Staatsfeind Nummer eins

Bei der Veröffentlichung der Bonusmeilenliste hatte offensichtlich der Bund der Steuerzahler die Finger im Spiel. Seine Klientel wurde nicht geoutet.

Zu Beginn dieses Monats trat Axel Müller seine Stelle an. Als neuer Referent für Wirtschafts- und Verkehrspolitik bei der Landtagsfraktion der nordrhein-westfälischen FDP, deren Vorsitzender Jürgen Möllemann ist. Das wäre an sich nichts Ungewöhnliches, jedoch wird vermutet, dass Müller von seinem alten Arbeitgeber, dem Bund der Steuerzahler (BdSt), eine brisante Liste mitbrachte. Auf ihr sollen die Namen der Abgeordneten des Bundestages verzeichnet sein, die ihre bei der Lufthansa im Dienst erflogenen Bonusmeilen für private Freiflüge genutzt haben. Müller führte schon im Herbst des vergangenen Jahres für den Steuerzahlerbund einen Briefwechsel zu diesem Thema mit der Verwaltung des Deutschen Bundestages.

Für die Vermutung, dass er die Liste als Einstandsgeschenk mitgenommen hat, sprechen zwei Gründe. Wenn der Verdacht schon seit dem vorigen Herbst besteht, warum wird er erst jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, öffentlich? Und wieso sind vor allem bekannte Politiker der rot-grünen Koalition, also Cem Özdemir, Jürgen Trittin, Rezzo Schlauch und auch Gregor Gysi von der PDS davon betroffen, aber kein Mitglied der wirtschaftsfreundlichen FDP? Der BdSt hat dementiert, dass es eine Liste der Abgeordneten überhaupt gebe und er diese veröffentlicht habe. Er verweist auf seinen »starken Partner«, die Bild-Zeitung. Doch die Widersprüche mehren sich.

Im Interview mit dem ARD-Magazin »Kontraste« sagte Dieter Lau, der Vizepräsident des Bundes der Steuerzahler: »Der Kollege, der das im Hause bearbeitet hat, hat Kenntnis von mehreren Namen. Ich habe also nur noch mal ihn fragen können und er hat mir das also bestätigt, dass es mehr gibt. (...) Das ist genau der Kollege, der uns zum 31. Juli verlassen hat.« Und zur FDP gewechselt ist.

Möllemann selbst fühlte sich genötigt, die Merkwürdigkeiten bei der Anstellung des neuen Mitarbeiters zu dementieren und auf ein normales Verfahren bei der Auswahl des Bewerbers hinzuweisen. Als der Generalsekretär der SPD, Franz Müntefering, Möllemann fragte, »ob es sich bei diesem Mitarbeiter um ein ähnliches 'Kaliber' handele, wie bei dem ehemaligen FDP-Abgeordneten Jamal Karsli«, antwortete Möllemann mit dem ihm eigenen Witz: »Ich kann nach angemessener sorgfältiger Überprüfung feststellen: 1. Axel Müller ist kein ehemaliger Syrer; 2. Er ist kein Moslem und 3. Er ist auch nicht kürzlich aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen ausgetreten.«

Trotz dieser außerordentlich erhellenden Feststellungen lohnt es sich, auch einen Blick auf den ehemaligen Arbeitgeber von Axel Müller, den in Wiesbaden ansässigen Bund der Steuerzahler zu werfen. Die 430 000 Mitglieder starke Organisation, die unabhängig und überparteilich sein soll, gibt vor, seit 1949 die Interessen aller deutschen Steuerzahler wahren zu wollen. Auch wenn sich unter den Mitgliedern vor allem Freiberufler, Einzelhändler und gewerbliche Unternehmer befänden, wie Lau zugibt. Und sie sind in der Regel keine Bezieher von geringem Einkommen, sondern die von der FDP geschätzten »Besserverdiener«.

Der Steuerzahlerbund tritt mit wenig originellen, Aufmerksamkeit heischenden Aktionen in Erscheinung. So hat er eine Uhr eingerichtet, die den Stand der öffentlichen Verschuldung anzeigt und die auch im Internet unter www.steuerzahler.de besichtigt werden kann. Vor allem aber tritt er alljährlich mit seinem Schwarzbuch »Die öffentliche Verschwendung« in Erscheinung.

Darin finden sich zuhauf kuriose Fallbeispiele für unverhältnismäßige und unnötige Ausgaben der öffentlichen Hand. Vor allem Kommunen sind die Zielscheibe, wenn sie, wie in Ipfhofen, ein Toilettenhäuschen für 165 000 Euro errichten. Bevorzugt wird auch die Umgestaltung von Straßen in Tempo-30-Zonen aufs Korn genommen. Einen Großteil der aufgeführten Fälle macht dieser Kleinkram aus, das Lamento ist immer das gleiche: Zu teure, zu große und von darstellungsverliebten Architekten und Stadträten errichtete Prestigebauten kosten »uns« Unsummen. Viele Architekten dürften nicht Mitglied des BdSt sein, heißt dessen liebstes Schimpfwort doch »Baukunstwerk«.

Der sich verzögernde Neubau der Gedenkstätte »Topographie des Terrors« in Berlin wird unter den gleichen Gesichtspunkten abgefertigt: »Aber auch die Folgekosten, die diese anspruchsvolle Architektur mit sich bringt, sind noch gar nicht abzusehen. Wessen Geldbeutel nur ein preiswertes Kleid von der Stange finanzieren kann, der kann sich kein maßgeschneidertes Designerkostüm leisten. Das Designerstück sich vorher billig zu rechnen und letztlich dann doch den wahren Preis zahlen zu müssen, bringt Verdruss und Haushaltsprobleme.« So kann man den Skandal, dass die Gedenkstätte für die Opfer der Mordzentrale Nazideutschlands, des Reichssicherheitshauptamts, immer noch nicht fertiggestellt ist, natürlich auch kommentieren.

Mit diesen Fallbeispielen soll suggeriert werden, dass die korrupten Politiker »da oben« in ihrer Scheinwelt »unsere« Steuern verprassen. Es handelt sich um eine Korruptionskritik von rechts. Dem Steuerzahlerbund und seinen Mitglieder geht es vor allem darum, so wenig Steuern wie möglich zahlen zu müssen und diese effizient verwaltet zu wissen. Am besten wäre es, der Staat gäbe alle seine Aufgaben ab und ließe sie zum Wohle des freien Unternehmertums, von der Privatwirtschaft erledigen.

Bemerkenswert sind außerdem die Fälle von Steuerverschwendung, die nicht im »Schwarzbuch« auftauchen. Die wirklich teure Subventionierung der Atom- und Rüstungsindustrie, etwa der so genannten Schnellen Brüter oder des Eurofighter, ist dem Steuerzahlerbund keine Zeile wert.

Und auch seine angebliche Überparteilichkeit muss stark in Zweifel gezogen werden. So hat die Bayerische Landesbank dem CSU-nahen und nun pleite gegangenen Leo Kirch zwei Milliarden Euro Kredit gewährt, ohne dass der Medien-Unternehmer hierfür ausreichende Sicherheiten anführen konnte. Dafür darf jetzt, nach der Insolvenz, der Steuerzahler geradestehen. Der Bund der Steuerzahler aber will auch hiervon nichts wissen. Obwohl gerade dieser Fall ein gefundenes Fressen für ihn sein müsste.

Was der ADAC für die Autofahrer ist, nämlich eine rechte Interessenvertretung, die Lobbyismus auf Kosten anderer betreibt, ist der Steuerzahlerbund für seine freiberuflichen Mitglieder.