Arbeitskampf im Baseball

Strike statt Streik

In den USA hat die Gewerkschaft der Baseballspieler einen Arbeitskampf verloren. Wer solidarisiert sich schon gerne mit Millionären?

Es sei eines dieser Themen, kommentierte die linke Wochenzeitung Las Vegas Weekly, »that could piss off the Pope«. Nicht ganz so sieht das George W. Bush Jr.: »Wie alle Amerikaner ist auch der Präsident erfreut, dass die Clubbesitzer und die Spieler ihre Unstimmigkeiten beigelegt und einen Streik verhindert haben.«

Kein Wunder, schließlich geht es um Baseball. Der letzte Streik fand 1994/95 statt, dauerte 232 Tage, und Bushs Vorgänger Bill Clinton musste damals schlichten. George W. Bush aber vertritt nicht nur eine andere, den Rechten von Arbeitnehmern, auch wenn es sich bei ihnen um besser verdienende Baseballer handelt, abgeneigte Politik; er hat nicht nur gegenwärtig andere Sorgen; nein, George W. Bush Jr. hätte als potenzieller Schlichter auch ein anderes, größeres Problem gehabt.

Vor seiner Präsidentschaft war er Besitzer des Profiteams Texas Rangers, und einer aus der Kaste der Handvoll millionenschwerer amerikanischer Teamowner wäre nicht nur von den Spielern nicht als Vermittler akzeptiert worden. Er wäre in dem Moment, da er sich als Vertreter der Politik über die widerstreitenden Interessen hätte stellen müssen, nicht besonders glaubwürdig gewesen.

Nun ist der Streik im Baseball abgewendet worden, und die Kontrahenten freuen sich, dass seit 30 Jahren der erste Tarifvertrag in der Geschichte der Major League Baseball (MLB) ohne eine Arbeitsniederlegung zustande kam.

Trotz des heftigen Widerstandes der Spieler wird jetzt ein Strafzoll für reichere Clubs eingeführt, wenn sie hohe Gehälter zahlen. Diese Maßnahme, von den Clubbesitzern »Luxussteuer« genannt, wird damit begründet, dass ein zu großes Gehaltsgefälle in den zwei Profiligen American League und National League den sportlichen Wettbewerb gefährde und gut situierte Clubs wie etwa die New York Yankees alles dominierten. Die Spieler sahen in dieser »Luxussteuer« nicht nur einen Angriff auf ihre in der Tat hohen Gehälter - der durchschnittliche Jahreslohn beträgt 2,4 Millionen Dollar -, sondern auch auf ihr 1975 in einem historischen Arbeitskampf durchgesetztes Recht, frei über ihren Arbeitsplatz zu entscheiden und zu verhandeln.

Dieses Recht, sonst überall im liberalen Amerika eine Selbstverständlichkeit, musste im Sport erst mühsam erstritten werden. Als endlich auch hier normale kapitalistische Maßstäbe galten, konnten die Spitzenspieler für sich selbst und die Gewerkschaft für alle gute Löhne und Arbeitsbedingungen aushandeln, und die Macht der feudalistisch regierenden Teambesitzer war empfindlich getroffen.

»Die Spielergewerkschaft hat wahrscheinlich mehr aufgeben müssen«, analysiert die New York Times nun die aktuelle Auseinandersetzung, »als sie jemals seit dem Gewinn der free agency im Jahr 1975 hinnehmen musste.« Angriffe auf diesen Erfolg von 1975 ist die Spielergewerkschaft gewöhnt. 1981 etwa, politisch gestärkt durch den Amtsantritt Ronald Reagans, wollten die Besitzer für solche Spieler, die auf ihr Recht der free agency verzichten, Kompensationsgelder anbieten. Ein 50 Tage währender Streik wischte das unseriöse Angebot damals vom Tisch.

Doch nun ist alles schwieriger geworden. Al Leiter von den New York Mets, ein Vertreter der Spieler, erklärte, ein Streik sei angesichts der allgemeinen Wirtschaftsmisere nicht »gut durchzusetzen« gewesen. Diese Schwäche der Gewerkschaft machten sich die Teambesitzer zu Nutze.

