Die Moldy Preachers

Herzerweichend cool

Bizarr, todkomisch und ein bisschen melancholisch: Die Moldy Peaches aus New York sind die neuen Hohepriester des Antifolks.
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Die sechsköpfige Combo Moldy Peaches aus New York City hat sich seit der Veröffentlichung ihres gleichnamigen Debütalbums im letzten Jahr mit unglaublicher Geschwindigkeit in die Herzen der globalen Indiejugend gespielt. Was sicherlich auch daran liegt, dass die offizielle Erretterband des Rockwesens, die Strokes, nicht müde wurden, sich als beinharte Fans ihrer zeitweiligen Vorgruppe zu outen.

Was die Moldy Peaches machen, nennen sie selbst Antifolk. Ein Begriff mit Geschichte. Kimya Dawson, die Sängerin der Moldy Peaches, meint dazu: »In den Achtzigern wurde im West Village eine Menge begnadeter Songwriter aus den Klubs geworfen, weil sie angeblich zu laut waren und fluchten. Sie durften auch nicht am New Yorker Folk-Festival teilnehmen und entschieden sich deshalb, ein Antifolk-Festival zu initiieren. Antifolk gibt es bis heute. Die Leute aus diesem Umfeld schreiben Songs, weil sie sie im Herzen haben, sie stehen weniger im Wettstreit mit anderen Musikern und sind dem näher, was ich als die wahre 'Seele des Folk' bezeichnen würde.«

Antifolk ist etwas anderes als die bloße Fortführung der vor einigen Jahren ausgerufenen »Nu Folk«-Bewegung, bei der Acts wie Will Oldham mit der Beta Band irgendwie unter einen Hut gebracht wurden. Die Mischung aus sonischen Turbulenzen und aus der Kinderliedersammlung »Mundorgel« gegriffenen possierlichen Mitsummnummern knüpft einerseits an The Fall an und führt andererseits den Sound von Hüsker Dü fort. Und was The Velvet Underground durch zum Teil schmerzhaftes Überlappen ihrer Instrumente erzielten, setzen die Moldy Peaches mit ihrem mehrstimmigen Gesang um.

Die Band fand sich bereits 1994 zusammen. Kimya war damals 18 Jahre alt und arbeitete als ranghöchste Verkäuferin in einem Plattenladen. Adam war 13 und Pizzajunge. Die Schnittmenge ihrer musikalischen Interessen war immens und das reichte, um gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Kimya: »Ich fand schon den Musikunterricht in der Grundschule toll. Ich konnte eine ganze Menge Instrumente spielen, aber alle sehr unzureichend. Nie genug, um mich an Klavier oder Gitarre selbst zu begleiten und die Texte, die ich schrieb, wirklich zu vertonen. Adam konnte jedoch Gitarre spielen und ich stellte bald fest, dass man gemeinsam mit Worten oder Texten etwas machen konnte, das mich schon immer gereizt hatte.«

Und was die Moldy Peaches heute mit Worten und Texten anstellen, ist tatsächlich atemberaubend. Nachzuhören nicht nur auf dem gemeinsamen Debüt, sondern auch auf der gerade nachgereichten selbst betitelten Soloplatte von Adam Green und Kimya Dawsons Alleingang »I'm sorry that sometimes I'm mean«.

Die Moldy Peaches setzen gemeinsam und jede/r für sich exzessiv auf Lo-fi und analoges Equipment. Vier-Spur-Aufnahmen sind für sie das höchste der Gefühle. Nicht vergessen sollte man auch die rosa C-Flöte aus Plastik, die bei ihnen zwischen Dis und Fis schrillt, dass es richtig Spaß macht. Was den Gesang angeht, so meint »analog«: Er klingt so »natürlich« wie möglich. Adam: »Wir singen mit unseren echten Stimmen, den Sprechstimmen, deswegen klingt das ganze nicht stilisiert.«

