Regierungskrise in Montenegro

Kein dritter Weg

Hauptsache weg. Der montenegrinische Premierminister Filip Vujanovic wurde am vergangenen Mittwoch von einem parlamentarischen Misstrauensvotum aus dem Amt befördert. Dabei kam es im Parlament von Podgorica zu einer etwas seltsamen Allianz. Sowohl die für den Erhalt Jugoslawiens eintretende Sozialistische Volkspartei als auch die Liberale Allianz, die für eine rasche Unabhängigkeit Montenegros plädiert, stimmten für den Misstrauensantrag.

Nun darf Vujanovic noch 60 Tage als Interimspremier regieren. Sollte es ihm bis dahin nicht gelungen sein, wieder eine Mehrheit im Parlament zu finden, finden in den nächsten drei bis vier Monaten Neuwahlen statt.

Gestolpert ist die Regierung über ein Thema von europäischem Interesse: das »Belgrader Abkommen« von Mitte März, das Jugoslawien in eine konföderativ strukturierte »Union aus Serbien und Montenegro« verwandeln soll. Die EU erhofft sich, dass so zumindest in den nächsten drei Jahren die Unabhängigkeit der kleinen Republik an der Adria verhindert werden kann.

Doch kurz nachdem Vujanovic und der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic das Abkommen unter starkem Druck des EU-Diplomaten Javier Solana unterschrieben hatten, versagte die bis dahin bestehende Koalition aus Liberaler Allianz und Sozialdemokraten ersterem die Unterstützung. Sie stoßen sich vor allem daran, dass es nun doch nicht zu einem Referendum über die Unabhängigkeit Montenegros kommt und alle separatistischen Bestrebungen in den kommenden drei Jahren wenig Aussicht auf Erfolg haben werden.

Dass sowohl die Befürworter Jugoslawiens als auch die strikten Verfechter einer Unabhängigkeit Montenegros für den Rücktritt der Regierung gestimmt haben, ist ein starkes Indiz dafür, dass der schöne Plan Solanas in der Region wenig Zustimmung findet. Das Kalkül der EU, Präsident Djukanovic und seinem Premier eine dreijährige Pause zu verschaffen und die kompromisslosen Gegner und Befürworter einer vollständigen Unabhängigkeit still zu stellen, ist offenbar gescheitert.

Über die Motive, dem EU-Plan doch zuzustimmen, gab Vujanovic kurz nach seinem Sturz durch das Parlament offen Auskunft: »Ich habe den Deal nie als Bedrohung der montenegrinischen Interessen gesehen, er sorgt einfach nur für bessere Beziehungen zu Belgrad und zur Europäischen Union.« Im Klartext bedeutet das, das Montenegro dem Belgrader Abkommen nur zugestimmt hat, um schwerwiegenden Differenzen mit der EU und der jugoslawischen Regierung zu entgehen. Denn Brüssel und Belgrad sind sich darin einig, dass die Region momentan weder neuen Separatismus noch einen neuen Staat gebrauchen kann. Das ist, drei Jahre nach dem Kosovo-Krieg, eine überraschende Wendung.

Die Bevölkerung in Montenegro aber scheint sich langsam der unvermeidlichen Unabhängigkeit zu fügen. Bei den Kommunalwahlen in der vorletzten Woche siegten in elf von 19 Städten jene Parteien, die für eine Unabhängigkeit eintreten, während der Block für ein gemeinsames Jugoslawien überraschend an Rückhalt verlor.

Wenn nun also tatsächlich Parlamentswahlen stattfinden und die eindeutig separatistischen Parteien Zugewinne verzeichnen können, so geschieht das nicht trotz, sondern wegen des von Solana geförderten Stillhalteabkommens. Die lokale politische Klasse sieht in dem EU-Plan nicht viel mehr als ein wackeliges Provisorium. Denn dieses Abkommen macht aus dem fragilen Bundesstaat eine noch weniger attraktive Konföderation.