Entschädigung für Donauschwaben?

Doof wie die Donau

Der stellvertretende serbische Ministerpräsident Josef Kaszar will sich für eine materielle Entschädigung der deutschen Vertriebenen einsetzen.

Der Weltverband der Donauschwaben hat allen Grund zur Freude. Bei einem Treffen der Vertriebenenfunktionäre Mitte Mai kündigte der stellvertretende serbische Ministerpräsident Josef Kaszar an, wohlwollend über eine »Entschädigung« von Angehörigen der ehemaligen deutschen Minderheit in Serbien zu entscheiden. Damit sind die Donauschwaben an einem Punkt angelangt, von dem die sudetendeutschen Landsmannschaften bisher nur träumen können: der Revision der Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs. Nach 1945 waren etwa 500 000 so genannte Volksdeutsche als Kollaborateure des deutschen Vernichtungskrieges aus Serbien beziehungsweise Slowenien ausgesiedelt worden.

Was in Deutschland kaum jemand zur Kenntnis nimmt, hat in Serbien für ein erhebliches Medienecho gesorgt. Alle großen Tageszeitungen und Fernsehstationen berichteten über das Treffen in der Kleinstadt Subotica, die in der Vojvodina liegt. Denn die »Entschädigungsfrage« rührt an die Frage, wie der Zweite Weltkrieg zu beurteilen ist.

Niemand macht das so deutlich wie die Donauschwaben selbst. In der Abschlussresolution des Treffens, an dem schwäbische Vertriebenenfunktionäre aus verschiedenen Ländern teilnahmen, ist die Forderung nach »raschen Verhandlungen über Restitution und Vermögensfragen« nur eine von mehreren. Gefordert werden darüber hinaus eine »völkerrechtliche Anerkennung des erlittenen Unrechts in den Jahren 1944-1948«, eine »rechtliche und moralische Wiedergutmachung«, die »Wahrung der verfassungsmäßig garantierten Minderheitenrechte auf Kultur, Religion, Sprache und Bildung für alle im ehemaligen donauschwäbischen Heimatgebiet verbliebenen deutschsprachigen Volksgruppen« sowie die »Aufhebung der Beschlüsse des Avnoj-Präsidiums«. Kaszar, der als Vertreter der ungarischen Minderheitenpartei in der serbischen Regierung unter Zoran Djindjic sitzt, sagte auch seine Unterstützung dieser Forderungen zu.

Ähnlich wie die Benes-Dekrete in der Tschechoslowakei bildeten die Bestimmungen des Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens (Avnoj) ein zentrales Element für das Grundverständnis der in den vergangenen Sezessionskriegen stückweise zerstörten zweiten jugoslawischen Republik.

Der Ende 1942 gegründete Avnoj war das Kriegsparlament der antifaschistischen Partisanenbewegung. Inmitten des Kampfes gegen deutsche Besatzer und ihre lokalen Verbündeten stellte er die zwei wichtigsten Weichen für das Jugoslawien der Nachkriegszeit. Auf einer Sitzung im November 1943 im bosnischen Ort Jajce wurde Jugoslawien als föderativer Staat konzipiert. Gleichzeitig sprach der Partisanenführer Josip Broz Tito der bürgerlichen Londoner Exilregierung die Legitimation ab und stellte damit die Kommunistische Partei an die Spitze des Widerstandes und des neu zu gründenden Staatswesens.

Der Hass der donauschwäbischen Landsmannschaften richtete sich insbesondere auf Vereinbarungen der Avnoj vom November 1944, die sie als Grundlagen eines »Genozids« bezeichnen. Die Partisanen hatten beschlossen, Kollaborateure der Besatzungsmacht zu enteignen und ihre Bürgerrechte einzuschränken.

Da die damals etwa 500 000 in Jugoslawien lebenden »Volksdeutschen«, deren größte Gruppe die 350 000 Donauschwaben der Vojvodina bildeten, zumeist begeisterte Anhänger der Besatzungsmacht waren, fielen sie unter die Bestimmungen. Ausdrücklich ausgenommen von Enteignung, Bestrafung und Ausweisung waren jene Deutschen, die sich dem antifaschistischen Widerstand angeschlossen hatten. Nach einem Zensus von 1991 lebten noch 5 000 Menschen in Serbien, die sich als Deutsche definierten.

