Französische Afrika-Politik

Dinos, frankophon

Informelle Netzwerke sichern Frankreich großen Einfluss auf seine ehemaligen afrikanischen Kolonien. In der Konkurrenz zu den USA hat die Grande Nation wieder an Boden gewonnen.
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Senegals Stürmer El Hadji Diouf zeigte sich großzügig. »Senegal, Afrika, und natürlich auch Frankreich« widme er den Sieg gegen Schweden im Achtelfinale der Fußballweltmeisterschaft, schließlich spiele er ja in Frankreich.

Solche Großzügigkeit von Seiten der ehemaligen Kolonie war man in Frankreich bislang nicht gewohnt, denn eigentlich verstand sich Frankreich immer als der große Freund und Helfer Afrikas, nicht umgekehrt. Doch die französischen Kommentatoren nahmen den Ball auf. Angesichts des katastrophalen Spiels der eigenen Mannschaft seien die Erfolge Senegals ein Trost, wurde ironisch und paternalistisch zugleich angemerkt, schließlich gehöre man noch immer irgendwie zusammen.

Da war sie wieder, die Frankophonie. In den späten fünfziger Jahren hatte Präsident Charles de Gaulle angesichts der sich abzeichnenden Auflösung des Kolonialreichs die Idee eines politisch-kulturellen Zusammenhalts aller französischsprachigen Länder unter Führung der Grande Nation. Das Konzept funktionierte, besonders in Afrika. Bis auf Guinea traten alle bis dahin verbliebenen afrikanischen Kolonien der Communauté Française bei, und Frankreich blieb trotz der Dekolonialisierung eine Großmacht. Während sich die neuen Staaten politisch, ökonomisch und kulturell an Paris orientierten, verteidigten die verschiedenen französischen Präsidenten das alte Kolonialreich gegen den Realsozialismus aus Moskau und Peking.

Wie wichtig Frankreichs Rolle für die alten Kolonien noch immer ist, zeigte sich in den letzten Wochen. Für Marc Ravalomanana, den neuen Präsidenten Madagaskars, bedeutete die halboffizielle Anerkennung seiner Regierung durch Frankreich den entscheidenden Umschwung in seinem Machtkampf mit dem ehemaligen Präsidenten Didier Ratsiraka. »Ich bin glücklich, mitteilen zu können, dass die Beziehungen zwischen Frankreich und Madagaskar nunmehr von bester Qualität sind. Der offizielle Besuch des französischen Außenministers zeigt meiner Ansicht nach die Anerkennung der tatsächlichen Machtverhältnisse«, erklärte Ravalomanana, nachdem Frankreichs Außenminister Dominique de Villepin Anfang Juli überraschend nach Madagaskar gekommen war.

Ravalomanana hatte bereits im Dezember die Präsidentschaftswahlen gewonnen, die vom damaligen Staatschef Ratsiraka aber nicht anerkannt wurden. Im folgenden Machtkampf, der etwa 70 Menschen das Leben kostete, rief Frankreich zu einer Regierung der nationalen Einheit in seiner ehemaligen Kolonie auf. Erst als die militärische Lage sich zu Ungunsten ihres Schützlings Ratsiraka zu wenden begann und die USA Ravalomanana anerkannten, schwenkte die französische Regierung um. Anfang Juli erkannte Ratsiraka seine Niederlage an und reiste mit seiner Familie nach Frankreich aus.

Allerdings dürfte die Berufung von zwei Ministern aus Ratsirakas Partei Arema in die neue Regierung, insbesondere die des Ministers für Privatisierungen, auf den Einfluss Frankreichs zurückgehen. »Bei diesen Nominierungen sieht man sehr deutlich die Hand Frankreichs, das Druck ausgeübt haben dürfte, damit die Privatisierungen von einem 'Ratsirakisten' geleitet werden, der viel zur Wahrung französischer Interessen beigetragen hat«, kommentierte die Tageszeitung Midi Madagasikara.

Die verspätete Anerkennung des neuen Präsidenten ist symptomatisch für Frankreichs Afrikapolitik, die wegen der hartnäckigen Unterstützung politischer Dinosaurier in den letzten zwei Jahren in eine schwere Krise geraten war. Anfang der neunziger Jahre verschlief die französische Regierung die Demokratiebewegungen. Als französische Offizielle demokratische Reformen in Afrika offiziell zu ihrem Programm machten, hatte in ihrer ehemaligen Kolonie Benin bereits die erste Transformation stattgefunden.

Nach dem Ende des Kalten Kriegs geriet Frankreich zudem in einen Wettkampf mit den USA. Die Kriege in Ruanda und Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) wurden von vielen Beobachtern als Auseinandersetzung zwischen den beiden westlichen Staaten interpretiert, und Frankreich setzte lange auf die späteren Verlierer. Erst seitdem Joseph Kabila Kongos Präsident wurde und die angolanische Regierung mit französischer Unterstützung eine Einflusszone von Angola bis Gabun errichten konnte, scheint der Einfluss Frankreichs im zentralen Afrika wieder gesichert zu sein. Dass die Erdölvorkommen in diesem Gebiet nun auch von französischen Firmen ausgebeutet werden können, ist ein Ergebnis dieser strategischen Politik.

Doch Angola gab auch einem der größten Skandale Frankreichs nach dem Zweiten Weltkrieg den Namen: Angolagate. Seit zwei Jahren ermittelt die französische Staatsanwaltschaft gegen Politiker der Sozialisten und der Konservativen wegen Waffenhandel, Steuerhinterziehung und illegaler Parteienfinanzierung. Im Zentrum des Skandals stand der ehemals staatliche Elf-Konzern. Jahrelang wurden durch Elfs Kanäle mit Profit für französische wie angolanische Politiker Waffen gegen Öl getauscht. Erst vor den französischen Wahlen in diesem Jahr scheinen die Ermittlungen stillschweigend beendet worden zu sein.

Da Frankreich weiterhin der wichtigste Handelspartner Afrikas und einer der größten Geldgeber ist, bleibt sein Einfluss maßgeblich. Unter der neu gewählten konservativen Regierung - die Sozialisten interessierten sich nicht sonderlich für Afrika -, könnte es zu einer Neuauflage der gaullistischen Afrikapolitik kommen. Immerhin war der neue Außenminister de Villepin mitverantwortlich für die letzte große militärische Aktion Frankreichs in Afrika, die »humanitäre Intervention« in Ruanda gegen Ende des Genozids von 1994.

Damals hatten französische Truppen offiziell die Aufgabe, eine »Schutzzone« für Flüchtlinge im Süden Ruandas einzurichten. Kritiker der Aktion vermuteten allerdings, es gehe vielmehr um die Rettung des alten Regimes, das für die Massaker verantwortlich war und bis zu seiner militärischen Niederlage von Frankreich gestützt wurde. Beim EU-Gipfel in Sevilla im vergangenen Monat gehörte Präsident Jacques Chirac zu den Gegnern der Idee, Sanktionen gegen Länder zu verhängen, die abgeschobene Flüchtlinge nicht aufnehmen. Dass Chiracs Intention rein humanitärer Natur war, darf bezweifelt werden. Bilaterale »Hilfe« gehört zum wichtigsten Instrument französischer Afrikapolitik, und ein Sanktionsmechanismus der Europäischen Union würde hier stören.