Südtirol

Sprecht deutsch!

Die Erfolge Haiders und der Lega Nord stärken die separatistischen Bewegungen in Südtirol.

marta lusena

Südtirol ist ein Grenzgebiet. Ist das ein Privileg oder bedeutet es lediglich Angst vor Kontaminierung? Für die lokalen Institutionen gibt es keine Zweifel. Die getrennte Kultur ist die Normalität und die Grenze bleibt die Sprachquote.« So beginnt ein Appell der Schüler der italienischen und der deutschen Oberschulen in Bozen, der in Südtirol derzeit für heftige Diskussionen sorgt.

Die Schüler fordern die Einführung zweisprachiger Schulen in der norditalienischen Region, die ihnen die Möglichkeit bieten sollen, »zusammen aufzuwachsen und zusammen zu lernen«. Dass sich die Jugendlichen immer noch entscheiden müssen, ob sie eine Schule besuchen möchten, in der Deutsch, oder eine, in der Italienisch gesprochen wird, hat ihrer Ansicht nach nichts mehr mit der alltäglichen Realität zu tun. Schließlich wachsen Kinder in Familien auf, in denen mehrere Sprachen gesprochen werden, und auch immer mehr Immigranten leben in Südtirol.

Während im Alltag die verschiedenen Sprachgruppen weitgehend problemlos miteinander leben, spielt die Sprachzugehörigkeit in den politischen Institutionen jedoch weiterhin eine zentrale Rolle. Die Regionalverwaltung blockiert somit ein Zusammenwachsen der Südtiroler Gesellschaft. So zeigte sich der Bozener Landeshauptmann Luis Durnwalder von der Südtiroler Volkspartei (SVP), der bereits seit 1989 im Amt ist, nur wenig begeistert von dem neuen Schulprojekt.

Durnwalder sieht sich vor allem als Vertreter der Interessen der deutschsprachigen Südtiroler, die in dieser Provinz die Mehrheit der Bevölkerung bilden. Um das »Deutschtum« in der Region zu erhalten, richtet sich die Politik der SVP darauf, den Status Südtirols als Region mit Sonderrechten zu bewahren.

Seit 1972 ist Südtirol eine autonome Provinz. Das damals vom italienischen Parlament verabschiedete so genannte Südtiroler-Paket, das den Status und die Rechte der deutschen, der italienischen und der rätoromanischen Sprachgruppe regelt, war nicht von einer Vision des Zusammenlebens inspiriert, sondern vertiefte die Gräben zwischen den Minderheiten. Schließlich dauerte es noch einmal fast 20 Jahre, bis die in dem Gesetzespaket vorgesehenen Maßnahmen verwirklicht werden konnten. Und bis heute erschweren diese Regelungen den Aufbau einer mehrsprachigen gemeinsamen Gesellschaft.

Zumindest in ihrer Rhetorik verfolgen die SVP und vor allem die traditionsbewussten Schützenvereine der deutschsprachigen Südtiroler weiterhin das Ziel, das alte Tirol wiederherzustellen. Noch immer wird der Traum von einem Zusammenschluss mit dem österreichischen Tirol zu einem Kleinstaat mitten in Europa aufrechterhalten. Bestätigt sieht man sich dabei vom Konzept der Europaregionen, das die grenzübergreifende Zusammenarbeit innerhalb der EU fördern und die regionalen Einheiten gegenüber dem Nationalstaat aufwerten soll.

Kaum verwunderlich ist auch, dass der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider ein gern gesehener Gast bei seinem Südtiroler Kollegen Durnwalder ist. Denn Haider unterstützt die nostalgischen und separatistischen Positionen. Schließlich habe Österreich, so Haider, »noch immer die Funktion einer Schutzmacht in Südtirol«.

Als Anfang der neunziger Jahre die Verhandlungen zwischen Italien und Österreich über den endgültigen Status Südtirols zu Ende gingen, nutzte die SVP die Gelegenheit zu einer neuen ethnonationalistischen Kampagne. Unter dem Motto »Los von Rom! Landeseinheit jetzt!« begann die SVP eine neue Selbstbestimmungsdiskussion.

Der Zusammenbruch der Ersten Republik in Italien Anfang der neunziger Jahre schwächte auch die SVP. Ihr rechter Flügel spaltete sich ab und trat bei den Landtagswahlen im November 1993 mit zwei eigenen Parteien auf: der Union für Südtirol und den Freiheitlichen. Interne Konflikte innerhalb der SVP stärkten immer mehr die deutschsprachige Opposition, die radikaler als die SVP zur Selbstbestimmung unter dem Motto »Los von Rom« auftritt.

Konkurrenz kam zudem von der Lega Nord, die in der Region ebenfalls mit der Forderung nach Selbstbestimmung für die deutschsprachige Minderheit auftritt. Schließlich kürzte die erste Regierung unter Silvio Berlusconi das Landesbudget für Südtirol. Die SVP war kurz davor, ihre absolute Mehrheit in Südtirol zu verlieren.

Erst mit dem Regierungswechsel kam 1996 eine Entspannung. Neue Verhandlungen über einen Sonderstatus für Südtirol in den Bereichen Post, Bahn und Energiepolitik wurden aufgenommen. Dadurch konnten sich die national-konservative SVP und die »gemäßigte« Linie Durnwalders wieder behaupten.

Seit den letzten Regionalwahlen im Jahr 2000 wird die Region Trentino-Südtirol von einer Mitte-Links-Koalition regiert. Obwohl innerhalb der Region die Provinzen Bozen und Trient weitgehend unabhängig voneinander sind, versucht der Bozener Landeshauptmann Durnwalder mit seinem Kollegen Lorenzo Dellai eine gemeinsame Regionalpolitik zu koordinieren.

Doch die Auseinandersetzung um die Bevölkerungsgruppen erschwert weiterhin jeden Versuch einer gemeinsamen Politik. So verkommt bei Regionalwahlen die so genannte ethnische Proporzquote, die den Stimmenanteil der einzelnen Sprachgruppen festlegt, regelmäßig zu einem Instrument zur Verteidigung der jeweils eigenen Interessen. Dass sich die Südtiroler bei der Wahl allein nach der Sprachzugehörigkeit entscheiden sollen, wird nicht nur von der SVP propagiert, sondern auch von italienischer Seite, vor allem von der postfaschistischen Alleanza Nazionale, die in Südtirol viel Zuspruch findet.

Der auf Rechtsextremismus spezialisierte Journalist Guido Caldiron spricht von einer »symmetrischen Rechten«. Während die deutschsprachigen Südtiroler sich nach Österreich sehnen, neigen die italienischsprachigen zum römischen Nationalismus. Die Berufung auf den italienischen Staat drückt sich beispielsweise in dem häufig zu hörenden Slogan »Siamo in Italia« (»Wir sind in Italien«) aus.

Der Streit um die jeweilige Zuordnung zeigt sich auch in der grotesken Auseinandersetzung um die Orstnamen. Während beispielsweise die Anhänger der Alleanza Nazionale vehement nach italienischen Ortsnamen verlangen, fordert die deutschsprachige Minderheit, die italienischen Namen teilweise oder vollständig abzuschaffen.