Die UN-Verwaltung geht gegen die UCK vor

Ein paar Morde zu viel

Mit der Harmonie zwischen den militanten Nationalisten und dem Westen ist es im Kosovo vorbei, da die UN-Verwaltung ehemalige Offiziere der UCK verhaftet hat.

Verkehrte Welt in Pristina. »Nieder mit der Diktatur!«, riefen gut 2 000 Demonstranten in der Hauptstadt des Kosovo und schwenkten wütend die roten Nationalfahnen mit dem albanischen Doppeladler. Diesmal richtete sich der Protest aber nicht wie gewohnt gegen irgendwelche serbischen Institutionen, sondern gegen die UN-Verwaltung der Provinz. Deren Polizisten säumten in Kampfmontur den Aufzug. Die Bilder verdeutlichten, dass das Verhältnis zwischen den westlichen Staaten und den albanischen Nationalisten längst nicht mehr harmonisch ist.

Verschlechtert hat sich das Verhältnis vor allem deshalb, weil der seit einem halben Jahr amtierende Leiter der UN-Mission, der Deutsche Michael Steiner, seine Ankündigung wahr macht, die grassierende Kriminalität zu bekämpfen. »Zero tolerance für Kriminalität ist mein Motto«, warnte der für seine cholerischen Anfälle bekannte ehemalige Kanzlerberater Anfang Juli in einer Sendung des kosovo-albanischen Fernsehens. Im Kosovo sollen endlich die Grundlagen für eine Selbstverwaltung der Provinz gelegt werden. Und dazu gehört ein staatliches Gewaltmonopol, das bisher nur auf dem Briefpapier der Protektoratsverwaltung existiert.

Auf den Protest der militanten Nationalisten stößt Steiner, weil sich seine Polizei nicht nur auf kleine Ganoven, Frauenhändler oder Drogenschmuggler konzentriert, sondern auch gegen ranghohe Mitglieder der ehemaligen UCK vorgeht.

In den vergangenen Monaten verhafteten UN-Polizisten eine Reihe von ehemaligen Kämpfern, die für Mord und Totschlag an kosovo-albanischen Gegnern verantwortlich gemacht werden. Begleitet wurden die Polizeiaktionen regelmäßig von Protesten, die bisweilen zu Straßenschlachten mit der UN-Polizei und den Kfor-Soldaten eskalierten.

Dass der Konflikt so vehement ausgetragen wird, überrascht nicht. Für die kosovo-albanischen Ultras stellt die Verhaftung der UCK-Kader einen Angriff auf die Legitimität des bewaffneten Kampfes dar, den sie gegen die jugoslawische Armee, die nicht albanische Bevölkerung und gegen »Kollaborateure« geführt haben. Der Gründungsmythos der unabhängigen Republik Kosova, die alle kosovo-albanischen politischen Kräfte anstreben, erzählt von einem gerechten bewaffneten Kampf. Eine juristische Untersuchung dieses Kampfes passt da natürlich nicht.

Die ehemaligen Verbündeten aus den Nato-Staaten sehen die Dinge inzwischen etwas anders. So verhaftete die UN-Polizei bei der jüngsten Razzia Anfang Juli elf ehemalige UCK-Mitglieder. Sieben von ihnen waren inzwischen beim Kosovo Protection Corps (KPC) untergekommen, der unter UN-Aufsicht gegründeten Nachfolgeorganisation der UCK. Offiziell soll das Korps nur dem Zivilschutz dienen, tatsächlich ist die vom ehemaligen UCK-Generalstabschef Agim Ceku geführte Truppe allerdings eine schlecht getarnte politisch-militärische Organisation, die tief in die Kriminalität und den bewaffneten panalbanischen Aktivismus verstrickt ist. Vier weitere Verhaftete gehören der Polizei des Kosovo an, die von der UN-Verwaltung aufgebaut wird.

Die Verhafteten sollen am 20. August des vergangenen Jahres den Kosovo-Albaner Hamza Hajra, dessen Ehefrau und drei ihrer Töchter erschossen haben. Die Familie war unter den UCK-Leuten verhasst und an ihrem Wohnort isoliert, weil Hajra bis zum Frühjahr des Jahres 1999 der Polizeipräsident von Vitina war, und in den Augen der Sezessionisten somit ein Kollaborateur.

