Werbestrategien von Nike

Das Just-Do-It-Marketing

Nike platziert im Umfeld der WM seinen neuesten Spot, der nicht zufällig das Coolste ist, was der Werbung zum Fußball eingefallen ist.

A little less conversation, a little more action please, all this aggravation ain't satisfactioning me«, singt Elvis Presley aus vergangenen Zeiten modern remixed zur aktuellen Werbekampagne von Nike. Der ehemalige Monty Python- und »Brazil«-Regisseur Terry Gilliam hat sie inszeniert: dunkel, ironisch, martialisch, cool, alle Regeln des Fairplay brechend, scheißegal, wie sich der offizielle Fußball bei der WM wieder präsentieren möchte. Mit einem Wort: Nike, wie es leibt und lebt.

Dargestellt wird ein »First Score Wins«-Turnier. Das Setting: ein mysteriöses Frachtschiff, darin Käfige, in denen Fußball gespielt wird. Der Wärter: Eric Cantona, der die Bälle verteilt und Mephisto-like den Zeremonienmeister gibt. Acht multikulturelle Dreier-Teams treffen aufeinander, im Finale die europäisch-japanischen Achsenmächte - Totti, Henry, Nakata - und das südamerikanisch-europäische Team - Ronaldo, Roberto Carlos, Figo. Mit anderen Worten: »Os Tornados« gegen die »Triple Espresso-Equipe«. Die OS Tornados gewinnen das Turnier mit einem üblen Trick. Totti, das Schlitzohr, tut so, als ob er seinen Schuh schnüren würde, Henry steigt ihm auf den Rücken, für einen kurzen Moment ist der Sportschuh mit dem Swoosh zu sehen, und köpfelt das entscheidende Tor. Die nur ungläubig schauenden Ronaldo & Co haben verloren und müssen über Bord gehen.

Geht es nach dem Willen von Nike, soll dies im kommenden Monat auch der Hauptkonkurrent Adidas tun - im »Krieg der Ausrüster«.

Gelingen soll das u.a. mit Hilfe von Ambush-Marketing. Die Strategie von Ambush (dtsch: Hinterhalt) ist so simpel wie erfolgreich. Man platziert eigene Werbung im Umfeld sportlicher Großereignisse, profitiert vom imagemäßigen Mehrwert der Veranstaltung, ohne selbst Sponsor zu sein, und distanziert sich zugleich von der Veranstaltung. Seit vielen Jahren setzt sich Nike in seinen Kampagnen auf diese Weise von den großen Institutionen wie der Fifa oder dem IOC und ihren »kommerziellen Interessen« ab. Schon bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta wurden in den USA »subversive« Fernsehspots zur Musik der Stooges (»Search and Destroy«) gesendet, die sich scharf von der offiziellen NBC-Olympia-Berichterstattung unterschieden. Ebenso kritisierte man, als Anwalt der »echten AthletInnen«, dass sportfremde Marken in die Vermarktung der Olympischen Spiele involviert seien.

Die Fifa, seit Jahrzehnten glücklich mit Adidas liiert, will die offiziellen WM-Sponsoren naturgemäß vor unliebsamen Konkurrenten schützen. In einem Schreiben warnt sie vor Ambush-Marketing als »unauthorisierter Verknüpfung eines Unternehmens oder einer Organisation mit der Fußball-WM«. Um dieser »illegalen Verwendung des geistigen Eigentums der Fifa« zu begegnen, wurde ein weltweites Rechtschutzprogramm ins Leben gerufen und ein eigenes Anti-Counterfeiting Committee (ACC) gegründet. Selbstverständlich ausschließlich zum Nutzen der Fußballfans in aller Welt wurden bereits Produzenten von Produkten, die sich illegalerweise der WM-Logos oder ähnlicher Symbole bedienen, verklagt.

Vor einer Zukunft hinter Gittern muss sich Nike nicht fürchten; dafür sind alle Beteiligten zu schlau. Dennoch gibt die nervöse Reaktion der Fifa einen Hinweis auf den ökonomischen Wert des Fußballs in einer globalisierten Welt. Nach Angaben der Fifa wurde bei der WM '98 alleine das Finale von einer Milliarde Zuschauern verfolgt. Kein Wunder, dass sich brands wie Coca Cola, McDonald's, Philips oder Adidas schon seit langem mit dem Titel »Offizieller Sponsor« des Weltfußballverbands schmücken. 1998 hatten sie zwischen 23 und 30,5 Millionen Euro investiert, um exklusive Rechte zu erringen, etwa die Berechtigung, das WM-Logo in ihr eigenes Firmensignet zu integrieren, fünf bis zehn Prozent der Sitzplätze in den Stadien reserviert zu bekommen und exklusive Werbebanden bei jedem Spiel und jeder Pressekonferenz zu erhalten.

Globale Marken nutzen die Bühne der WM zur Vermarktung ihrer Waren und profitieren vom Zeichenwert der Sportstars. Der Bekanntheitsgrad von Sportvereinen und der einiger Akteure ist höher als der von Markenartikelunternehmen wie Adidas oder Sony. Wie eine aktuelle Studie belegt, hat etwa in Deutschland die Marke FC Bayern München bereits einen Bekanntheitsgrad von 95 Prozent erreicht. Logisch, dass selbst große brands die Nähe von Sportveranstaltungen, -vereinen oder -stars für ihre Werbung suchen.

