Streiks in Griechenland

Ruhige See

Für einen Tag ging in den griechischen Großstädten fast nichts mehr. Während im Parlament die Debatte über die neue Sozialversicherungsgesetzgebung begann, legten die beiden größten Gewerkschaftsverbände, Adedy (Öffentliche Angestelltengewerkschaft) und GSEE (Allgemeiner Gewerkschaftsbund), am Donnerstag vergangener Woche das öffentliche Leben lahm. Nach Gewerkschaftsangaben wurde der Streikaufruf gegen den Gestzesentwurf der sozialdemokratischen Pasok-Regierung zu »fast 100 Prozent« befolgt.

Das Ziel des Entwurfs, der mit den Stimmen der Regierung verabschiedet wurde, ist die Einführung einer einheitlichen Sozialversicherung für alle ArbeitnehmerInnen. Im Gegensatz zum letzten Jahr, als eine erste Initiative wegen eines sofort beginnenden Generalstreiks schon nach drei Tagen zurückgezogen werden musste, ziehen die Gewerkschaften diesmal nicht an einem Strang. Vor allem die sozialdemokratisch dominierte GSEE ist gespalten. So wollte die der Pasok nahe stehende Mehrheitsfraktion (Paske) allein durch Verhandlungen mit der Regierung Verbesserungen am Gesetzesentwurf erreichen. In der Kampfabstimmung im Verwaltungsrat des GSEE konnten sich die StreikbefürworterInnen nur mit Hilfe der Stimme der Frauenbeauftragten, Maria Frangiadaki, durchsetzen. Der Vorsitzende Christos Polysogopoulos verließ daraufhin den Sitzungssaal und sprach vor der Presse von einem »innergewerkschaftlichen Putsch«.

Frangiadaki, selbst Paske- und Pasok-Mitglied, begründete ihr Abstimmungsverhalten damit, dass die neue Regelung vor allem zu Lasten von Frauen und Kleinverdienern gehe, die sich keine private Zusatzversicherung leisten können. Die Heraufsetzung des Rentenalters für Frauen von bisher 60 auf 65 Jahre stelle außerdem eine Diskriminierung der Frauen dar.

Während die meisten Beschäftigten am Tag nach der Parlamentsabstimmung an ihre Arbeitsplätze zurückkehrten, verlängerten die Bediensteten des öffentlichen Nahverkehrs in Athen ihren Ausstand um einen Tag.

Als besonders kämpferisch erwiesen sich allerdings die Seeleute. Ihre Forderungen gehen über die von Adedy und GSEE hinaus. Sie fordern unter anderem die Einführung der Fünfunddreißigstundenwoche bei vollem Lohnausgleich, die Anhebung der Löhne, und die Erhöhung der Rente auf 8o Prozent des Erwerbseinkommens.

Nachdem in der Nacht zum 20. Juni die Verhandlungen zwischen dem Schifffahrtsminister Jorgos Anomeritis und Vertretern der Allgriechischen Schiffahrtsföderation gescheitert waren, verlängerten die Seeleute ihren Streik um weitere 48 Stunden. Sie kündigten unbegrenzte Streiks an, sollte die Regierung in diesem Zeitraum immer noch nicht auf ihre Forderungen eingegangen sein. Die Auswirkungen der Arbeitsniederlegungen sind bereits jetzt zu spüren. Der Schiffsverkehr zu den griechischen Inseln ist mittlerweile weitgehend eingestellt.

Für die Pasok war die Abstimmung dennoch ein großer Erfolg. Gelang es ihr doch trotz interner Streitereien, die Reihen zu schließen und die konservative Nea Dimokratia (ND) bloßzustellen. Während der Diskussionen um die Sozialversicherung war deutlich geworden, dass unter einer ND-Regierung noch härtere Einschnitte für die ArbeitnehmerInnen zu erwarten wären.

Bisher haben die Gewerkschaften auf den Abstimmungserfolg der Regierung noch nicht reagiert. Da von der GSEE nicht mehr viel Kämpferisches zu erwarten ist, wird es wohl vor allem zu Aktionen kleiner, radikaler Föderationen in den einzelnen Berufszweigen kommen.