Graeme Atkinson, Redakteur der britischen Zeitschrift ðSearchlightÐ

»Die BNP ist eine Nazipartei«

In Großbritannien häufen sich antisemitische Übergriffe, und die rechtsextreme British National Party (BNP) konnte bei den Lokalwahlen am 2. Mai Stimmengewinne verzeichnen. Sie erhielt durchschnittlich 18 Prozent der abgegebenen Stimmen, im nordenglischen Oldham sogar 27 Prozent. Graeme Atkinson ist Europa-Redakteur der britischen antifaschistischen Zeitschrift Searchlight. Im Moment befindet er sich auf einer einwöchigen Informationstour in Deutschland. Benjamin Dierks sprach mit ihm über den Wahlerfolg der Rechtsextremen und über den Antisemitismus in Großbritannien.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Wahlerfolg der British National Party?

Mit diesem Durchbruch ist es der BNP gelungen, aus ihrer bislang isolierten Position herauszukommen. Sie versucht nun, ihr Image aufzubessern und sich als legitime Konkurrenz zu den etablierten Parteien darzustellen. Tatsächlich ist die BNP aber eine Nazipartei, die sich größtenteils aus verurteilten Kriminellen zusammensetzt. Der BNP-Chef Nick Griffin beispielsweise wurde wegen Volksverhetzung verurteilt.

Wie stark ist die BNP in einer Stadt wie Burnley verankert, in der inzwischen drei BNP-Abgeordnete im Lokalparlament sitzen?

Es ist schwer zu sagen, wie viele Mitglieder die BNP in Burnley hat, da wir momentan noch nicht viel über ihre Rekrutierungsversuche dort wissen. Interessant ist, dass viele Wähler der BNP aus der unteren Mittelschicht und aus den traditionellen Wahlkreisen der Labour-Partei kommen.

Was muss die Asian Community in Burnley nun befürchten?

Eine Konsequenz des Wahlergebnisses wird eine Zunahme rassistischer Gewalt in der Stadt sein. Die BNP hat es geschafft, sich dort eine ernst zu nehmende Basis aufzubauen. Die Menschen, die bereits verunsichert sind, werden sich in Zukunft noch stärker bedroht fühlen. Der Wahlausgang versetzt die asiatische Bevölkerung in Burnley in einen Zustand der Belagerung. Wie auch in Oldham leben die verschiedenen Bevölkerungsgruppen bereits deutlich voneinander getrennt.

Wofür aber nicht allein die BNP verantwortlich ist ...

Vor allem die vorherige Regierung ist dafür verantwortlich zu machen, sowohl auf nationaler wie auf lokaler Ebene. Als ausländische Arbeiter angeworben wurden, um in der Textilindustrie zu arbeiten, wurde es versäumt, die Menschen in die Gesellschaft zu integrieren. Stattdessen mussten diese Arbeiter die unangenehmen Schichten übernehmen und wurden in ärmlichen Wohnungen in den Vierteln untergebracht, die von weißen Arbeitern verlassen worden waren.

Die Ghettoisierung der Asian Community hat bereits jetzt beängstigende Ausmaße angenommen. Die BNP nutzt diesen Zustand aus. Sie wird das Misstrauen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen noch weiter verstärken.

Welche Rolle spielt dabei die britische Presse, die nach den Riots im Frühjahr des letzten Jahres mit Berichten über no-go-areas für Weiße ein Bedrohungsszenario entwarf?

Die Berichterstattung in den Medien war damals unverantwortlich. Es gab keine no-go-areas, auch die Polizei hat dieser Darstellung widersprochen. Ein anderes Phänomen ist jedoch das Verhalten der BBC. Sie behandelt die Vertreter der BNP, die ein ansehnliches Vorstrafenregister aufzuweisen haben, wie ganz normale Politiker. Robert Bennett etwa, ein in Oldham aufgestellter Kandidat der BNP, wurde wegen Vergewaltigung verurteilt . In anderen Ländern würden solche Verbrechen, etwa ein Bombenanschlag auf eine linke Organisation, als Terrorismus bezeichnet.

