Oriana Fallacis »Die Wut und der Stolz«

Für Raffaello und Parmesan

Oriana Fallaci entdeckt den islamischen Faschismus im Metzgerladen um die Ecke.

Ob die Invasoren mit Kanonen oder mit Schlauchbooten kommen, das ist ganz egal«, schreibt die italienische Journalistin Oriana Fallaci am Ende ihres jüngsten Buches »Die Wut und der Stolz«, das in Italien bereits über eine Million Mal verkauft wurde und kürzlich auch in Frankreich erschienen ist. Es sind genau diese schrillen Töne des Ressentiments, von denen das hastig heruntergeschriebene Pamphlet lebt.

In der Welt der Oriana Fallaci herrscht der permanente Kriegszustand. Die inzwischen 71jährige Autorin, die früher als linksliberal galt, scheint nichts anderes mehr zu kennen; einen bedeutenden Teil ihrer Karriere hat sie als Kriegsreporterin gearbeitet. Zunächst vor allem im Vietnamkrieg. Später war la Fallaci, wie sie in Italien genannt wird, bevorzugt an Krisenschauplätzen im Nahen und Mittleren Osten unterwegs. Berühmt wurden ihre Interviews, u.a. mit dem iranischen Islamistenführer Ayatollah Khomeini und dem libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi.

Seit zehn Jahren ist die inzwischen schwer kranke Fallaci in New York sesshaft, wo sie an einem Roman arbeitet. Die Stadt sei ihr »Exil«, betont sie immer wieder und vergleicht sich mit berühmten Italienern, die vor dem Faschismus hatten fliehen müssen. Die Motive für ihre Flucht aus Italien bleiben unklar, bisweilen lässt sie durchblicken, dass ihr abgrundtiefer Hass auf die italienischen Kommunisten eine wichtige Rolle spielt. Diese Leute hätten ihr seit 40 Jahren »blaue Flecken in der Seele« zugefügt.

Am 11. September wurde sie Zeugin der mörderischen Attentate. Dass dieses Ereignis bei ihr tiefe Empörung hervorrief, versteht sich von selbst. Problematisch ist, dass die Autorin offenbar versucht, ihre Wutausbrüche als Vermittlung politischer und historischer Erkenntnisse auszugeben. Kaum 14 Tage nach den Attentaten in den USA erschien die Rohfassung von »Die Wut und der Stolz« in der italienischen Abendzeitung Il Corriere della Sera. Die Buchversion, die in Italien kurz vor Weihnachten unter dem Titel »La rabbia et l'orgoglio« vom Verlag Rizzoli herausgegeben wurde, ist lediglich eine leicht überarbeitete Langfassung.

Der Feind, den Fallaci in ihrem aktuellen Kriegsreport bestimmt, kann ganz unterschiedliche Gestalt annehmen; der Feind sind »die Söhne Allahs« und natürlich Ussama bin Laden. Auch Yassir Arafat missfällt der Journalistin, vor allem wegen seiner feuchten Aussprache, die ihr während eines Interviews 1972 aufgefallen war. Die Feinde tauchen in Gestalt islamischer Metzgereien auf oder kommen als albanische, somalische oder marokkanische Immigranten nach Italien, wo sie »die ruhmreiche Stadt (Genua) geschändet und in eine Kasbah umgewandelt haben«.

Fallaci geht noch einen Schritt weiter. Sie vergleicht den italienischen und deutschen Faschismus mit dem Islamismus und betont, es gäbe doch einen Unterschied. Denn »die Amerikaner, die am 7. Mai 1933 dem unverstandenen Gaetano Salvemini (der eine Konferenz über Hitler und Mussolini in New York abhielt; B.S.) zuhörten - der unverstanden war, so wie ich es heute bin - hatten nicht Hitlers SS und Mussolinis Schwarzhemden in ihrem eigenen Land. (...) Die Italiener und die anderen Europäer haben jedoch die SS und Schwarzhemden der bin Ladens in ihren Städten und Dörfern und Büros und Schulen. In ihrem täglichen Leben, in ihrem Vaterland. Sie sind überall, die neue SS, die neuen Schwarzhemden. Beschützt durch den Zynismus, den Opportunismus, die Berechnung, die Dummheit jener, die sie als kleine Heilige darstellen. Die-Armen, die-Armen, sie-bereiten-mir-so-viel-Schmerz-wenn-sie-aus-ihren-Schlauchbooten-steigen. Rassistin-Rassistin, tönt es, böse-böse, Du-die-du-sie-nicht-ausstehen-kannst.«

