Senat beschließt die Videoüberwachung »gefährdeter Orte«

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In der vergangenen Woche beschloss der Senat die Einführung polizeilicher Videoüberwachung an »gefährdeten Orten«.

Berlins Polizei freut sich. Denn bald darf sie auch in der Hauptstadt Überwachungskameras in eigener Regie betreiben. Am Dienstag der vergangenen Woche hat der rot-rote Senat einen Entwurf zur Änderung des Polizeigesetzes verabschiedet. Vor allem jüdische Einrichtungen sollen durch Videoüberwachung künftig besser geschützt werden.

So bringen die PDS und die SPD nun auf den Weg, was die Vorgängerregierung nie geschafft hat: eine Gesetzesänderung zur polizeilichen Videoüberwachung. Entsprechende Initiativen scheiterten immer wieder an den gegensätzlichen Auffassungen der damaligen Koalitionspartner SPD und CDU.

Die Union forderte damals wie heute eine Videoüberwachung aller öffentlichen Plätze durch die Polizei. Doch ein entsprechendes Gesetz, wie es zum Beispiel in Sachsen schon seit 1995 gültig ist, scheiterte in Berlin regelmäßig am Widerstand der Sozialdemokraten. Dennoch sind in Berlin an vielen privaten Gebäuden Kameras installiert, die auch Straßen und Bürgersteige überwachen. Eine rechtliche Grundlage gibt es dafür nicht. Und auch die an Bundesgebäuden befestigten Überwachungskameras beobachten den öffentlichen Raum, freilich ohne dass darauf auch nur hingewiesen wird.

Mit dem nun vom Senat beschlossenen Gesetzesentwurf soll - so heißt es im Koalitionsvertrag - der Schutz »einzelner, besonders gefährdeter Objekte mit den Mitteln optischer Überwachungstechnik« gesetzlich verankert werden. Eine generelle Videoüberwachung des öffentlichen Raumes wird dagegen explizit ausgeschlossen.

Wird der neue Paragraf 24a vom Abgeordnetenhaus in das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (Asog) aufgenommen, darf die Polizei »gefährdete Objekte, aber auch Religionsstätten und Friedhöfe und deren unmittelbare Umgebung« per Kamera überwachen. Immerhin muss mit Schildern auf die Überwachung hingewiesen werden. Aber zur »unmittelbaren Umgebung« gehören auch angrenzende Straßen und Grünflächen.

Damit wird nach Meinung von Senatsmitgliedern eine Sicherheitslücke geschlossen, denn bisher durften nur Gebäude und höchstens noch deren Eingangsbereich observiert werden. Es sei jedoch »absurd, wenn die Kamera nicht auf den Vorplatz gerichtet ist«, meint die Pressesprecherin der PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Marion Seelig. Denn so sei auf den Aufnahmen zum Beispiel nur die zerstörte Scheibe einer Synagoge, »nicht jedoch der Steinewerfer« zu erkennen.

Auch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) betont, dass die Videoüberwachung »wesentlich zum Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen in Berlin beitragen« könne. Sie helfe nicht nur, »eine sich anbahnende Straftat zu erkennen«, sondern wirke bereits als Abschreckung. Gleichwohl sieht die Neuregelung des Asog zusätzlich eine permanente Aufzeichnung der Kamerabilder vor.

Ob eine Videoüberwachung die erhofften Resultate erbringt, ist umstritten. Die Polizeidirektion Leipzig, die seit 1996 öffentliche Plätze mit Videokameras überwacht, konnte der Jungle World keine Zahlen vorlegen, wie viele Straftaten deswegen aufgeklärt wurden. Das sei ja auch nicht der Zweck der Kameras, so Pressesprecher Dressler. Vielmehr sei es gelungen, »Kriminalitätsschwerpunkte« im Sichtfeld der Apparate durch Abschreckung aufzulösen. »Der Täter fühlt sich beobachtet«, sagt Dressler, der damit jene Kritiker bestätigt, die monieren, dass so das Problem nur an andere Orte verdrängt wird.

Der Berliner Gesetzesentwurf habe dagegen nicht mit der »generellen Videoüberwachung öffentlicher Plätze« zu tun, betont die Senatsinnenverwaltung. In Berlin seien Verdrängungseffekte nicht zu erwarten. Deswegen und vor allem auch wegen der Notwendigkeit, jüdische und israelische Objekte zu schützen, gibt es bisher auch kaum Gegenstimmen zur Änderung des Polizeigesetzes. Mit Ausnahme der CDU, die dagegen ist, weil ihr die Überwachung immer noch nicht weit genug geht. Die Fraktionen der Grünen und der Liberalen werden Mitte Juni im Abgeordnetenhaus für Körtings Entwurf stimmen.

Selbst der beim Berliner Datenschutzbeauftragten für Polizeirecht zuständige Referent, Detlef Schmidt, erklärte der Jungle World, dass man der Neuregelung »kaum ernsthaft etwas entgegenhalten« könne. Sie ermögliche einen besseren Schutz gefährdeter Objekte und lasse keine Ausweitung zu. Problematisch sei nur, dass damit »der erste Schritt getan sei, der Polizei die Videoüberwachung gesetzlich zu gestatten«. Wurden »gefährdete Objekte« bisher »nur« privat überwacht, kann die Polizei nun über eigene, fest installierte Kameras verfügen.

Während die Erweiterung der Videoüberwachung also beschlossene Sache ist, lassen linke Gruppen, die bislang politisch gegen die Videoüberwachung in Berlin argumentiert haben, nichts von sich hören. Die Gruppe autopool, die im vergangenen Herbst noch Protestaktionen gegen die rechtswidrige Videoüberwachung des öffentlichen Raumes durch private Kameras initiiert hatte, schweigt bislang. Im vergangenen September veranstaltete autopool einen Spaziergang durch die Stadt zur Dokumentation der Kameras. Und auch die Gruppe metrogap, die im Jahr 2000 noch eine Veranstaltungsreihe zur Überwachung durchführte, beschäftigt sich nicht mehr mit diesem Thema.

Über die Gründe dafür lassen sich nur Mutmaßungen anstellen. Fest steht aber, dass bei der Videoüberwachung in Berlin im Vergleich zu anderen deutschen Städten noch liberale Zustände herrschen. Immerhin gehen in der Hauptstadt MitarbeiterInnen des Datenschutzbeauftragten nach eigenen Angaben Beschwerden über die unzulässige Observation öffentlicher Bereiche durch private Kameras nach und führen sogar Gespräche mit den Betreibern. Im Gegensatz dazu steigt in Deutschland die Zahl jener Städte, in denen ganze Plätze zu »Kriminalitätsschwerpunkten« erklärt wurden, die nun von der Polizei überwacht werden.

Doch die Beschränkung der polizeilichen Filmerei in Berlin auf gefährdete Objekte garantiert nicht, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Der Datenschützer Schmidt kann jedenfalls keine Möglichkeit ausschließen. »Der Gesetzgeber ist frei in seinen Entscheidungen.« Und sollte die Videoüberwachung erfreulicherweise Erfolge beim Schutz jüdischer Einrichtungen bringen, wird es sich die Polizei sicherlich nicht nehmen lassen, ein so »erfolgreiches Konzept« auch für andere Fälle zu empfehlen.