Dazu kommt ihr berückendes Songwriting. Adam: »Wir versuchen nicht, nicht lustig zu sein. Alle anderen versuchen dagegen, nicht lustig zu sein. Wie diese Songwriter mit ihren durchgängig todtraurigen Stücken. Wenn man sie trifft und sie reißen dann doch einen Witz, kommt man sich fast schon betrogen vor.«

Das Songwriting der Moldy Peaches funktioniert recht einfach. Adam: »Wir haben kein bestimmtes Ziel. Wir versuchen einfach nur, etwas zu machen, das uns gefällt. Die Texte spiegeln uns als Personen wider: Manchmal ist man eben lustig und manchmal wirklich ernst.«

So changiert die Tonalität der Moldy Peaches zwischen herzerweichend, bizarr und todkomisch. Es geht um Teenangst, Spaß an der Freude, wahre Freunde, putzige Sexspielchen und neurotische Indie-Jungs. Mitunter tragen Kimya und Adam zwei verschiedene Texte zur gleichen Zeit vor, was die Smartness der Moldy Peaches noch brillanter macht. In »Steak for chicken« singt Kimya: »We invented this new kind of darts/ hit a bull's eye, cut a fart.« Und gleichzeitig singt Adam: »We invented this new kind of art/ Postmodernist throwing darts.«

Während die Platten aus dem Dunstkreis der Moldy Peaches eher leise daherkommen und für wohl dosierte Melancholie Platz bieten, gestaltet sich die Live-Performance der Band eher wie ein Koffein- und Zuckerrausch. Da wären zunächst einmal die Kostüme, die sind Tradition. Kimya: »Unser erstes Konzert gaben wir damals in unserem Haus in Townsend, Washington, um die Elektrizitätsrechnung bezahlen zu können. Wenn Leute zu einem nach Hause kommen, für ein Konzert, dann möchte man kaum ganz normal und alltäglich aussehen. Man will nicht einfach nur dasitzen und eine Schüssel Müsli essen. Also sind wir hoch in mein Zimmer gegangen und haben uns komplett verkleidet. Naja, und dabei sind wir dann irgendwie geblieben. Außerdem trägt schließlich jeder, der auf einer Bühne steht, ein Kostüm, eine Art Uniform. Die Rockstar-Uniform, die Popdiva-Uniform.«

Und so sind die Moldy Peaches in Hasen- und Katzenkostümen zu sehen, in nietenbesetzten schwarzen Lederumhängen oder im Schiedsrichter-Outfit. Sie präsentieren sich bereitwillig mit silberner Krone auf dem Kopf oder in schwarzen Leggins mit rosa Lackgürtel.

Sie bieten einen herrlichen Anblick. Der Artrock-Glam der Siebziger war nichts dagegen, und die sechs geben die coolste Personifikation der Power Rangers, dieser sanften Superhelden, ab. Es ist großartig zu sehen, wie sie ihre einfachen und sanften Melodien so tight zusammen- und runterspielen, dass einem ganz schwindelig wird. Zugaben gibt es nicht.

Dishel, der Gitarrist der Band, meint: »Wir haben einfach nicht genug Stücke.« Aber sie haben dafür eine Strategie. Kimya: »Wir beruhigen die Leute. Wir sagen: Wir kommen jetzt von der Bühne und nehmen jeden einzelnen von euch in den Arm. An manchen Abenden der aktuellen Tour haben wir so bis zu 1 500 Leute umarmt. Wir gehen raus ins Publikum und manche weichen freundlich reserviert zurück und lächeln einen bloß an. Andere dagegen sind total liebesbedürftig und bereit für jede Form von Zuneigung und sagen: 'Los, du hast gesagt, du würdest mich in den Arm nehmen. Komm her!'«

Die Moldy Peaches sind cool, aber vor allem herzerweichend.

Moldy Peaches: »Moldy Peaches«;
Adam Green: »Adam Green«;
Kimya Dawson: »I'm sorry that sometimes I'm mean« (alle Rough Trade/Sanctuary)