Die Konfrontation, vor allem auch die militärische, ist für Fallaci unvermeidlich, »wenn das Schicksal des Okzidents auf dem Spiel steht, wenn das Überleben unserer Zivilisation in Gefahr ist«. Denn so malt sie die angeblich drohende Zukunft aus: »Statt unter Kirchtürmen finden wir uns bei Muezzinen wieder, statt in Miniröcken finden wir uns in Tschador oder Burka wieder, anstelle des kleinen Cognac finden wir uns bei Kamelmilch wieder.«

Fallaci bestreitet natürlich, rassistisch zu argumentieren, und hat für Politiker und Intellektuelle, die sich gegen solche ausländerfeindlichen Hetztiraden verwahren, nur Spott übrig. Sie nennt die Antirassisten »Zikaden« und agitiert: »Gelähmt durch die Angst, gegen die Strömung anzuschwimmen oder als rassistisch zu erscheinen - ein völlig ungeeigneter Begriff, da das, was ich sage, eine Religion betrifft und keine Rasse - versteht Ihr nicht oder wollt Ihr nicht verstehen, dass wir es mit einem umgekehrten Kreuzzug zu tun haben.«

Den italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi spricht Fallaci in ihrem Buch direkt an. Neben einigen Stilfragen missfällt ihr noch etwas anderes an ihm. Selbstverständlich ist es nicht seine saloppe Erklärung vom September 2001 über die ewige »Überlegenheit der europäischen Zivilisation«, sie bemängelt vielmehr, dass Berlusconi die Äußerung später zum Teil zurückgenommen hat: »Aber als die Zikaden Ihnen an den Hals fielen, 'Rassist-Rassist', da haben Sie den Rückwärtsgang eingelegt. (...) Kurz, Sie haben es mit der Angst bekommen. Und das ist unverzeihlich, Signore.«

Gegen Ende des Buches hat Fallaci ihr nationales Erweckungserlebnis. Denn auch wenn sie nicht an Gott glaube, so stehe ihr die katholische Religion mit ihren Sakralbauten als »Bestandteil meiner Kultur« doch allemal näher als jede andere. »Selbst eine Atheistin wie ich kann es nicht leugnen: Die katholische Kirche hat auch einen großen Beitrag zur Geschichte des Denkens geleistet. Und dann gab es die Renaissance. Es gab Leonardo da Vinci, es gab Michelangelo, es gab Raffaelo. Es gab ...«

Die Hinterlassenschaften dieser Kulturepochen werden quasi zu den persönlichen Verdiensten der Autorin gerechnet, die sich dagegen verwahrt, dass »mein Florenz« geschändet wird, etwa durch Immigranten, die vor dem Uffizienpalast urinieren oder ein Zelt vor der Kathedrale San Salvatore el Vescovo aufschlagen. Einige Seiten lang fantasiert Fallaci über die Zerstörung eines der Kunstwerke durch islamische Terroristen. Auf den letzten Seiten macht sie sich auch noch gegen die EU stark, der »Italien seine schöne Sprache und seine nationale Identität opfert« und die »den Italienern den Parmesan und den Gorgonzola stehlen will«.

Wahrscheinlich könnte »Die Wut und der Stolz« auch als Manifest der Rechten in Europa taugen. Tatsächlich finden sich die beiden Hauptmerkmale einer solchen Orientierung bei Fallaci wieder: militärische Verteidigung und Abschottung nach außen.

In Deutschland wird »Die Wut und der Stolz« im August erscheinen, und die erste positive Reaktion kommt ausgerechnet von links. Die Suche im Internet führt auf die Homepage der Zeitschrift Bahamas, wo der Text aus dem Corriere della Sera als Aufforderung verstanden wird, »den Gotteskriegern mit antifaschistischer Entschlossenheit militärisch entgegenzutreten«. Die von deutschen Antifaschisten gelobte Veröffentlichung war am 23. Mai von der Europäischen Beobachtungsstelle zur Beobachtung von Rassismus in Brüssel in ihrem Jahresbericht wegen rassistischer Tendenzen »gegen Muslime, Araber und Immigranten« beanstandet worden. Aber dass ehemalige Linke, nach den Maßstäben internationaler Politik, sehr weit rechts landen können, ist ja nicht neu.

Oriana Fallaci: La rage et l'orgeuil. Plon, Paris 2002, 195 S., 15 Euro