Gerüchte um Hizbollahzentrum

Allah sucht Wohnung

Aufregung in Neukölln: Die radikal islamische Hizbollah will angeblich ein Schulungszentrum errichten.

Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowski (SPD) war völlig entnervt. »Verantwortungslos« nannte er die Journalisten des Spiegel und der Berliner Morgenpost. Die Zeitungen hatten berichtet, dass die radikal islamische Organisation Hizbollah (»Partei Gottes«) den Aufbau eines Schulungszentrums in Berlin plane.

Der Komplex solle eine Koranschule und einen Kindergarten einschließen, hatte die Sprecherin des Verfassungsschutzes in Berlin, Isabelle Kalbitzer, darüber hinaus verkündet und damit den Gerüchten neue Nahrung gegeben. Und schon war die Rede von einem »deutschen Hauptquartier der Hizbollah« in der Hauptstadt. Bei Buschkowski stand das Telefon nicht mehr still.

Im Gespräch mit Jungle World zeigte sich Kalbitzer dann allerdings ebenso erbost über die Presseberichte wie der Neuköllner Bürgermeister, vor allem über die entsprechende Meldung der Berliner Zeitung, die ihre »vertrauliche Information unerfreulicherweise veröffentlicht« habe. Dort, wie auch zuerst im Spiegel, war vermutet worden, dass das geplante Zentrum der Hizbollah im Berliner Stadtteil Neukölln entstehen könnte. Die Berliner Morgenpost glaubte sogar, die genaue Lage zu kennen: die Neuköllner Finowstraße.

Kalbitzer aber dementierte. Der Standort des zu »bundesweiten Zwecken« im Aufbau befindlichen Quartiers sei überhaupt nicht eindeutig nachgewiesen. Die Hizbollah sei in Berlin zudem »schon länger nicht mehr aufgetreten«, meinte Kalbitzer beschwichtigend und bekräftigte: »Wir haben keine Hinweise darauf, dass hier Gewalttaten geplant sind.«

So wenig man weiß, eines weiß man: Auch wenn es »sicher extremistische Strömungen« in der Hizbollah gebe, deretwegen das »Frühwarnsystem Verfassungsschutz« die Organisation beobachte, in der Hauptstadt entstehe allenfalls ein »rein ziviles Zentrum«. »Außerdem sind das ja nicht alles Terroristen. Diese Menschen wollen in der Regel nur in Ruhe beten, bestenfalls sammeln sie Spenden.«

Kalbitzers Wort in Allahs Ohr. Angesichts der Rasterfahndungen an den Berliner Universitäten, bei denen Tausende unbescholtener Studenten nur wegen ihrer Nationalität und ihres Studienfaches in der Folge des 11. September als Terroristen verdächtigt wurden, verblüfft diese tolerante Haltung. Vor allem, wenn man bedenkt, von wem hier eigentlich die Rede ist.

Die Hizbollah mit ihren rund 800 Mitgliedern ist in Deutschland zwar nicht verboten. Doch die militante, antisemitische Gruppe hat sich dem Kampf gegen Israel bis zur »Herrschaft des Islam« über Jerusalem und bis zur völligen »Vernichtung des jüdischen Staates« verschrieben. Die 1982 gegründete libanesische Vereinigung wird von den USA als eine von 28 terroristischen Organisationen der Welt eingestuft. Die US-amerikanische Regierung forderte den Libanon deshalb zuletzt auf, die Vermögenswerte der dort ansässigen »Partei Gottes« zu beschlagnahmen. Dies lehnte Beirut ab und verwies empört darauf, dass die Hizbollah einen »Befreiungskampf« führe.

In Berlin zählt die Hizbollah nach dem Verfassungsschutzbericht etwa 150 Mitglieder, im allgemeinen geht man hier von 4 250 »islamisch-extremistischen« Personen aus. Und einiges spricht dafür, dass der Berliner Verfassungsschutz in seinen jüngsten Verlautbarungen nach den Gerüchten über das Hizbollah-Zentrum taktiert hat. Vor allem das Dementi Kalbitzers, es sei gar nicht sicher, dass das Berliner Zentrum in Neukölln entstehe, sollte wohl die entstandene Aufregung mildern.

Doch bei der geheimnisvollen Immobilie, über die die Hauptstadtpresse in der vergangenen Woche spekulierte, könnte es sich tatsächlich um ein Gelände in Neukölln handeln, und zwar in der Reuterstraße. Hier befindet sich bereits die Imam Reza Moschee, in der schiitische Muslime verkehren, die mit ihren Sympathien für die Hizbollah nicht hinter dem Berg halten.

Zumindest zeigt sich mehr und mehr, dass der bisherige Grundsatz der Hizbollah, in Deutschland nicht offen aufzutreten, keineswegs mehr jederzeit zu gelten scheint. Schon auf der pro-palästinensischen Demonstration am 13. April in Berlin, bei der heftige antisemitische Parolen skandiert und Steine auf die britische Botschaft geworfen wurden, war zu beobachten, dass die Organisation verstärkt neue Mitglieder unter Jugendlichen sucht und findet (Jungle World, 17/02). Die Zielgruppe sind hier sozial benachteiligte Jugendliche, die mit martialischen Bildern und einem heroischen Kampfethos geködert werden sollen.

Ein entsprechendes Forum sind die jährlich im Dezember stattfindenden Jerusalem-Demonstrationen am so genannten Quds-Tag, die den Jugendlichen jenen fundamentalistischen Stolz vermitteln sollen, der sich in militärischem Gebaren manifestiert.

Durch die starke Emotionalisierungskraft solcher Veranstaltungen soll im besten Fall erreicht werden, dass sich orientierungslose junge Männer entschließen, in der »Heimat« am Kampf gegen den »Pseudostaat« Israel teilzunehmen, wie das Internet-Forum www.muslim-markt.de Israel nennt. Auf den Vorwurf der taz, die Website stehe der »Partei Gottes« nahe, entgegnete muslim-markt: »Dass wir in die Nähe der ehrenhaften Hizbollah gerückt werden, ehrt uns zwar sehr, so eine Ehre steht uns Hobbyaktivisten aber bedauerlicherweise nicht zu.«

Zwar sind kleine Zentren, wie das jetzt in Neukölln geplante, nicht neu. Die zunehmende Fanatisierung, die zuletzt auf den antiisraelischen Demonstrationen in Berlin zu beobachten war, weckt aber die Aufmerksamkeit für derartige Überlegungen in den örtlichen Gemeinden und Moscheen.

Bürgermeister Buschkowski jedoch will auch weiterhin nichts davon wissen. Er spricht von einem »Sommerloch«, mit dem die Presse zu tun habe, und gibt an, er wisse lediglich von einem »muslimischen Zentrum«, welches in der »Nähe der iranischen Botschaft« entstehe. Er spreche weder mit der Polizei noch mit dem Verfassungsschutz. »Und wenn ich Ihnen sage: Neukölln braucht keine Fundamentalisten, es braucht Integration, dann folgern Sie wieder, ich wisse doch etwas!« Wie heißt es so schön: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Und was ich weiß, manchmal auch nicht.