Ende April verwüsteten Unbekannte eine Synagoge im Londoner Stadtteil Finsbury Park. Die britische Tageszeitung The Guardian schrieb daraufhin von einem »neuen Antisemitismus«, den es in der Mitte der Gesellschaft gebe und der antisemitische Positionen wieder salonfähig mache.

Es gibt einen neuen Antisemitismus, der sich nicht mehr auf die Vorstellung einer »jüdischen Weltverschwörung« bezieht. Heute sind antisemitische Positionen mit den Ereignissen im Nahen Osten verbunden. Eine Kritik an Israel muss nicht grundsätzlich antisemitisch sein. Sie wird aber antisemitisch, wenn man von »Zionisten« spricht und damit eigentlich die »Juden« meint. Und plötzlich reden eine Menge Menschen vom Zionismus, die sich früher nicht dafür interessiert haben. Die Kritik am Zionismus ist oftmals ein Platzhalter für antisemitische Positionen. Einen generellen Anstieg des Antisemitismus kann ich allerdings nicht erkennen.

Der Community Security Trust, eine Organisation für den Selbstschutz der Jüdischen Gemeinde in Großbritannien, zählte aber allein im April 51 antisemitische Angriffe. Das ist die höchste Zahl seit dem 11. September des vergangenen Jahres.

Das ist ein Beweis für eine steigende Bereitschaft, sich an antisemitischen Aktivitäten zu beteiligen. Damit kann jedoch noch nicht belegt werden, dass antisemitische Einstellungen in der gesamten Gesellschaft zunehmen.

Auch die britische Linke scheint bei diesem Thema nicht besonders sensibilisiert zu sein. Sowohl auf den Friedensdemonstrationen als auch bei Indymedia UK sind antisemitische Sprüche zu lesen.

Die Linke geht mit diesem Problem nicht besonders gut um. Sie hat es noch nie getan. Ich erinnere an die achtziger Jahre, als Linke Karikaturen veröffentlichten, die den israelischen Premierminister Menachem Begin in einer Naziuniform zeigten. Eine Verbindung zwischen Israel und Nazideutschland zu ziehen, ist abscheulich und eine Schande. Keine Situation kann diesen Vergleich rechtfertigen. Die Leute, die Israel kritisieren wollen, sollten sehr vorsichtig bei ihrer Wortwahl sein. Wie kritisch man auch der israelischen Regierung gegenüberstehen mag, für antisemitische Äußerungen gibt es einfach keine Entschuldigung.

Gibt es eine Verbindung zwischen rechtsextremen und linken propalästinensischen Positionen?

Ich glaube nicht, dass direkte Beziehungen existieren. Die beiden Positionen gründen auf unterschiedlichen Annahmen. Die Linke erklärt ihre Opposition zum Vorgehen der israelischen Behörden gegenüber den Palästinensern. Manchmal wird auch behauptet, der Zionismus sei eine reaktionäre oder sogar rassistische Ideologie. Das ist eine Ansicht, die ich nicht teile.

Die Rechten hingegen begründen ihre Opposition gegenüber Israel viel offener mit antisemitischen Stereotypen. Wenn sie den Begriff »Zionist« benutzen, ist das tatsächlich immer ein Codewort für »Jude«.

In manchen Fällen nähern sich die Argumente auch an.

Das Problem ist, dass beide Meinungen dazu tendieren, sich in der Mitte zu treffen. Dort stehen dann diejenigen Palästinenser oder radikalen Islamisten, die gerne auch mal rechtsextreme Texte ins Arabische übersetzen, insbesondere wenn sie den Holocaust leugnen.

Ich selbst habe übrigens schon unschöne antisemitische Anfeindungen deutscher Linker erlebt. Vor allem von dem Teil der Linken, der sich »Antiimps« nennt. Ich erinnere mich an ein sehr unangenehmes Treffen in Stuttgart, als der Film »Wahrheit macht frei« gerade erschienen war. Ich hatte den Film mitproduziert und wir stellten ihn in Deutschland vor. In Stuttgart reagierten die Leute sehr hysterisch und fragten uns, warum sich der Film auf den Antisemitismus konzentriere, obwohl Zionisten doch auch Verbrecher seien.