Machtkampf zwischen Kostunica und Djindijc

Schwarze Katze, weißer Kater

Im Machtkampf gegen den serbischen Premier Djindjic hat der jugoslawische Präsident einen wichtigen Erfolg erzielt. Er entließ den Armeechef und sicherte sich so seinen Einfluss auf das Militär.

Beinahe hätte Jugoslawiens Staatspräsident Vojislav Kostunica am Mittwoch vergangener Woche zu Fuß ins Büro gehen müssen, denn Unbekannte hatten in Novi Beograd nachts den Audi A6 des Staatsoberhauptes gestohlen. Der Diebstahl des präsidialen Gefährts aber ist für Kostunica nicht weiter bemerkenswert, schließlich liegt nun eine Phase voller politischer Erfolge hinter ihm. Nach drei vergeblichen Versuchen hat er es endlich geschafft, den jugoslawischen Generalstabschef Nebojsa Pavkovic zu feuern und damit seinen Widersacher, den serbischen Premier Zoran Djindjic, sowohl innen- als auch außenpolitisch in die Enge zu treiben. Kostunica begründete seine Entscheidung damit, dass Pavkovic zwar ein »außergewöhnlich guter Offizier sei«, sich aber in letzter Zeit zu einem Politiker gewandelt habe, der sich »über Armee und Staat« stelle.

Djindjic protestierte scharf gegen die Ablösung Pavkovics. Ein erstaunlicher Aufschrei. Immerhin war es dieser Generalstabschef, der zuerst Milosevic ehrerbietig diente, bei dessen - von Djindjic angeordneter - Verhaftung im April 2001 gar Truppen zu Milosevics Schutz abstellte und bis vor kurzem als enger Verbündeter von Vojislav Kostunica galt.

In Anbetracht dieser Vorgeschichte könnte man meinen, Djindjic sei froh, Pavkovic endlich im wohlverdienten Ruhestand zu sehen. Doch Kostunica hat Djindjic durch die Methode der Pensionierung Pavkovics arg aus dem Konzept gebracht. Die Entlassung des Armeechefs durch einen Erlass trägt eigentlich Djindjics Handschrift. Dieser ordnete etwa die Auslieferung Milosevics nach Den Haag per Dekret an und berief sich gegenüber Kritikern immer wieder darauf, dass Serbien nur zu einem gesunden Staatswesen werden könne, wenn eine Regierung vorübergehend auch ohne den Ballast demokratischer Entscheidungsprozesse oder den mühsamen Weg durch die Institutionen regiere.

Nun aber wendet sich die »Demokratische Opposition Serbiens« (DOS) scharf gegen die Ausnützung der präsidialen Vollmachten. »Kostunica zerstört die staatlichen Institutionen, fördert Unruhe und missbraucht die Institutionen des Staates für parteipolitische Zwecke«, wütete Nenad Canak, ein Vertrauter Djindjics in der DOS. Und Djindjic ergänzte, die Entlassung per Dekret schade dem »Ansehen des Staates«. Mit genau diesen Argumenten wandte sich in den vergangenen Monaten immer wieder Kostunica gegen Djindjics politische Entscheidungen, die manchmal haarscharf an der Illegalität vorbeischrammen. Vertauschte Rollen also in Belgrad.

Beim Protest gegen die Absetzung des Armeechefs hat Djindjic aber keine wirklich guten Argumente und - eine Premiere in der politischen Laufbahn des serbischen Premiers - auch keine Verbündeten im Ausland. Pavkovic galt bislang in der Nato und der Europäischen Union als Risikofaktor bei der Gleichschaltung Jugoslawiens mit westlichen Interessen. Immerhin ermittelt das Haager Tribunal gegen den ehemaligen Armeechef wegen möglicher Kriegsverbrechen im Kosovo. Djindjic kann sich also diesmal nicht auf das wohlwollende Nicken aus Brüssel und Washington verlassen.

Der bisherige politische Paria der westlichen Balkanpolitik, Kostunica, dagegen schon. Aus dem Nato-Hauptquartier etwa verlautete ein frohlockendes »Es war höchste Zeit, Pavkovic zu entlassen«, und EU-Außenpolitik-Koordinator Javier Solana gab sich ebenfalls entspannt: »Die Europäische Union hat schon mehrmals darauf hingewiesen, dass die zivile Kontrolle über die Streitkräfte eine der Prinzipien der Demokratie ist und ein vitales Element auf dem Weg in die Europäische Union.« Die EU unterstütze sowieso alle »Schritte Jugoslawiens zur Sicherstellung dieser Prinzipien«.

