Pleite der Kommunen

Der Trend zum Nichtschwimmer

Nun also auch München. In der vergangenen Woche verhängte die prosperierende bayerische Landeshauptstadt eine Haushaltssperre. Wie schon Schwäbisch Hall, Nürnberg und andere einstmals vermögende deutsche Städte steht München am Rande des Bankrotts. Der Hauptgrund für die Haushaltsmisere der Kommunen ist der dramatische Rückgang der Einnahmen durch die Gewerbesteuer.

Schon in den neunziger Jahren schlugen die Kommunen einen beispiellosen Sparkurs ein. Angesichts ihrer völlig überschuldeten Haushalte müssen sie jetzt ihre Ausgaben noch weiter einschränken. Die Sparmaßnahmen treffen zunächst einmal Schulen, Kindergärten, Schwimmbäder und den ÖPNV, kurz: die sozialen Einrichtungen und Dienste. Die Berliner kennen das schon.

Anders aber als in Berlin ist in München kein korrupter Klüngel aus Politikern und Managern für das Desaster verantwortlich, sondern die rot-grüne Bundesregierung, insbesondere der beliebte und als solide geschätzte Finanzminister Hans Eichel (SPD). Wegen der rot-grünen Steuerreform und der damit einhergehenden Entlastung der Kapitalgesellschaften können die Kommunen kaum noch Gewerbesteuer erheben, da die Firmengewinne ausgesprochen vorteilhaft mit anderen Ausgaben (UMTS-Lizenz, Verluste anderer Unternehmensteile) verrechnet werden.

Die sieben im Dax notierten Münchener Aktiengesellschaften, darunter Allianz, BMW und Siemens, zahlen zur Zeit keinen einzigen Cent Gewerbesteuer. Ihre Bilanzen sind zwar von der Wirtschaftskrise in Mitleidenschaft gezogen worden, jedoch ist man weit davon entfernt, rote Zahlen zu schreiben. BMW erwirtschaftete im Jahr 2001 einen Rekordüberschuss von 1,8 Milliarden Euro und darf ihn komplett für sich behalten bzw. an seine Aktionäre ausschütten.

Dabei hat selbst die CDU/CSU mittlerweile kapiert, dass die faktische Steuerbefreiung der Konzerne die kommunalen Haushalte in Bedrängnis bringt. Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth kommentierte die desolate Lage: »Das ist der Horror!« Der Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) kündigte bereits an, sich nach einem Sieg bei der Bundestagswahl um eine Modifizierung der Reform kümmern zu wollen. Zwar verweigerte die Union von Anfang an die Zustimmung zur rot-grünen Steuerreform. Allerdings nur deshalb, weil ihr die Entlastung der Unternehmen nicht weit genug ging.

Die Pleite war längst vorhersehbar. So berichtete die Financial Times Deutschland bereits Ende vergangenen Jahres von »einem Roulettespiel für Kämmerer«. Damals schon zeichneten sich die Folgen der Steuererleichterung ab.

Bis die inzwischen eingesetzte Kommission zur Klärung der Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden Erfolge aufweisen kann, wird viel Zeit verstreichen. Wenn es überhaupt dazu kommt. Denn eine Steuererhöhung ist den mit Wirtschaftskompetenz protzenden Parteien nicht zuzumuten.

Der rot-grünen Regierung bleibt das Verdienst, dafür gesorgt zu haben, dass es noch nicht einmal mehr der Korruption bedarf, um Städte in den Ruin zu treiben. Es reicht fortan, einen Gesetzeswirrwarr aus Gewerbesteuerumlage, Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer zu schaffen und schon beginnen die fetten Jahre für die Global Players.

Die Folgen dieses Treibens werden einmal an Europas Stränden zu bestaunen sein, wenn Münchener, Berliner und Frankfurter Jugendliche, die nie ein öffentliches Bad von innen gesehen haben, mit Schwimmflügeln ins Wasser steigen.