Krise der Globalisierungsgegner

Hauptsache aktiv

In Italien bereiten sich die politischen Akteure auf die Zeit nach der Sommerpause vor.

Während Staatspräsident Silvio Berlusconi zurzeit in seiner sardischen Villa Hof hält und sich bei der Gartenarbeit entspannt, zelten die Globalisierungskritiker in der Nähe Neapels und diskutieren in ihrem dritten Sommerlager über die anstehenden Aktionen im Herbst.

Die »Bewegung der Bewegungen« befindet sich, nach den Protesten gegen den G 8-Gipfel in Genua vor einem Jahr, in einer Krise, die noch verstärkt wurde durch ihre Institutionalisierung in den Sozialforen und die erfolglose Beteiligung an den Regionalwahlen mit eigenen Listen. Die noglobals erhoffen sich nun von der Beteiligung an den gewerkschaftlichen Kämpfen, die im Oktober erwartet werden, einen Aufschwung ihrer Bewegung. Sie denken an eine Ausweitung der traditionellen Streikformen durch direkte Aktionen und zivilen Ungehorsam, etwa mit Stadtblockaden.

Die zivilgesellschaftlichen Kämpfer gegen die von der Regierungsmehrheit immer hektischer vorangetriebenen Justizreformen bereiten sich derweil auf ihre große Kundgebung am 14. September in Rom vor. Der Senat erließ noch kurz vor der Sommerpause Anfang August das Cirami-Dekret, in dem festgelegt wurde, dass ein Prozess, sobald ein »begründeter Verdacht« auf Voreingenommenheit eines Richters besteht, an ein anderes Gericht überwiesen werden muss.

Die so genannten girotondisti - benannt nach ihrer Protestform, der Umzingelung von Regierungsgebäuden in Ringelreihen - um den Filmregisseur Nanni Moretti und den Universitätsprofessor Francesco Pardi wollen das gesamte Linksbündnis Ulivo dazu bewegen, auf der Straße für den Rechtsstaat zu demonstrieren. Gleichzeitig wollen sie die Arbeit in der Abgeordnetenkammer durch Dauerreden und zahllose Anträge behindern, wenn bald die zweite Lesung des Dekrets bevorsteht.

Nur schade, dass dieser Aufruf zum Widerstand nicht bereits im Juli erging, als das neue Einwanderungsgesetz verabschiedet wurde. Es sieht unter anderem vor, illegale Einwanderung mit Haft zu bestrafen und die Fingerabdrücke von Immigranten aus nicht europäischen Ländern zu speichern. Es ist schon bemerkenswert, welchen Vorrang die Beschäftigung mit den Justizproblemen Berlusconis bei der Opposition hat. Die Liste der Gesetze, mit denen das Parlament dem von Korruptions- und Mafiaprozessen Bedrohten bislang aus der Patsche geholfen hat oder noch helfen will, ist allerdings tatsächlich beeindruckend. Ob Gesetze über Erbschaftssteuer, Bilanzfälschungen, internationale Rechtshilfeersuchen oder die Ablehnung von Richtern zur Debatte standen, stets wirkte alles so, als wäre es eigens auf Berlusconis Person zugeschnitten.

Auch das geplante Reformvorhaben, mit dem die Anklagebehörden dazu verpflichtet werden sollen, den Beginn ihrer Ermittlungen unverzüglich den betroffenen Bürgern mitzuteilen, könnte man so auslegen. Doch dieses Vorgehen gehört, ebenso wie das Instrumentarium des »begründeten Verdachts«, zu den international geltenden Standards der Rechtssicherheit. Von dieser Seite betrachtet, nimmt sich die hysterische Denunziation eines »schleichenden Staatsstreichs« durch die girotondisti und ihren Verbündeten, Antonio Di Pietro, unangemessen aus.

Zudem ist die unbedingte Solidarität mancher Linker mit einer Richterkaste verwunderlich, die in ihren Urteilen oft genug pure Klassenjustiz betreibt. Erst ein Jahr ist es her, dass die Justiz die Chemiemanager von Porto Marghera freigesprochen hat, die ihre Arbeiter und die Umwelt jahrzehntelang fahrlässig vergifteten.

Tatsächlich leidet die italienische Linke an einer partiellen Ausblendung der Wirklichkeit. Ihr bürgerlich-liberaler Flügel tritt im Namen einer abstrakten Gerechtigkeit gegen den Eigennutz eines Firmenmoguls an und verschafft diesem damit den Vorteil, sich als Garant der individuellen Freiheit aufzuspielen. Der Bewegungsflügel bekämpft dagegen das Gespenst des globalen Kapitalismus und die multinationalen Konzerne, interveniert in Chiapas, Brasilien, Argentinien und sogar in Betlehem und organisiert Massenevents wie in Neapel oder Genua. Doch zwischen diesen Terminen passiert außer der auf den Sozialforen vorgetragenen Rhetorik und der dort ausgelebten Gruppenrivalität recht wenig.

Vittorio Giacopini gibt in seinem Buch »No-Global. Tra rivolta e retorica« ein Beispiel für diese kurzsichtige Politik: »Als eine Gruppe von Bürgern im Frühjahr 2001 für ihre Gesundheit gegen die Antennen von Radio Erode (einst Radio Vatikan) und die Masten der ENEL in Cesena demonstrierte, hat man nichts von der Bewegung gesehen. Das groteske Resultat war, dass sich schließlich der (linksdemokratische Politiker) Willer Bordon dazu bequemte, die Rolle des Revolutionärs zu übernehmen.« Um diesem Missstand abzuhelfen, sollen nun offenbar, wie die Sprecher der noglobals ankündigten, die Arbeiterstreiks mit einer »Politik der Nadelstiche«, mit Sabotage und »direkter Aktion« begleitet werden.

Wie schon bei der Entwendung des Begriffs »ziviler Ungehorsam« durch die einstigen Tute Bianche fällt das Wiederaufgreifen von Konzepten aus der Glanzzeit des Pazifismus und des Anarchosyndikalismus auf, die hier in einen modernen, mediatisierten Kontext gestellt werden. Es bleibt abzuwarten, ob der Versuch, soziale Konflikte, die sonst isoliert und unsichtbar blieben, mit spektakulären Aktionen öffentlich zu machen, erfolgreich ist.

Das Aufstellen einer quasi aktivistischen Feuerwehr wird auf Dauer die Spannung zwischen Alltag und Revolte nicht verringern können. Dazu treten über das Land verstreut schon zu viele Brandherde auf. Allein um zu verhindern, dass unter der Regie des Ministers für öffentliche Bauten, Pietro Lunardi (»Man muss mit der Mafia leben«), die Zementierung und Durchtunnelung Italiens weiter fortgeführt wird, wären viele Einsätze nötig.

Die zum Berlusconi-Konzern gehörende Zeitschrift Panorama nutzt nun die Sommerpause, um einige linksradikale Foren und Initiativen, die sich im Internet präsentieren, mit dem Mordanschlag auf den Juristen Marco Biagi in Verbindung zu bringen und spekuliert über eine Netzpräsenz der Roten Brigaden. Vor allem die Gruppen, die sich mit Aufrufen an die »Klasse der Lohnabhängigen« und Analysen zum Konflikt um die Deregulierung des Arbeitsmarktes hervorgetan haben und die Unterzeichnung des »Paktes für Italien« durch die Gewerkschaften CISL und UIL kritisierten, werden denunziert.