Zur Geschichte der FDP

Einstieg rechts

Antisemiten in der FDP sind keine neue Erscheinung. In den fünfziger Jahren war die Partei ein Auffangbecken für ehemalige Nazis.

Festlegen wollte sich Jürgen Möllemann nicht. Auf die Frage, ob die FDP jetzt wieder rechts außen integriere, sagte er in der vorigen Woche in den ARD-»Tagesthemen«, er wolle auch solche Menschen für die Gedanken des Liberalismus gewinnen, die diesem skeptisch gegenüberstünden. Einen ersten Erfolg hat er dabei schon zu verzeichnen. Denn am Mittwoch vergangener Woche wurde Jamal Karsli in die nordrhein-westfälische FDP aufgenommen.

Gegen seine Aufnahme hatten zuvor Paul Spiegel und Michel Friedman vom Zentralrat der Juden in Deutschland, aber auch verschiedene FDP-Politiker heftig protestiert. Denn der gebürtige Syrer machte in den vergangenen Monaten immer wieder mit seinen antisemitischen Ausfällen Furore (Jungle World, 19/02). So warf er der israelischen Armee »Nazi-Methoden« vor und warnte in der rechtsextremen Jungen Freiheit vor dem »Einfluss der zionistischen Lobby«, die »den größten Teil der Medienmacht in der Welt« innehabe.

Der FDP-Parteivorstand mühte sich auf dem Parteitag in der vorvergangenen Woche, die israelfeindlichen Äußerungen von Karsli, aber auch die von Jürgen Möllemann zu relativieren und die FDP als die Heimstatt für Juden wie Ignatz Bubis, den ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats, darzustellen. Doch damit machte man es sich ein bisschen zu leicht, denn die FDP war schon seit ihrer Gründung auch eine Partei für Antisemiten.

In den Anfangsjahren der Bundesrepublik fungierte sie als Sammelbecken für ehemalige Nationalsozialisten. Diese verstanden den Grundsatz, dass man offen für alles sei, »was nicht klerikal, was nicht sozialistisch ist« - wie ihn der spätere FDP-Vorsitzende Thomas Dehler 1952 formuliert hatte - als Einladung. Die FDP, seit 1949 an der Regierung Konrad Adenauers beteiligt, forderte die Neutralität Deutschlands und sprach sich gegen die Westverträge aus. Insbesondere gegen die Entnazifizierung wandten sich die Liberalen, man sah sich als Fürsprecher der »kleinen Parteigenossen« und ehemaligen Soldaten.

1949 auf der ersten Bundesvorstandssitzung erklärte der hessische Landesvorsitzende August Martin Euler, er habe nichts gegen eine Mitarbeit von Entnazifizierten in der Partei, denn »die ehemaligen Nazis (seien) oft bessere Mitkämpfer gegen den Totalitarismus von der anderen Seite (...) als diejenigen, die sich einbilden, schon immer Demokraten gewesen zu sein«. Theodor Heuss, der 1933 als Reichstagsabgeordneter dem »Ermächtigungsgesetz« zugestimmt hatte und 1949 zum Bundespräsidenten gewählt worden war, meinte, einmal müsse mit der Ausgrenzung ehemaliger NSDAP-Mitglieder »Schluss gemacht werden«.

Auf ihrem Münchner Bundesparteitag im September 1951 verlangte die FDP die Freilassung aller »so genannten Kriegsverbrecher« und begrüßte die kurz zuvor erfolgte Gründung des Verbands Deutscher Soldaten, der aus ehemaligen Wehrmachts- und SS-Angehörigen bestand. Der Parteitag in Essen erklärte im Juli 1952 in einer Resolution, es dürfe niemand mehr »wegen seiner politischen Gesinnung in der Vergangenheit Staatsbürger minderen Rechts oder Ansehens sein« und forderte mit einer »Generalamnestie« eine »schnelle und abschließende Lösung des Problems der so genannten Kriegsverbrecher«.

Nach einer im Januar 1953 von den US-Amerikanern veröffentlichten Meinungsumfrage hätten 25 Prozent der FDP-Anhänger damals ein Wiederaufleben des Nationalsozialismus begrüßt, in der Gesamtbevölkerung lag der Wert bei vier Prozent. Die Frage, ob ehemalige Nazis in der Politik und der Wirtschaft die gleichen Möglichkeiten erhalten sollten, bejahten 80 Prozent der FDP-Anhänger.

Diese Grundhaltung inspirierte die rechte Front der Freien Demokraten, die vor allem aus den Landesverbänden Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen bestand. Deren Geschäftsführungen lagen zum großen Teil in den Händen ehemaliger Nazis. Gegenüber neonazistischen Gruppierungen erwies man sich als offen. Horst Huisgen, ein ehemaliger NS-Reichstagsabgeordneter, der später Geschäftsführer der FDP in Niedersachsen wurde, meinte damals: »Nur wir sind in der Lage, uns geistig mit den SRP-Leuten auseinander zu setzen, denn bei uns sind noch mehr aktive Parteigenossen von früher als bei denen.«

Doch nicht nur Mitglieder der Sozialistischen Reichspartei (SRP), die 1952 als NS-Nachfolgeorganisation vom Bundesverfassungsgericht verboten worden war, wurden von der FDP umworben. Die Gemeinschaftsfraktion der FDP und des Bundes der Heimatlosen und Entrechteten (BHE) nahm im Jahre 1957 sämtliche Abgeordneten der neonazistischen Deutschen Reichspartei (DRP) im niedersächsischen Landtag als Hospitanten auf, unter ihnen auch die späteren NPD-Gründer Waldemar Schütz und Adolf von Thadden. Erst nach erheblichem Druck aus der Bundespartei wurde die Zusammenarbeit nach einem halben Jahr beendet.

Die »Nationale Sammlung«, der rechte Flügel der FDP, erarbeitete ein »Deutsches Programm«, das der Partei endgültig den Weg zu einer deutschnationalen Sammelbewegung rechts von der CDU weisen sollte. Der Verfasser des Programms, Hans Fritzsche, soll der frühere Chefkommentator des NS-Rundfunks gewesen sein, was von der FDP aber bestritten wurde.

Eine Schlüsselrolle innerhalb der »Nationalen Sammlung« hatte der ehemalige Staatssekretär im Reichspropagandaministerium, Werner Naumann, inne. Um ihn sammelten sich ehemalige Gauleiter, HJ- und SS-Führer und andere höhere NS-Amtsträger. Nach ihrer Auffassung war der rechte Flügel der FDP weit auf dem Weg zu einer »neuen Harzburger Front« fortgeschritten. Spiritus rector dieser Bewegung war Ernst Achenbach, der damalige Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses der FDP und Mitglied des Landesvorstandes Nordrhein-Westfalens, ein früherer NS-Diplomat in Paris, der an Deportationen von französischen Juden beteiligt war.

In der Nacht zum 15. Januar 1953 ließ der britische Hochkommissar Ivone Kirkpatrick sechs Mitglieder des so genannten Naumann-Kreises verhaften. Die Briten fanden bei Naumann unter anderem ein Schriftstück, in dem er eine Empfehlung Achenbachs festhält: »Um den Nationalsozialisten unter diesen Umständen trotzdem einen Einfluss auf das politische Geschehen zu ermöglichen, sollten sie in die FDP eintreten, sie unterwandern und die Führung in die Hand nehmen.« Gegen Achenbach wurde ein Parteiausschlussverfahren erwogen, zu dem es aber nie kam. Stattdessen erhielt er 1971 das Bundesverdienstkreuz.