Konferenz der französischen Kommunisten

Rückwärts in die Zukunft

Seit Wochen steckt die Partei der französischen Kommunisten (PCF) in einer Existenzkrise. Sie hielt in der vergangenen Woche in der Pariser Trabantenstadt Gennevilliers ihre »nationale Konferenz« ab, die nach den verheerenden Wahlniederlagen im April und im Juni einberufen worden war. Zwei Tage lang diskutierten 500 Funktionäre und Delegierte über die Zukunft ihrer Organisation, beziehungsweise darüber, ob sie überhaupt noch eine Zukunft hat.

Niemand scheint allerdings eine genaue Vorstellung davon zu haben, wohin die Reise gehen soll. Mehrere Fraktionen machen sich nun gegenseitig für die Krise verantwortlich. Die Mehrheit ist sich jedoch darin einig, dass die aktuelle Organisationsform des PCF auf jeden Fall gerettet werden soll.

Die Mitglieder des orthodoxen Parteiflügels beklagten die reformistische Abweichung, die die amtierende Führung eingeleitet habe, nachdem sie Anfang 1994 den Bruch mit dem sowjetischen Modell verkündet hatte. Wozu eine Rückkehr zum realsozialistischen Gesellschafts- und Parteimodell unter heutigen Bedingungen dienen soll, vermochten sie allerdings nicht zu sagen.

Kritik kam vor allem von den so genannten Neugründern. Sie treten für die Schaffung eines so genannten Pols der gesellschaftlichen Radikalität ein. Die Konturen dieses Pols sind bisher noch diffus und sollen irgendwo zwischen einer klassischen Parteiorganisation und einer dem Attac-Netzwerk ähnelnden Struktur angesiedelt sein. Das aber wollen sowohl die Anhänger der Parteiführung als auch die Neo- und Altorthodoxen verhindern.

Die kommunistische Partei realsozialistischer Prägung war eine politische Kraft, die von sich behauptete, die »ehernen Gesetze der Geschichte« erkannt zu haben und alleinige Trägerin des Projekts einer besseren Gesellschaft zu sein. Daher war sie blind für soziale Kämpfe, die jenseits ihrer Prognosen und Absichten stattfanden. Seitdem der Partei mit dem real existierenden Sozialismus das historische Modell abhanden gekommen ist, läuft sie, mit einiger Verspätung, den zahlreichen sozialen Bewegungen - von den Initiativen der illegalisierten Immigranten bis zu ökologischen Gruppen - hinterher.

Doch die alten Reflexe haben im konservativen Apparat der PCF überlebt. Die Regierungsbeteiligung unter Lionel Jospin war geprägt von der Weigerung der Kommunisten, ein politisches Risiko einzugehen. Die unsoziale Regierungspolitik wurde nie ernsthaft in Frage gestellt. Kritik nütze nur der Rechten, lautete die realpolitische Argumentation. Die Rechte ist inzwischen von allein an die Macht zurückgekehrt. Am Ende haben die enttäuschten Wähler die Linksparteien, allen voran den PCF, gnadenlos bestraft.

Nun will die Mehrzahl der Funktionäre die Partei um jeden Preis retten. Die Erneuerer stehen zwar nicht alle für eine radikalere Politik, denn sie eint vor allem die Kritik an innerparteilichen Praktiken. Dennoch haben sie immerhin den Strukturkonservativismus des PCF in Frage gestellt. Einer der Kritiker, der Schriftsteller Roger Martelli, sagte während der Debatte, er sehe keinen Sinn darin, »ab jetzt alle drei Jahre einen Kongress zur Neugründung abzuhalten«. Denn bereits der vorletzte PCF-Kongress, im März 2000, stand im Zeichen der Gründung einer neuen kommunistischen Partei. Die Erneuerung des ewig Alten hat sich irgendwann erschöpft. Die Frage ist, was dann vom Parti Communiste Francais noch übrig sein wird.