Kampagne gegen die International Organisation of Migration

Die Fluchtverhinderer

Mit einer europaweiten Kampagne wollen antirassistische Aktivisten auf die International Organisation for Migration aufmerksam machen.
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Die drei Referenten des Noborder-Netzwerkes hatten es nicht leicht, als sie vor zwei Wochen in Berlin auf einer Informationsveranstaltung den Zuhörern deutlich machen wollten, warum sie ausgerechnet eine Kampagne gegen die International Organisation for Migration (IOM) planen. Schon die Erklärung, was eigentlich die IOM ist, gestaltete sich schwierig. Denn bei der IOM handelt es sich um eine derart vielschichtige und widersprüchliche Organisation, dass einfache Beschreibungen fehlschlagen: Sie ist weltumspannend und einflussreich wie der IWF oder die Weltbank, hat aber nur wenig Personal. Sie verfügt über keinen großen Haushalt, aber bewegt unvorstellbare Summen über den Globus. Die Behörde, der mit Bruce McKinley ein früherer US-Diplomat vorsteht, der in Italien, China, Vietnam, Haiti, Deutschland und Großbritannien Erfahrung sammelte und zuletzt als US-Koordinator für humanitäre Fragen in Bosnien wirkte, hat in fast allen Belangen der Migration ihre Finger, aber kaum jemand nimmt von ihr Notiz.

Das soll sich nun ändern. Antirassistische Aktivisten aus dem internationalen Noborder-Netzwerk wollen am Samstag dieser Woche, ihrem jährlichen Aktionstag, eine Kampagne starten, um auf die vielfältigen Aktivitäten der IOM aufmerksam zu machen. Die Referenten der Infoveranstaltung bezeichneten die IOM als Kopf eines »neuen globalen Migrationsregimes«. Es handele sich um »die zentrale Organisation, die das weltweite Migrationssystem managt«. Die Organisation wirbt für sich mit dem Spruch: »Managing migration for the benefit of all«.

Gegründet wurde die IOM 1952 auf Initiative der USA im Zuge des Kalten Krieges unter dem Namen Intergovernmental Committee for European Migration (ICEM). 1980 wurde sie umbenannt. Um ihrer globalen Tätigkeit zu entsprechen, wurde der Verweis auf Europa weggelassen. 1989 wurde daraus die International Organisation for Migration. Über 100 Mitgliedsstaaten zählt die IOM, die sich selbst als ökonomisch orientiertes Gegenstück zum humanitär ausgerichteten UN-Flüchtlingskomitee UNHCR versteht. Dabei hat die internationale Regierungsorganisation in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Gab es vor zwei Jahren noch rund 40 IOM-Niederlassungen, so sind es heute über 100. In Deutschland gibt es ein Büro in Bonn und eines in Berlin.

Die IOM brüstet sich damit, seit ihrer Gründung in das Leben von elf Millionen Menschen eingegriffen zu haben. Allerdings selten zu deren Vorteil, obwohl einige der Betroffenen das auch anders sehen. Denn die IOM organisiert z.B. in Deutschland die »freiwillige« Rückführung von illegalen Flüchtlingen. Freiwillig heißt dabei nichts anderes, als dass die aufgegriffenen Migranten vor die Alternative gestellt werden, in Abschiebehaft gesteckt und schließlich abgeschoben zu werden oder aber einen Vertrag mit der IOM abzuschließen und »freiwillig« zurückzukehren.

Die IOM macht ihnen die Rückkehr dadurch schmackhaft, dass sie die Flugtickets spendiert, ein »Taschengeld« zahlt und den Flüchtlingen eine geregelte Ausreise ohne Unterbringung in einer Abschiebehaftanstalt in Aussicht stellt. Solche »freiwilligen« Rückführungen betreibt die IOM hauptsächlich in Länder, in die wegen der dortigen Zustände eine Abschiebung schwierig sein könnte. Sie schickt Menschen u.a. nach Timor, Nordirak, Kosovo, Angola und Afghanistan zurück. Zu diesem Zweck arbeitet die IOM mit der Bundesregierung zusammen und ist auch in den neuen so genannten Ausreisezentren oder Flüchtlingslagern aktiv.