Im Januar und Juni hatte die UN-Polizei bei zwei Razzien insgesamt neun Offiziere des KPC verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, vor dem Kosovo-Krieg bzw. nach dem Einmarsch der Kfor kosovo-albanische Gegner der UCK gekidnappt und ermordet zu haben. Daut Haradinaj, einer der Verhafteten, ist ein Bruder und Vertrauter von Ramush Haradinaj, der seinerseits Vorsitzender der UCK-Nachfolgepartei Zukunftsallianz (AAK) ist und eine Schlüsselrolle in der politischen Szene des Kosovo spielt. Auch enge Vertraute des ehemaligen UCK-Führers Hashim Thaci müssen sich wohl demnächst wegen dieser Vorwürfe vor einem Gericht der Uno verantworten.

Die beginnende strafrechtliche Untersuchung der Morde wirft ein Licht auf die Praxis der Sezessionisten. Um die Gesellschaft im Kosovo beherrschen zu können, ging die Truppe seit ihrer Gründung Mitte der neunziger Jahre mit Drohungen, Einschüchterungen und Morden gegen Gegner des bewaffneten Kampfes vor.

Während diese Umtriebe vor und unmittelbar nach dem Kosovo-Krieg den Westen nicht daran hinderten, die Terroristen als Freiheitskämpfer zu feiern, entwickelten sie sich in den vergangenen Monaten zu einem Problem. Denn das Morden geht im Kosovo bis heute weiter.

Seitdem die Demokratische Liga Kosovas (LDK) von Ibrahim Rugova bei den Kommunalwahlen im Oktober des Jahres 2000 die beiden aus der UCK hervorgegangen Organisationen Demokratische Partei (PDK) und AAK klar hinter sich lassen konnte, gerieten führende LDK-Politiker immer wieder ins Visier der militanten Nationalisten. Das sechste und bislang letzte Opfer der jüngsten Terrorkampagne war Smajl Hajdaraj, ein LDK-Abgeordneter, der am 18. Januar erschossen wurde.

Die schlechten Wahlergebnisse der UCK-Nachfolger und die spärlich besuchten Demonstrationen zeigen, dass viele Kosovo-Albaner die chronische Gewalttätigkeit der ehemaligen UCK-Leute leid sind. Und der UN-Verwaltung scheint es auch so zu gehen.

Vor den Kommunalwahlen im Oktober gibt sie ein deutliches Warnsignal, dass die politischen Morde nicht erwünscht sind. Möglich ist auch, dass die Protektoratsverwaltung einen bestimmten Teil der ehemaligen UCK in die Schranken weisen will. Denn offensichtlich gibt es eine Fraktion - zu der auch die UCPMB aus dem serbischen Presevo-Tal und die mazedonische UCK-Abspaltung AKSh zählen -, die nicht ausreichend in die neuen Institutionen im Kosovo eingebunden ist und die mit ihrer Verbindung von panalbanischen Zielen und kriminellen Geschäften notorisch für Unruhe sorgt.

Trotz Steiners markigem Auftreten bleiben manche Kapitel der jüngeren Vergangenheit ausgeblendet. Denn ermittelt wird ausschließlich wegen Morden an Kosovo-Albanern, nicht jedoch wegen des größten Verbrechens der vergangenen drei Jahre, der Vertreibung von etwa 150 000 Serben und 100 000 Roma aus der Provinz.

Die Häuser der nicht albanischen Bevölkerung wurden nach dem Einmarsch der 50 000 Kfor-Soldaten von albanischen Nationalisten systematisch abgebrannt. Die nach dem Abzug der jugoslawischen Armee schutzlos gewordenen Bewohner wurden aufgefordert, das Kosovo zu verlassen. Wer Widerstand leistete, wurde nicht selten umgebracht. Bis heute dauern die Übergriffe auf die wenigen verbliebenen Nicht-Albaner an, wie die jüngsten Berichte des UN-Flüchtlingshilfswerkes und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa bestätigen.

Eigentlich wäre das alles ein Fall nicht nur für UN-Gerichte im Kosovo, sondern auch für das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Die Anklägerin Carla del Ponte aber belässt es bisher bei vagen Andeutungen, dass gegen ehemalige UCK-Leute ermittelt werde. Eine Anklage oder gar ein Prozess ist nicht in Aussicht. Könnte doch sonst die Rolle des Westens bei den »ethnischen Säuberungen« zur Sprache kommen.