Machtkampf in Großbritannien

Labourer gegen Labour

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Anthony Blair grinste in die Kameras. »Meine Position ist total simpel. Wir regieren für das ganze Land. Die Gewerkschaften haben das Recht, angehört zu werden, aber sie regieren nicht das Land. Wir regieren das Land, weil wir vom Volk gewählt wurden.« Gut gelaunt und gelassen gab sich der britische Premierminister am Donnerstag vergangener Woche, befragt nach seinem Verhältnis zu den Gewerkschaften. Sie hatten auf einer gemeinsamen Konferenz mit Labour-Abgeordneten wenige Tage zuvor zur Rückeroberung von Blairs Partei durch die Linke aufgerufen. Das Projekt »New Labour« sei zerfallen, hieß es, es sei Zeit für den »demokratischen Sozialismus im 21. Jahrhundert«. Ein Zwergenaufstand oder die Rückkehr der kämpfenden Arbeiterklasse?

Tatsächlich sind die Gewerkschaften derzeit relativ stark. In London wurde vor zwei Wochen wieder einmal die U-Bahn bestreikt, in der Hauptstadt bewegte sich so gut wie nichts mehr. Die Aktion richtete sich gegen die Teilprivatisierung der U-Bahn, ein auch unter Blairs Wählern extrem unpopuläres Vorhaben, an dem die Regierung aber trotzig festhält.

In derselben Woche streikten, zum ersten Mal seit 23 Jahren, die Gemeindeangestellten in England, Wales und Nordirland. Sie fürchten, durch das geplante Outsourcing bestimmter Arbeitsbereiche ihre Rechte zu verlieren. Schon gibt es Anzeichen für ein Entgegenkommen der Regierung, um einen zweiten Streiktag im August zu verhindern. Aber es drohen weitere Streiks, unter anderem von Postboten, Flughafenangestellten und Eisenbahnern.

Beinahe gleichzeitig wurde bekannt, dass die Labour-Partei pleite ist. Über neun Millionen Euro hoch ist der Schuldenberg, weil die Mitgliedszahlen rasant abnehmen und die Gewerkschaften, die bisherigen Hauptsponsoren, die Privatisierungspolitik nicht mehr unterstützen wollen. Sogar die Wahlkämpfe in Wales und Schottland im nächsten Jahr sind gefährdet. Höchste Zeit also für Blair, sein Verhältnis zu den Gewerkschaften noch einmal zu überdenken.

Dabei hätte alles so schön werden können. Gerade hat Finanzminister Gordon Brown, der als Nachfolger Blairs gehandelt wird, eine staatliche Ausgabensteigerung um 95 Milliarden Euro während der nächsten drei Jahre bekannt gegeben. Mit dem Geld soll gemäß Labours Wahlversprechen ein »öffentlicher Dienst der Weltklasse« geschaffen werden. Vor allem der öffentliche Verkehr, der nationale Gesundheitsdienst und die öffentlichen Schulen sind seit Jahrzehnten extrem unterfinanziert.

Dass allerdings auch die Löhne der staatlichen Angestellten, von denen die am schlechtesten bezahlten zumeist Frauen sind, in keinem Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten stehen, kümmert Brown dabei nicht. »Wenn Geld für die Löhne im öffentlichen Dienst ausgegeben würde und dann nicht zur Beschäftigung von mehr Menschen oder zur Verbesserung des Service zur Verfügung stünde, wäre das ein Verlust für das ganze Land«, lies er den Gewerkschaften ausrichten.

Sie kümmerten sich jedoch nicht weiter um diese Mahnung. Wenn sie nicht jetzt etwas für bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder tun, wann dann? Schließlich war nicht nur der neue Geldregen lange überfällig, auch die Privatisierung öffentlicher Unternehmen hat sich inzwischen als untauglich erwiesen, wie der Skandal um die Bahn zeigte, die wegen anhaltender Sicherheitsmängel teilweise wieder verstaatlicht werden musste.

New Labours Ideologie des Pragmatismus ist gescheitert. Bis zur Verwandlung des Kampfes um mehr Geld in einen Kampf um den Sozialismus ist es aber noch ein weiter Weg.