Die ÖVP sucht einen Koalitionspartner

Sprung im Schüssel

Wer nach dem kläglichen Ende der blau-schwarzen Koalition in Wien dachte, dass nun auch die konservative ÖVP die Zusammenarbeit mit der FPÖ als gescheitert betrachten werde, wurde rasch eines Besseren belehrt. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel beeilte sich zu erklären, dass er sich nach den Wahlen eine erneute Koalition mit den Freiheitlichen vorstellen könne. Das gelte, betonte er ausdrücklich, auch für den Fall, dass Jörg Haider wieder den Vorsitz übernähme.

Während sich einige Landesfürsten der Partei und Vertreter des wirtschaftsliberalen Flügels bereits klar gegen eine Wiederholung des gescheiterten Experimentes aussprachen, will der Wendekanzler immer noch nicht das Ende der Wende akzeptieren. »Ich will wieder Kanzler werden«, erklärte er der Welt am Sonntag. »Alles andere muss man dann klären.«

Zwar muss es auch Schüssel klar sein, dass nach dem kläglichen Auftritt der FPÖ in den letzten Wochen sein Koalitionspartner jede zweite Stimme verlieren könnte. Er vertraut jedoch darauf, dass seine eigene Partei in der Lage ist, entsprechende Verluste auszugleichen.

Tatsächlich könnte die ÖVP bei den Wahlen im November der große Gewinner sein. In den aktuellen Umfragen hat die Partei im Gegensatz zur FPÖ zugelegt und kommt jetzt auf rund 30 Prozent. Im letzten Moment, so die Hoffnung der Konservativen, könnte es ihnen doch noch gelingen, sich als Kraft der Stabilität zu präsentieren, die keinerlei Verantwortung für das freiheitliche Desaster trägt. Aber selbst im staatsgläubigen Österreich ist es fraglich, ob die ÖVP ihre Mitverantwortung für die Politik der letzten zwei Jahre leugnen kann.

Sollte sich nach der auch für viele freiheitliche Wähler enttäuschenden Regierungsbeteiligung des »Dritten Lagers« keine Mehrheit für Blau-Schwarz finden, hätte Schüssel aber auch noch andere Möglichkeiten.

Er kann sich ebenso die Neuauflage einer großen Koalition mit den Sozialdemokraten vorstellen. Und auch die SPÖ hält sich diese Option offen. So könnte die Partei schließlich auch ohne eine rot-grüne Mehrheit wieder an die Regierung kommen.

So rollte der konservative Klubobmann Andreas Khol sogar für die Grünen schon mal den roten Teppich aus und meinte, dass er »als Tiroler« gerne mit seinem Landsmann, dem grünen Parteivorsitzenden Alexander Van der Bellen, zusammenarbeiten würde.

Bei den Grünen scheinen die Avancen der konservativen Regierungspartei gut anzukommen. Erst am vergangenen Freitag betonte Van der Bellen im ORF, dass er keine Koalitionaussage machen werde. Er habe immer gesagt, dass er die Türe zu den Konservativen nicht verschließen wolle. Man müsse unterscheiden zwischen der ÖVP, gegen die er nichts habe, und denjenigen in der Partei, die eine Koalition mit den Freiheitlichen nicht ausschließen wollen.

Haiders Fürsprecher in der ÖVP werden ihm jedoch vermutlich kaum die Freude bereiten und freiwillig zurücktreten, um einer schwarz-grünen Koalition den Weg frei zu machen. Schüssel wird das auch nicht wollen. Dafür ist er persönlich zu sehr am Machterhalt interessiert. Und den garantiert Jörg Haider immer noch eher als Van der Bellen.