In den Forderungen der ausgesiedelten Deutschen, wie sie sich in der Resolution von Subotica offenbaren, wird nun der Kriegsverlauf umgekehrt. Keine Rede ist davon, dass die jugoslawische Bevölkerung von den Deutschen überfallen wurde und der Besatzungsmacht und deren lokalen faschistischen Verbündeten ausgesetzt war. Stattdessen werden die Kollaborateure zu Opfern der antifaschistischen Partisanen stilisiert. Auch wenn bei der Ausweisung der »Volksdeutschen« sicher nicht penibel nach kriegsrechtlichen Bestimmungen vorgegangen wurde, stellte sie doch eine Reaktion auf den Vernichtungskrieg der Deutschen dar.

Die deutsche Besatzungsmacht war nach dem verheerenden Luftangriff vom 6. April 1941 auf Belgrad und dem anschließenden militärischen Einmarsch mit einem unbeschreiblichen Vernichtungswillen gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen, die man der Unterstützung der Partisanen beschuldigte.

Wehrmachtseinheiten erschossen bei Massakern wie im zentralserbischen Kraljevo und in Kragujevac im Oktober 1941 tausende Zivilisten als »Sühne« für getötete Wehrmachtssoldaten. Mit den Erschießungen von »Geiseln«, die sich während des ganzen Kriegs fortsetzten, ging die Wehrmacht gezielt insbesondere gegen die Juden und die Roma vor. Anfang 1942, als im gesamten besetzten Europa die Deportationen gerade erst begannen, war die Vernichtung der Juden in Jugoslawien fast schon beendet. Im August 1942 meldete der Leiter der Militärverwaltung in Serbien, SS-Gruppenführer Harald Turner, stolz nach Berlin: »Judenfrage, ebenso wie Zigeunerfrage völlig liquidiert. Serbien, einziges Land, in dem Judenfrage und Zigeunerfrage gelöst.« Während des Vernichtungskrieges in Jugoslawien wurde insgesamt über eine Million Menschen getötet, etwa die Hälfte davon waren Serben.

Bei der strategischen Absicherung der Besatzungspolitik spielte die »volksdeutsche« Minderheit in den Konzepten der deutschen Militärverwaltung eine wichtige Rolle. Um möglichst wenige Wehrmachtseinheiten in Serbien zu binden, sollten »Volksdeutsche« die Sicherung des Gebietes übernehmen.

Die Führung der deutschen Bevölkerungsgruppe plante die Einrichtung eines »Prinz-Eugen-Gaus« in den Siedlungsgebieten der Donauschwaben, die heute auf dem Staatsgebiet Ungarns, Serbiens und Rumäniens liegen. In diesen Gebieten hatte die Habsburger Krone nach der Vertreibung der osmanischen Truppen im Verlauf des 18. Jahrhunderts Bauern aus dem süddeutschen Raum angesiedelt.

Die Diskussion um die Avnoj-Bestimmungen in Serbien kommt nicht überraschend. In den vergangenen Jahren haben mit Unterstützung der österreichischen Regierung die Verbände der »Volksdeutschen« immer wieder die Aufhebung der Bestimmungen in Slowenien verlangt und so das Klima zwischen den beiden Ländern erheblich belastet.

Während der slowenische Staatspräsident Milan Kucan die Avnoj-Bestimmungen lange Zeit verteidigte, soll nun bis April 2003 eine Historikerkommission ein Dokument zur Bewertung der damaligen Vorgänge vorlegen. Restitutionsforderungen können in Slowenien allerdings bereits jetzt gestellt werden, wenn die Betreffenden nachweisen, dass sie nicht an der Kollaboration beteiligt waren.

Ähnlich dürfte es nun in Serbien weitergehen. Im August des vergangenen Jahres brachte der serbische Justizminister ein »Denationalisierungsgesetz« in die parlamentarische Beratung. Ihm zufolge sollen die nach 1945 im Zuge von Konfiskationen, Landreform und Vergesellschaftungen enteigneten Eigentümer von Land, Fabriken, Minen, Häusern und Geschäften ihren Besitz zurückerstattet bekommen. Ausgesiedelte Deutsche könnten wie zehntausende Serben Anträge auf Rückerstattung stellen.

Doch so weit ist es noch nicht. Vorerst bleibt es bei Absichtserklärungen, denn zahlreiche Rechtsprobleme sind ebenso ungeklärt wie die Frage, welche staatlichen Institutionen überhaupt zuständig sind. Es regt sich auch Widerstand. Als vor einigen Monaten einige Donauschwaben in den Vojvodina-Dörfern Vrsac und Bela Crkva ihre alten Häuser anschauen wollten, wurden sie von den Dorfbewohnern mit dem Ruf »Geht nach Hause!« wieder weggeschickt.