Streit um die UN-Waffeninspektion

Der Inspekteur hat's schwer

Der Streit um die Modalitäten der UN-Waffeninspektionen im Irak hat begonnen. Die Anwesenheit von Inspekteuren bedeutet aber nicht zwangsläufig die Abwesenheit von Krieg.

Nur vier Tage dauerte die weltpolitische Entspannung und die verzweifelte Suche des US-Präsidenten George W. Bush nach einem neuen Grund für einen Krieg gegen den Irak. Am Dienstag der vergangenen Woche überreichte Außenminister Naji Sabri dem UN-Generalsekretär Kofi Annan einen Brief, in dem sich der Irak bereit erklärte, »ohne Vorbedingungen« Waffeninspekteure der Uno ins Land zu lassen. Am Freitag war es mit der Bedingungslosigkeit schon wieder vorbei. Der Irak, so verkündete es der staatliche Rundfunk, werde eine neue UN-Resolution zu den Waffeninspektionen keineswegs akzeptieren.

Bushs Position ist damit deutlich gestärkt worden. Er kann nun behaupten, dass der Irak ja doch nur jene Possen zu wiederholen gewillt sei, die er schon in den neunziger Jahren aufführte. Dabei musste eigentlich schon aus dem Brief Sabris an Annan ersichtlich sein, dass eine neue, schärfere UN-Resolution für Bagdad überhaupt nicht infrage kommt, denn zwar ist von der Bedingungslosigkeit einer Rückkehr der Inspektoren die Rede, sie gründet sich aber auf die schon vorhandenen UN-Resolutionen und die Gespräche, die Annan mit Sabri im Juli in Wien führte.

Ein »Draufsatteln neuer Forderungen«, wogegen sich Gerhard Schröder im besten Einvernehmen mit Bagdad aussprach, aber scheint Waffenexperten unvermeidlich, wenn mit den angestrebten Inspektionen tatsächlich erreicht werden soll, jeden Verdacht auf ein atomares, biologisches oder chemisches Waffenarsenal aus dem Weg zu räumen.

»In den bisherigen UN-Resolutionen gab es zu viele Ausnahmen und Schlupfwinkel für die Irakis, den Inspektoren den Zugang zu bestimmten Gebäuden zu verweigern«, sagt Jean-Pascal Zanders, der Projektleiter für biologische und chemische Kriegsführung am Stockholmer Institut für Friedensforschung (Sipri) im Gespräch mit der Jungle World. Gleichzeitig aber bewertet er das irakische Waffenarsenal als nicht besonders gefährlich. »Unseren Ermittlungen nach ist der Irak nach 1998 über Forschung und Entwicklung nicht hinausgekommen, zu einer Serienproduktion sind sie nicht in der Lage.«

Immerhin leistete die 1998 von Saddam Hussein aus dem Land geworfene Unscom-Mission seit 1991 durchaus beachtliche Arbeit; und zwar trotz der Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, die es den Waffeninspektoren nicht erlaubten, als präsidiale Grundstücke gekennzeichnete Gelände zu untersuchen.

Rund 40 000 chemische Waffen wurden ebenso vernichtet wie 400 Tonnen chemischer Kampfstoffe und 817 Mittelstreckenraketen. Besonders die von den USA geschürte Angst vor einem Vergeltungsschlag Saddam Husseins mit chemischen Waffen hält Zanders für unbegründet. »Der Irak hat große Probleme bei der Stabilisierung und Lagerung chemischer Stoffe.« Daher werde es selbst im Kriegsfall wohl nicht zu einer Abwehr ausländischer Truppen mit chemischen Kampfstoffen kommen.

Doch solche Expertisen werden von anderen bestritten. So tingelt schon seit Wochen die ehemalige deutsche UN-Inspekteurin Gabriele Kraatz-Wadsack durch die Nachrichtensendungen und berichtet über ihre Erfahrungen mit den Irakis. Deren Kernkompetenz sei das Täuschen und Tarnen, daher könne man auch nicht sicher sein, wie erfolgreich die Unscom bei der Vernichtung des Waffenarsenals Husseins gewesen sei.

Mit den Beweisen für die Fähigkeit des Irak, den gesamten Mittleren Osten mit allerlei gefährlichen Stoffen zu kontaminieren, hapert es derzeit überhaupt; deshalb haben es die USA schwer, im Sicherheitsrat die Zustimmung zu einer neuen, strengeren UN-Resolution zu erhalten. »Moskaus Haltung zu einer Militäroperation in Irak wird von den Informationen abhängen, die uns die amerikanische Seite gibt«, meinte der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow nach einem Gespräch mit Bush.

Der aber schreckt, einem besessenen Kommissar ähnlich, auch nicht davor zurück, hin und wieder Beweise zu erfinden. Vor zwei Wochen hielt er in seinem Sommersitz in Camp David gemeinsam mit Großbritanniens Premier Tony Blair eine Pressekonferenz ab und zitierte einen Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien, die warnte, der Irak wäre binnen sechs Monaten dazu fähig, die Atombombe herzustellen.

»Bush bezieht sich dabei auf einen angeblichen Bericht unserer Organisation aus dem Jahr 1991, nur hat es diesen Bericht nie gegeben. Wir wundern uns sehr darüber«, sagt Melissa Fleming, die Sprecherin der IAEA, dieser Zeitung. Gleichzeitig kann die Organisation auch Berichte nicht bestätigen, wonach seit 1998 atomwaffenfähiges Material den Irak erreicht habe. »Wir haben darüber keine Informationen, und glauben Sie mir, der Schmuggel von solchen Stoffen würde uns auffallen.«

Ein strengeres Inspektionsregime bedeutet womöglich auch, die UN-Waffeninspekteure unter militärischen Schutz zu stellen. So arbeitete die einflussreiche US-amerikanische Carnegie Foundation einen Plan aus, der vorsieht, eine bewaffnete Inspection Implementation Force in den Irak zu schicken, die notfalls auch Waffengewalt anwenden würde, wenn sich die Irakis weigern, den Waffeninspekteuren den Weg freizugeben.

Kleine mobile Einheiten sollen laut diesem auch dem UN-Generalsekretär vorliegenden Plan unterstützt werden von einem Militäraufgebot an der irakisch-jordanischen Grenze. Der Großteil dieser Streitmacht würde von den USA aufgeboten werden müssen, allerdings unter dem Mandat der Uno. Eine solche militärische Begleitung der Inspektionen aber wäre für den Irak vollkommen inakzeptabel und dürfte, sollte sie je in die Verhandlungen in Wien Ende September einbezogen werden, sofort zum Abbruch der Gespräche führen.

Doch selbst wenn auf verschlungenen diplomatischen Pfaden doch noch eine Möglichkeit gefunden würde, die Waffeninspektionen zu realisieren, wäre die Kriegsgefahr nicht gebannt. »Es wird schwer für die Inspektoren werden, etwas zu finden, weil es sich wahrscheinlich um sehr kleine Labors handelt und die Erfahrungswerte der früheren Inspektionen wahrscheinlich nicht gebraucht werden können«, warnt Zanders.

Wenn aber die Inspektoren nicht fündig werden, könnte das, so Zanders, für die USA ein starkes Argument sein, dass der Irak abermals »Katz und Maus« spielt und ein Krieg unumgänglich ist. Allein die Internationale Atomenergiebehörde setzt für ihre geplanten Inspektionen einen Zeitraum von mindestens einem Jahr an.