Aber nicht alle Beobachter werten das Ergebnis als eine Niederlage der Spieler. Charles Korr, Autor einer Studie über Arbeitskämpfe in den Baseball-Ligen zwischen 1960 und 1981, meint: »Beide Seiten haben gewonnen. Wir wurden nicht durch eine Arbeitsniederlegung geschädigt. Und es ist nichts passiert, das signifikant die Gehälter oder die Profitabilität der Clubs beeinträchtigen würde.« Und Bill Peterson, Kommentator der linken Cincinnati City Beat, schreibt: »Solange die Spielergewerkschaft für das Recht auf Freizügigkeit und für ökonomische Gleichheit kämpfte, war sie auf der richtigen Seite.« Heute aber hätten sich die Spieler zu sehr von den Fans entfernt. »Es ist so, als würde man zwei Leuten bei der Scheidung zusehen«, da wolle man ja auch nicht immer Partei ergreifen.

Donald Fehr, der Verhandlungsführer der Spielergewerkschaft, verwies darauf, dass die Vereinbarung den reichen Mannschaften immerhin nicht so viel Geld wegnehme, dass die Verhandlungsfreiheit der Spieler berührt werde. Der freie Markt, von dem die insgesamt 1 200 Spieler der MLB profitieren, bestehe auch weiterhin. »Das ist ein Thema«, so Fehr auf einer Pressekonferenz, »bei dem wir sehr sensibel reagieren.«

Tom Glavine, im Streik von 1994 eine der zentralen Figuren, will den neuen Abschluss nicht richtig kritisieren. »Wir haben jetzt halt nicht die Unsicherheiten einer Arbeitsniederlegung«, sagt der Pitcher der Atlanta Braves (Besitzer: Ted Turner) und fügt hinzu: »Man kann damit leben, ohne dass wir wirklich begeistert und glücklich wären.« Amerikanische Gewerkschaftsexperten meinen, die Spieler hätten die Möglichkeit eines langen Arbeitskampfes gehabt. Aber, so heißt es in einer Analyse der New York Times: »Ein solches Muskelspiel hätte den Baseball insgesamt geschwächt, indem es Millionen von Fans geärgert und entfremdet hätte.«

Ähnlich argumentiert die liberale Washington Post: »Der Gedanke, dass die nationale Freizeitbeschäftigung schlechthin in den Tagen des 11. September im Streik wäre, geht noch weiter als der Vorwurf der Habgier. Der Kontrast zur Rolle des Baseballs damals, als die beschädigte amerikanische Flagge des World Trade Center über dem Yankee-Stadium wehte, wäre für die Millionen Fans nicht zu akzeptieren.«

Das Argument kommt ständig, auch wenn es nicht immer so pathetisch vorgetragen wird. Schließlich finanzieren die Fans mit Eintrittskarten, dem Kauf der Merchandise-Artikel, den Pay-TV-Gebühren und etlichem mehr die Liga. Baseball ist der Sport der weißen Arbeiterklasse in den USA, anders als der Football der Mittelklasse und Basketball, das in den letzten zwei Jahrzehnten zur Arena für den sozialen Aufstieg von schwarzen Kids wurde. Außerdem gelten die Spieler als überbezahlt, und für Einkommensmillionäre Partei zu ergreifen, fällt nicht immer leicht.

In Las Vegas Weekly hieß es jedoch: »Wenn es zu keiner Einigung kommt, können die Baseball-Besitzer ganz legal ihr selbst ausgetüfteltes System der Arbeitsbeziehungen installieren. Da ist eine Streikdrohung der Spieler doch wohl nur noch die letzte Abwehrmöglichkeit gegen ein solch lächerliches Szenario.« Nebenbei sieht der Abschluss, der jetzt gefunden wurde, auch die Einrichtung von Dopingkontrollen vor. Die Gewerkschaft hatte solche Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit stets bekämpft. Aber jetzt wird nach anabolen Steroiden, nach Kokain und nach Marihuana gefahndet.

Kaum beachtet wird ein anderer Teil der Einigung zwischen Spielern und Besitzern. Ein weltweites Drafting-System soll installiert werden, die Details werden noch ausgehandelt. Aber schon jetzt steht fest, dass nationale Agenten, die sich die Beobachtung des Baseball- und College-Markts aufgeteilt haben, darunter leiden werden. Profitieren werden davon, wie die Chicago Tribune urteilt, auf jeden Fall die Teams, die den »historisch undankbaren Job unternommen hatten, international zu scouten«.

Wenn so Talente aus allen Teilen der Welt in der MLB anheuern sollten, hätte sogar dieser Arbeitskampf viel für den Baseball getan. Immerhin ein Ergebnis dieses noch einmal vermiedenen Streiks, that could piss of the Pope.