Deutsche Korporationen in Osteuropa

Verbindung gehalten

Deutsche Korporationen wollen sich wieder in Osteuropa ausbreiten. In Polen und Ungarn haben sie bereits Ableger gegründet.

Vor 35 Jahren sah die Zukunft noch düster aus. »Möge es der Breslauer Burschenschaft vergönnt sein, einmal wieder in ihre alte Heimat, nach Schlesien, nach Breslau, zurückzukehren«, sagte der Burschenschafter Helmut Jochmann im Jahr 1967. Zwar hatten sich die deutschen Studentenverbindungen vom schwersten Schlag in ihrer Geschichte, dem Verbot durch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg, wieder erholt und waren im gesellschaftlichen wie im universitären Leben der jungen Bundesrepublik fest verankert. Aber sie mussten auch Verluste hinnehmen. Denn in der DDR wurde das Verbot der Korporationen halbwegs konsequent durchgesetzt, und daran, wieder Verbindungen in den ehemals deutschen Gebieten in Osteuropa zu gründen, war überhaupt nicht zu denken. Heute haben die deutschen Korporationen viel erreicht. Im Gefolge der Wiedervereinigung konnten sie das Gebiet der ehemaligen DDR mit Bünden überziehen. Und längst ist auch Österreich von mehreren deutschen Korporationsdachverbänden eingemeindet worden, sodass die Burschenschafter ihren Kampf um das »deutsche Volkstum« inzwischen noch weiter im Osten führen. So mancher Bund hat bereits seine eigene Filiale in Polen oder Ungarn eröffnet. Diese Ableger sind nicht immer erfolgreich. Missglückt ist etwa der Versuch, eine »deutsche« Burschenschaft im polnischen Wroclaw aufzubauen. Vor gut zwei Jahren versuchten sich Burschenschafter aus Marburg und Braunschweig dort an der Gründung einer »deutschen« Korporation. Silesia nannten sie ihren Verein, der freilich nur Studenten offen stehen sollte, »die sich durch Sprache, Kultur, Erziehung und Bekenntnis zum deutschen Volkstum als Deutsche auszeichnen«. Man hatte sich viel vorgenommen. Denn das einstige Breslau hat eine lange burschenschaftliche Tradition, an die man anzuknüpfen gedachte. Die erste Breslauer Korporation wurde schon 1817 gegründet, später existierten an der Schlesischen Friedrich-Wilhelm-Universität gleich fünf Burschenschaften gleichzeitig. Von der NSDAP zur Transformation in »Kameradschaften« gedrängt, zerfielen sie erst, als sich die Rote Armee am Ende des Zweiten Weltkriegs der Stadt näherte. Seit 1950 hält die »Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn« die Erinnerung an die Breslauer Korporationen aufrecht. Das Gründungstreffen der Silesia fand im Sommer des Jahres 2000 in Wroclaw statt - mit »wohlwollender Zustimmung« der Behörden und unter Anwesenheit zweier sächsischer Landtagsabgeordneten sowie der Paneuropa-Jugend Sachsen. Doch trotz der Unterstützung aus Deutschland dauerte es keine neun Monate, bis die Silesia wieder dicht machen musste. Einige Höhepunkte gab es dennoch, z.B. die Weihnachtsfeier im Rathauskeller zu Wroclaw. Dort habe man, so berichtet Ralf Frevel, der Cheforganisator der Silesia, das Deutschlandlied gesungen, aber »mit voller Lautstärke und in voller Länge«. Außerdem soll es zum »spaßigen Heben des rechten Armes« gekommen sein. Doch so recht begeistern konnte das den Nachwuchs wohl nicht. Ein Jung-Silesier nach dem anderen sprang ab. Als eine Grundsatzdiskussion am 17. März 2001 ausfallen musste, weil »keine Zuhörer, geschweige denn Diskutanten erschienen waren«, hatte sich die Sache mit der Silesia endgültig erledigt. Erfolgreich nimmt sich dagegen die Entwicklung der Akademischen Verbindung Salia-Silesia zu Gleiwitz aus, die mit zehn neuen Mitgliedern im vorigen Jahr den Vergleich mit Korporationen in Deutschland nicht zu scheuen braucht. 1992 von »deutschstämmigen schlesischen katholischen Studenten« im polnischen Gliwice aus der Taufe gehoben, gehört sie seit 1996 als Vollmitglied dem Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV) an, einem Dachverband der deutschen Korporationen. Anders als ihre Kollegen von der Salesia, haben die Initiatoren der Salia-Salesia bei der Gründung ihres Männerbundes kaum Fehler gemacht. Nicht nur, dass im Gebiet des früheren Oberschlesien heute noch eine große Deutsch sprechende Minderheit lebt. Die Verbindungsstudenten konnten sich auch der Unterstützung des ortsansässigen Deutschen Freundschaftskreises sicher sein. Hilfe kam auch von deutschen Verbindungsstudenten. CV-Mitglieder aus Deutschland, so ein Angehöriger des Deutschen Freundschaftskreises, »lassen ihre deutschen Landsleute in Schlesien nicht im Stich, in dem Bewusstsein, dass auch hier zusammenwächst, was zusammengehört«. Der Dachverband CV, der mit mehr als 30000 Mitgliedern der größte und einflussreichste deutsche Korporationsverband ist, konnte derweil auch in Ungarn Fuß fassen. 1991 hat der CV, dem zahlreiche prominente Politiker wie Wirtschaftsminister Werner Müller, Friedrich Merz und Edmund Stoiber angehören, die Akademische Verbindung Suevia-Danubia zu Fünfkirchen als freie Vereinigung aufgenommen. Fünfkirchen ist eigentlich die ungarische Stadt Pecs, das Zentrum der deutschsprachigen Minderheit in Ungarn. In Pecs gibt es inzwischen eine zweite Korporation, die einem deutschen Dachverband angehört, den VDSt Fünfkirchen. Die so genannten Vereine Deutscher Studenten (VDSt), 1881 gegründet, um die antisemitische Bewegung an den deutschen Universitäten zu organisieren, haben zwar nicht so viele Mitglieder wie der CV. Dafür betreiben sie umso mehr völkische Agitation in Osteuropa. Ein Mitglied des VDSt in Leoben spricht davon, dass es »Überlegungen« gebe, einen weiteren dieser Vereine im ungarischen Sopron zu gründen. Zusätzlich streckt der Dachverband VVDSt (Verband der Vereine Deutscher Studenten) seine Fühler nach Polen aus. Vor drei Jahren entstand dort die Neuauflage eines Projektes aus den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, der Verein Deutscher Hochschüler (VDH) im südpolnischen Raciborz. Nach dem Ersten Weltkrieg organisierte der VDH »deutschstämmige« Studentinnen und Studenten und trieb sie zum »Kampf um ihr Volkstum« an. Der neue und bislang außerordentlich engagierte VDH Ratibor macht sich die alte Tradition des polnischen VDH ausdrücklich zu Eigen.