Doch die Rückführung von Flüchtlingen ist nur eine von vielen Aufgaben der IOM. Vor allem versucht sie, dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst zu Fluchtbewegungen kommt. So organisiert sie zum Beispiel so genannte »Migrationsseminare« in Flüchtlingslagern und verbreitet dort Schreckensnachrichten aus den westlichen Industriestaaten. »Nein zur Sklaverei im Westen«, heißt dabei eine ihrer Losungen. Gemeint sind nach Westeuropa verschleppte Frauen.

Doch diese Kampagne gegen den Frauenhandel hat vor allem das Ziel, potenzielle Flüchtlinge abzuschrecken, nach Westeuropa oder in die USA zu fliehen. Dabei ist die IOM in Einzelfällen an humanitären Projekten beteiligt. So brachte sie aus dem Kosovo verschleppte und nach Westeuropa verkaufte Frauen zurück und kümmerte sich um deren Wiedereingliederung. Allerdings macht dieses Engagement nur den kleinsten Teil der Aktivitäten aus.

Vor allem versucht die IOM, Flucht zu unterbinden. So unterstützt sie Trikontstaaten dabei, ihre Grenzen zu befestigen, und organisiert die Ausbildung von Grenztruppen. In der Ukraine, wo es bis vor kurzem überhaupt keine organisierte Migrations- und Grenzpolitik gab, managte sie den Bau von Flüchtlingslagern und sicheren Grenzanlagen. Regierungsvertreter schickte sie auf eine Bildungsreise in die USA an die Grenze zu Mexiko, damit diese sich dort mit effektiven Maßnahmen vertraut machen.

Aufgrund ihres weltweiten Netzwerkes bekam die IOM auch den Auftrag für die Auszahlung der Entschädigungszahlungen an alle nicht jüdischen NS-Zwangsarbeiter. Dies betrifft vor allem Sinti und Roma, die nun der IOM vorwerfen, Zahlungen zu verzögern und Geld für die eigene Verwaltung einzubehalten. Der Roma National Congress (RNC) kritisiert außerdem, dass es gerade die IOM sei, die die Abschiebung von Roma aus Deutschland arrangiere. Die IOM sei »der Feind der Roma«, erklärte der RNC kürzlich. Ihr Ziel sei es, Europa »romafrei« zu machen.

Das Noborder-Netzwerk will nun versuchen, diese und andere Aktivitäten der IOM zunächst einmal der Öffentlichkeit bekannt zu machen und dadurch die Zusammenarbeit verschiedenster Nichtregierungsorganisationen mit der IOM zu sabotieren. In einem Flugblatt heißt es: »Die Länder des industrialisierten Nordens bauen parallel zu umfassenden Wirtschaftsabkommen ein globales Migrationssystem auf, dessen Kriterien eindeutig sind: Wer nicht zu den Nützlichen gezählt wird, muss draußen bleiben.« Dazu passt, dass die IOM zum Beispiel in Finnland einerseits die Rückführung abgelehnter Asylbewerber organisiert und gleichzeitig dem Arbeitsministerium dabei behilflich ist, »nützliche« Arbeitskräfte aus Asien zu importieren.

Die Noborder-Aktivisten erklären in einem »IOM-Counter-Bulletin«, es sei an der Zeit, »die wahre unmenschliche Politik der IOM zu enthüllen, ihre profitorientierte Ideologie und ihren zugrunde liegenden Rassismus«. Angesichts so vielfältiger und widersprüchlicher Aktivitäten ist das sicher keine leichte Aufgabe. Geplant ist eine internationale Kampagne. An dem bevorstehenden Aktionstag soll es in Deutschland bereits erste öffentliche Aktionen geben.