Einen in westlichen Augen vollkommenen Personalchef gab Kostunica auch mit der Wahl des Nachfolgers von Pavkovic ab. General Branko Krga war bisher in der jugoslawischen Armee vor allem damit befasst, Voraussetzungen für die Teilnahme an der »Partnership for Peace« der Nato zu schaffen, und genießt deshalb das Vertrauen des Westens. Dass ihm, zumindest nach derzeitigem Wissensstand, erstaunlicherweise auch die UN-Chefanklägerin Carla Del Ponte nichts vorzuwerfen hat, verstärkt Krgas Vertrauenswürdigkeit.

Natürlich ist es aber nicht nur die scheinbar kopierte Methode der Absetzung Pavkovics, die Djindjic so erzürnt. Mit ihm hat der serbische Premier seinen wohl mächtigsten und neuesten Verbindungsmann zur Kostunica hörigen Armee verloren. Denn in den vergangenen drei Monaten hatte es Djindjic geschafft, Pavkovic aus den politischen Fängen Kostunicas zu befreien und in sein Lager zu ziehen.

Der Anlass für diese politische Metamorphose Pavkovics war die Verhaftung des serbischen Vizepremiers Momcilo Perisic im März durch die jugoslawische Militärpolizei. Perisic wurde verdächtigt, einem Diplomaten der USA in Belgrad vertrauliches Material über mögliche Kriegsverbrechen des politischen und vor allem militärischen Establishments Jugoslawiens anvertraut zu haben. Kostunica begrüßte damals die Verhaftung durch die Armee, während Djindjic sich sehr darüber aufregte. Anders als Kostunica es erwartet hatte, blieb Pavkovic damals neutral und weigerte sich, der Verhaftung seine generalstabsmäßige Zustimmung zu geben.

Dies war wohl der ausschlaggebende Faktor für den endgültigen Bruch zwischen Kostunica und Pavkovic. Schließlich ist die Loyalität des Generalstabschefs für den jugoslawischen Staatspräsidenten politisch lebenswichtig. Kostunicas Position beruht im wesentlichen auf zwei Säulen: seiner Popularität im Volk, die ihm im Ernstfall aber nicht zum Machterhalt verhelfen wird, und - viel wichtiger - dem Gehorsam der Armee, einer Institution, die, genau wie das Staatspräsidentenamt, eines der letzten Identifikationselemente des jugoslawischen Staates darstellt.

Pavkovic kämpft nun verbissen gegen seine Absetzung und hat schon Klage vor dem Verfassungsgericht eingereicht. Für ihn ist die Pensionierung nur »eine persönliche Rache des Präsidenten«. Gleichzeitig versucht er, Djindjic, als Insider der angeblichen illegalen Machenschaften Kostunicas, behilflich zu sein. So behauptet der geschasste Ex-Armeechef, er sei am 7. Juni vergangenen Jahres um Mitternacht in das Büro von Kostunica gerufen worden. Dort hätten zwei Berater Kostunicas und Aco Tomics, des Chefs des militärischen Sicherheitsdienstes, schon ziemlich »betrunken gesessen« und hätten versucht, Pavkovic zu überreden, das Gebäude der serbischen Regierung zu stürmen. Der Coup müsse, so zitiert Pavkovic einen Präsidentenberater, »noch in der Nacht geschehen, sonst würde der Staat kollabieren«. Die Einheiten der Armee sollten dort versuchen, die Einrichtungen zu konfiszieren, die zur Überwachung und Abhörung von Kostunica dienen. Schon damals habe Pavkovic sich geweigert, den Beratern des Präsidenten zu gehorchen.

Das serbische Parlament soll nun die Vorwürfe Pavkovics untersuchen. Gleichzeitig hat Serbiens Justizminister Vladan Batic, einer der engsten Verbündeten von Djindjic, den Präsidenten zum Rücktritt aufgefordert.

Entscheidend für die Zukunft des Staates ist die Aufklärung solcher Spionageepisoden allerdings nicht. Vielmehr wird durch jeden neuen Konkurrenzkampf zwischen dem machtbewussten serbischen Premierminister und dem wohl ebenso machtbewussten jugoslawischen Präsidenten immer klarer, dass jeder weitere Tag, der mit der gegenseitigen Untergrabung der Autorität vergeht, den Staat als solchen in Frage stellt. Trotz des Punktsieges für Kostunica, der für den Erhalt des Bundesstaates steht. Dass Pavkovic in der derzeitigen Krise immerhin zugestanden hat, keinen bewaffneten Aufstand der Armee anzuzetteln und »stillzuhalten, bis die Gerichte entschieden haben«, ist dabei auch kein wirklicher Trost für das schwächelnde Jugoslawien.