Entscheidendes Moment dieser Entwicklung ist die Auflösung der Grenzen zwischen der Werbung für Sportarten und jener für andere Produkte mit Hilfe von sportlichen Veranstaltungen oder Sportstars. Ob Nike und Michael Jordan den Wert der Marke NBA gesteigert haben oder umgekehrt die NBA den Wert von Nike und Michael Jordan, kann man nicht mehr klären. In diesen Marketingkreisläufen im heutigen Mediensport gibt es keinen Ausgangspunkt und auch keinen Endpunkt mehr. Die sich gegenseitig verstärkenden Werbekampagnen bringen mehr Sichtbarkeit und im besten Fall mehr Profit für alle Beteiligten.

Nikes Spot für Japan/Südkorea ist nicht zufällig das Coolste, was den Werbern bislang zum Thema eingefallen ist. Die Herren und Damen aus Beaverton/Oregon haben darin jahrelange Übung. Hatten sie sich bis in die frühen neunziger Jahre vor allem auf die Partnerschaft mit Stars aus klassischen US-amerikanischen Kernsportarten (Michael Jordan, Basketball) verlassen und vielleicht erwartet, dass Basketball über kurz oder lang Fußball als globale Sportart Nummer eins ablösen würde, so zeigte sich nach den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona (mit dem Auftritt des Dream Teams), dass diese Strategie nicht verfing. So investierte man nun auch in Fußball-Ikonen wie Ronaldo, der 1996 unter Vertrag genommen wurde.

Nike und seine Stammwerbeagentur Wieden & Kennedy exekutieren das, was Soziologen die Ökonomie der Zeichen nennen, in der die Produktion symbolischer Waren vorherrscht. Nike ist keine Produktionsfirma im klassischen Sinn, der entscheidende Mehrwert seiner ansonsten bedeutungslosen Sportartikel wird durch »symbolische Arbeit« generiert. Im Mittelpunkt steht die Pflege der Marke bzw. des Logos (Swoosh), in den Worten von Naomi Kleins Antiglobalisierungsmanifest »No logo!«: Es geht um Sinnvermittlung statt Produktherstellung. Werbung und (Sport-) Marketing kommen dabei wichtige Rollen als Produktionsort dieser Zeichenwerte zu. Insofern ist es nur logisch, dass sich der Werbeetat mittlerweile auf die schwindelerregende Höhe von 13 Prozent des Gesamtumsatzes des Unternehmens geschraubt hat.

Durch provokante Strategien und Respektlosigkeit gelang es Nike, die Widersprüche heutigen KonsumentInnenlebens in die eigene Imagebildung einzubeziehen. Durch den Aufbau einer eigenen Alltagsphilosophie (Just Do it!), die Sprache der Selbstermächtigung (»Ändern musst Du Dich selber«) und durch die Eröffnung moralischer Diskurse über bestimmte gesellschaftspolitische Issues, entwickelte Nike eine höchst erfolgreiche Markenästhetik, die durch die Einbeziehung hipper Kreativer (auch und vor allem des schwarzen Amerika, z.B. durch Spike Lee) ausgezeichnet wurde.

Entscheidendes Element der Werbestrategie des Konzerns - der dabei nur die Rolle des Vorreiters spielt - ist die Vermittlung eines »globalen Chics«. Naomi Klein beschreibt diese Botschaft u.a. am Beispiel des WM-Songs von 1998 »La Copa de la Vida/The Cup of Life« von Ricky Martin. »Vielfalt«, so Naomi Klein, kann heute mit einer einzigen Kampagne gleich an alle Märkte geliefert werden.

Genau das gelingt Nike mit dem aktuellen WM-Spot. Die kunterbunt und multikulturell zusammengesetzten Dreier-Teams bieten für alle Kontinente Identifikationsfiguren, der Starkult um die Kultstars steht wieder einmal im Gegensatz zu den Kampagnen der Konkurrenten, und das neoliberale Lied, wonach die Verlierer über die Klippe springen müssen, wird mittlerweile auch schon rund um die Welt gesungen.

Gut zu wissen, dass selbst die Meister der Werbeinszenierung ihre Botschaften bisweilen übertreiben. So geschehen bei der WM in Frankreich, als in Paris Plakate für eine Reise in eine »souveräne Volksrepublik des Fußballs« warben. Die Motivreihe war im Stil von Propagandaplakaten aus den dreißiger Jahren gestaltet und verlieh dem Nike-Fußballstaat ein martialisches Antlitz. Zu sehen war etwa vor dem stilisierten Bogen der Pariser Grande Arche die Silhouette eines Fußballers, dazu der Text: »Jugend der Welt, der Fußball ruft! Versammelt euch!« Ein zweites Plakat der Serie näherte sich noch unverhohlener einer faschistischen Ästhetik. Ein Ball mit Swoosh-Logo fliegt auf den als Tor dienenden Bogenbau zu, daneben ein hochkant aufgestellter Fußballschuh als Monumentalstatue. Besonders verräterisch wirkte der Bildhintergrund, dort sind die Strahlen eines Lichtdoms sichtbar. Der Text: »Kommt zum Lattenkreuz!«

Die Proteste gegen die Kampagne waren 1998 zahlreich, Nikes WM-Gesandtschaft reagierte schnell und ließ die Poster entfernen. Damit ist bei den aktuellen Spots nicht zu rechnen, obgleich auch hier die kriegerischen und hinterlistigen Aspekte des Fußballs dominieren. Wie singt Elvis so schön? »A little more bite and a little less bark.« Genau.