten. Während die Perspektiven für den Baumwollanbau im Jahr 2000 überall noch relativ günstig aussahen und Bauern sowohl im Norden, etwa in den USA oder Spanien, als auch im Süden, in Mali oder Burkina Faso, verstärkt Felder anlegten, sind die Weltmarktpreise für Baumwolle allein im Verlauf des vergangenen Jahres um 39 Prozent zurückgegangen.

Schuld daran ist Überproduktion. In der EU und den USA reagiert man auf die Misere mit Subventionen. Wenn der Preis unter eine bestimmte Marge fällt, springt automatisch der Staat ein. In Westafrika, wo die öffentliche Hand diese Möglichkeit nicht hat, stehen dagegen bis zu zehn Millionen Baumwollproduzenten vor dem wirtschaftlichen Ruin. Allein die Bauern Burkina Fasos werden in diesem Jahr 70 Millionen Euro weniger einnehmen als noch im vergangenen. Ähnlich hart trifft es Mali, den größten afrikanischen Baumwollproduzenten, sowie Benin.

Das neue US-amerikanische Agrargesetz dürfte die Überproduktion nochmals ankurbeln und den Niedergang des Baumwollsektors in Afrika zusätzlich beschleunigen. Schon im letzten Jahr hatten in den USA Beihilfen in Höhe von insgesamt 4,2 Milliarden Dollar bewirkt, dass die US-Landwirte 17 Prozent mehr Baumwolle anbauten, als im Jahr zuvor.

»Die Subventionen haben verheerende Auswirkungen auf die Ökonomie armer Länder«, beklagt eine westafrikanische Produzentenorganisation: »Sie stimulieren künstlich die Produktion und rufen so eine Überproduktion hervor. Dadurch fallen die Weltmarktpreise.«

Die aktuellen Probleme auf dem Markt für Baumwolle unterstreichen die Nachteile, die Entwicklungsländer auf dem Weltmarkt generell haben. Während Produkte aus dem nördlichen Teil des Globus dank Freihandelsabkommen und WTO-Regeln weitgehend unbeschränkten Zugang zu den Märkten afrikanischer Staaten haben, schotten sich die Industrieländer gerade in den Bereichen mit Zöllen gegen Importe aus Entwicklungsländern ab, in denen diese auftrumpfen könnten: Agrarprodukte und Textilien.

Die von westlichen Politikern propagierte Weltmarktintegration der afrikanischen Länder hat diejenigen, die im globalen Wettbewerb nicht mithalten können, eher geschwächt als gestärkt. Nur noch zwei Prozent aller weltweiten Exporte kommen vom afrikanischen Kontinent, vor 50 Jahren waren es noch etwa acht. »Wer die Bedingungen, unter denen Afrika auf dem Weltmarkt operiert, betrachtet, stellt fest, dass es wie ein Boxer kämpft, dem eine Hand auf dem Rücken festgebunden wurde«, schrieb kürzlich die südafrikanische Zeitung Business Day.

Der Deutsche Bauernverband erklärte bereits hoffnungsvoll, die Kehrtwende der USA müsse auch für die EU Konsequenzen haben. Auch Europa brauche eine »eigenständige Agrarpolitik«. Im Klartext bedeutet dies eine Abschottung des EU-Marktes gegenüber Produkten aus Entwicklungsländern. Für die Frage, was Länder wie Mali und Burkina Faso dann noch exportieren sollen, ist der Bauernverband nicht zuständig.