26.06.2002

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An so manchen - jawohl! - ehemaligen Kolleginnen und Kollegen scheinen fünf Jahre antideutsche Agitation in der Jungle World spurlos vorbeigegangen zu sein. Vielleicht haben sie sich einen Tick zu intensiv mit ihren Themen beschäftigt. Vielleicht hat ihre Parteinahme für Deutschland auch mit irgendwelchen frühkindlichen Erlebnissen zu tun. So genau weiß das niemand und will es auch niemand wissen. Nur ein gewisses Mitleid schleicht sich unvermeidlich ein, wenn sie ihre Sympathien für »Ruuuudi« (sie sagen wirklich immer »Ruuuudi«) mit fußballästhetischen Gründen zu erklären versuchen.

An einem Punkt werden die Genossinnen und Genossen trotzdem ein bisschen neidisch. Denn die anderen haben es so einfach: Da schmücken Deutschlandfähnchen die Arbeitsplätze, da hängen Rudi Völler, Oliver Kahn und Lothar Matthäus in Ganzkörpergröße an der Wand, da verpestet man seit Wochen mit dem selben ungewaschenen »Miro«-Trikot seine Umwelt, da kann der Ami kommen oder der Ivan - Marmor Stein und Eisen bricht, aber unsere lalala ...

Wie viel schwerer ergeht es uns in der antideutschen Zitadelle. Neulich zum Beispiel ist eine Kollegin durch die ganze Stadt gehetzt, um sich ein Trikot der US-Boys zu besorgen. Schließlich verfolgt jeder Fan, der auf sich hält, das Spiel in der Arbeitskleidung seiner Lieblinge oder eben in den Farben der Feinde des Feindes. Kaum war die Kollegin nach nervenaufreibender Suche in einem Laden in Spandau fündig geworden, der neben den begehrten Trikots auch »desert-storm-used« Schlafsäcke feilbot und unter der Theke vermutlich ABC-Waffen verkaufte, hatte sich die Sache bereits erledigt. Und schon musste das nächste exotische Trikot her. Sie können sich vorstellen, wie diese Extra-Ausgaben ins sowieso nicht üppige Redakteursgehalt einschlagen. (Da wir gerade dabei sind: Beachten Sie bitte die Anzeige auf der letzten Seite.)

Was soll's, in ein paar Tagen ist alles vorbei. Und kurz danach fahren wir in ein Land, wo Fußball weitgehend unbekannt ist. Beste Voraussetzung dafür, um unter klarem Sternenhimmel bei Wildschwein am Spieß die Versöhnung der Redaktion zu feiern. Es sei denn, der deutsche Fußballhimmel fällt uns vorher auf den Kopf.