Holocaust-Mahnmal soll mit Kameras überwacht werden

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Einfach und billig wäre die Lösung - und beispielhaft dazu. Deswegen ist die Berliner Polizei dafür. Um das Mahnmal für die ermordeten Juden in Europa vor Übergriffen, Schmierereien und Anschlägen zu schützen, setzen die Ordnungshüter auf die Technik: Videokameras rund um das Gelände installiert, und schon sei das Mahnmal eine sichere Sache.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Das Mahnmal und die Gedenkstätte müssen nicht durch einen Zaun gesichert werden, Polizeiposten an allen Seiten ließen sich einsparen, und die in der Hauptstadt bislang nicht gesetzlich geregelte Videoüberwachung »gefährdeter Orte« wäre wohl auch der erste Schritt zur Überwachung von »gefährlichen Orten«.

Das Mahnmal für die ermordeten Juden wird genauso überwacht wie Botschaften, Bundesministerien, Tankstellen und Geldautomaten in der Hauptstadt? Neben der Polizei favorisiert auch die Berliner Verwaltung für Stadtentwicklung eine solche Variante. Auch wenn man es nicht so offen zugeben will. Schließlich werde erst im Frühjahr nächsten Jahres mit den Bauarbeiten auf dem Gelände begonnen. »Es ist noch nichts entschieden«, heißt es so moderat wie nichtssagend.

Nichts zu sagen, bietet sich schließlich immer dann an, wenn die Alternative möglicherweise Peinlichkeiten und Skandale nach sich zieht. Mit einem öffentlichen Plädoyer für die Videoüberwachung würde die vom Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) geführte Verwaltung sich nämlich gegen die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas stellen. Denn das Stiftungskuratorium will keine Videoüberwachung für das Gelände. Sie passe nicht zu diesem Ort.

Eine Haltung, die den Berliner Sicherheitsstrategen Kopfzerbrechen bereiten muss. Wo Übergriffe bedauerliche Einzelfälle sind und Brandanschläge auf Synagogen sowie jüdische Friedhöfe ganz bestimmt nicht antisemitisch, legt man großen Wert auf Prävention. Ein Mahnmal, dass jede Woche beschmiert würde, wäre für Berlin und die Bundesrepublik der worst case.

Nicht nur, weil stets ein Restverdacht bleiben müsste, jene Repräsentanten der Stadt und des Landes, die jahrelang ein »Schandmal« in Berlins Mitte zu verhindern suchten, könnten offen oder heimlich mit solchen Aktionen sympathisieren. Es macht sich eben einfach nicht gut für das Image der Berliner Republik. Aus dem Mahnmal, mit dem ein Schlussstrich gezogen werden sollte, könnte ein Dauerthema werden.

Und zwar eines von großer Tragweite, sollte sich der alternative Vorschlag der Stiftung durchsetzen. Statt einer Videoüberwachung durch die Berliner Polizei wollen die Verfechter des Denkmals eine andere Zuständigkeit. Das Gelände soll in die Bannmeile um das Regierungsviertel aufgenommen werden. Die Verantwortung für den Schutz läge dann beim Bund. Im November wollen die Stiftung und das Landeskriminalamt darüber beraten, ob sie das Bundesinnenministerium derart in die Pflicht nehmen wollen.

Nachdem das Mahnmal zum Prestigeobjekt für die deutsche Vergangenheitsbewältigung erklärt wurde, ist natürlich auch sein Schutz eine Frage des Image. Wie schon die Debatte um den Sinn, den Standort und die Gestaltung des Geländes nahe dem Brandenburger Tor, könnte der offizielle Umgang damit mehr über den Antisemitismus in Deutschland aussagen als das Mahnmal selbst - vor allem über seine Aktualität.