Gemeinsame Liste europäischer Rechtspopulisten im EU-Parlament

Möllemann, ich geh' voran

Jörg Haider will die rechtsextremen Parteien in Europa in einer gemeinsamen Liste vereinen.

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Jürgen Möllemann hat einen neuen Freund, den er eigentlich gar nicht haben will. Jörg Haider versäumt derzeit kaum eine Gelegenheit, um dem in die Schlagzeilen geratenen Liberalen seine Anerkennung auszusprechen. So forderte er den deutschen Kollegen auf, ihn bei seinem Projekt einer EU-kritischen, populistischen Internationale in Europa zu unterstützen.

Der Kärntner Landeshauptmann lobte den FDP-Politiker ausdrücklich, als dieser die Wahlerfolge rechtsextremer Parteien in Europa als »Emanzipation der Demokraten« bezeichnete. Möllemanns Äußerungen drückten eine späte Anerkennung aus, sagte Haider in der vergangenen Woche. Er vertrete eine Politik, »die wir in Österreich schon seit 1986 machen. Möllemann würde ganz gut zu uns passen«.

Auch an dessen Schützling Jamal Karsli ist Haider offensichtlich sehr interessiert. »Ich habe kein Problem, Menschen, die ihre politische Überzeugung nachhaltig verändern, eine neue Heimat anzubieten«, erklärte er. Möllemanns Aussagen, der österreichische Rechtspopulist sei ein »Rattenfänger« und solle »zum Teufel gehen«, scheinen Haider nur wenig beeindruckt zu haben.

Die Grüße aus Kärnten kamen nicht überraschend. Schon seit Monaten glänzt Haider in seiner Rolle als Integrationsfigur der europäischen Rechtspopulisten. So war Jean-Marie Le Pens Überraschungserfolg bei den französischen Präsidentschaftswahlen im Mai für Haider ebenfalls ein »Sieg der Demokratie«. »Ich bedaure, Herrn Haider noch nicht kennen gelernt zu haben«, erwiderte der auf diese Weise geehrte Le Pen die Avancen aus Klagenfurt.

Sein Wunsch kann vielleicht bald erfüllt werden. Denn Haider hat mit seinen europäischen Parteifreunden Großes vor. Das Projekt »populistische Internationale« ist angelaufen. Für die Wahlen zum Europaparlament 2004 plant er, rechtsextreme und populistische Parteien in einer eigenen Liste zu bündeln.

An dem Bündnis werden sich wohl die nach dem Tod ihres Vorsitzenden etwas konfusen Parteigänger der niederländischen Liste Pim Fortuyn ebenso beteiligen wie Le Pens Front National, der belgische Vlaams Blok und natürlich Haiders langjährige Freunde aus der italienischen Lega Nord. Sie alle vereint ein Ziel, sie wollen die Ost-Erweiterung der EU verhindern und ein »Europa der Bürger« als Gegenpol zum »Europa der Bürokraten« errichten. Die europäische Integration würde so wohl zumindest verzögert werden.

Das rechtsextreme Spektrum erhofft sich von der Schirmherrschaft Haiders noch einen anderen positiven Effekt. Die Parteien der extremen Rechten sind häufig untereinander heillos zerstritten. In Frankreich hat sich etwa Jean-Marie Le Pen in den letzten Jahren einen erbitterten Kampf mit Mouvement National Républicain von Bruno Mégret geliefert, einer Abspaltung der Front National. Die beiden Parteien könnten zumindest auf europäischer Ebene ihre Kämpfe beenden, wenn sie sich an Haiders Liste beteiligen.

Dass der ehemalige FPÖ-Vorsitzende und Wegbereiter der in Wien regierenden blau-schwarzen Koalition der Pate der Populisten in Europa werden soll, hat nicht nur mit seiner Person zu tun. Vielmehr häufen sich in Österreich mittlerweile die rechten EU-Kritiker.

Die FPÖ betrachtet wie kaum eine andere europäische Partei die Ost-Erweiterung der EU als Übel und greift derzeit besonders die Regierung in Prag heftig an. Kurz vor den tschechischen Parlamentswahlen in der kommenden Woche stehen das umstrittene Atomkraftwerk Temelin und die verhassten Benes-Dekrete ganz oben auf der Agenda der österreichischen Außenpolitik.

Ähnlich wie der deutsche Kanzlerkandidat Edmund Stoiber hat auch die FPÖ eine Rücknahme der Benes-Dekrete als Bedingung für den EU-Beitritt Tschechiens genannt. Schon das Volksbegehren gegen Temelin entwickelte sich Ende des vergangenen Jahres zum Anti-EU-Begehren. Fast eine Million Österreicher unterschrieben den Forderungskatalog der FPÖ.

Solche populistischen Kampagnen fallen in Österreich auf fruchtbaren Boden. Seit den so genannten EU-Sanktionen ist die Identifikation mit der europäischen Integration sehr gering. Den Freiheitlichen fällt es daher leicht, die Ost-Erweiterung als Gefahr für die eigenen Interessen zu verkaufen.

Die FPÖ befindet sich dabei im Einklang mit Edmund Stoiber, der auf dem Treffen der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Nürnberg eine EU-Mitgliedschaft Tschechiens nur bei einer Rücknahme der Benes-Dekrete in Aussicht stellte. Mit solchen Sprüchen bringt er nebenbei auch seine österreichische Schwesterpartei ÖVP in Bedrängnis, die sich noch als »Europapartei« präsentiert.

Falls die deutschen Konservativen die Bundestagswahlen im September gewinnen, sind die Konsequenzen bereits absehbar. »Wenn Stoiber zum Kanzler gewählt wird, hätte das unmittelbare Folgen für das Haus Europa. Der Schulterschluss der 'Heimatländer' hätte in Deutschland einen festen Bezugspunkt. Die Achse Berlin-Paris wäre geschwächt. Das Match um die Ost-Erweiterung läge ganz in den Händen der Rechten: Wien, Berlin, Rom«, warnt der italienische Journalist Paolo Rumiz.

Mit ihrer ablehnenden Haltung zur Ost-Erweiterung und ihren revisionistischen Forderungen haben es die Freiheitlichen auch geschafft, die österreichische Linke aus den Debatten zu verdrängen. Sie meldet sich nicht mehr zu Wort, selbst wenn es um Entwicklungen geht, die sie jahrelang vehement kritisiert hat. So ist die Militarisierung der EU kein Thema mehr, obwohl die Union in wenigen Wochen die Führung der bisherigen Nato-Mission »Amber Fox« in Mazedonien übernimmt.

Insbesondere die österreichischen Grünen halten sich mittlerweile sehr zurück. Sie wollen eine ähnliche Pleite wie 1994 beim Referendum über die österreichische EU-Mitgliedschaft nicht mehr erleben. Damals riefen nur sie und die Freiheitlichen dazu auf, gegen den Beitritt zu stimmen. Nun wollen sie sich den Vorwurf ersparen, erneut mit der FPÖ ein Zweckbündnis einzugehen.