Die Lijst Pim Fortuyn streitet sich bis zur Auflösung

Hauen und Stechen

In den Niederlanden ist die rechtspopulistische Lijst Pim Fortuyn auf dem besten Wege, in rivalisierende Fraktionen zu zerfallen.

Ich mache mir Sorgen um das Ansehen des Parlaments«, klagte Frans Hals, Vorsitzender der Zweiten Kammer des niederländischen Parlaments vergangene Woche angesichts der ständigen Machtkämpfe innerhalb der rechtspopulistischen Lijst Pim Fortuyn (LPF). Die LPF, die seit den Wahlen am 15. Mai zusammen mit den Christ-demokraten (CDA) und der rechtsliberalen VVD in Den Haag eine Koalition bildet, scheint sich in verschiedene kleine Gruppen zu spalten.

Aktueller Anlass für das drohende Zerwürfnis sind die Äußerungen der LPF-Abgeordneten Winny de Jong und Cor Eberhard, die ihrem Fraktionsvorsitzenden Harry Wijnschenk undemokratische Methoden vorwerfen. Er wies die Anschuldigungen prompt zurück und drohte, die LPF zu verlassen, sollten seine beiden Kritiker nicht ausgeschlossen werden. Gleichzeitig brach in der Partei ein Streit um den Posten des Vizeministerpräsidenten aus. Der Fraktionsvorsitzende hatte telefonisch dem Wirtschaftsminister Herman Heinsbroek das Amt versprochen, ohne den derzeitigen Amtsinhaber, ebenfalls ein LPF-Mitglied, oder die Fraktion darüber zu informieren. Die Sitzung, die daraufhin am 1. Oktober einberufen wurde, um die personelle Zukunft der LPF zu klären, versank im Chaos.

De Jong und Eberhard verließen vorzeitig und laut polternd das Treffen. »Wenn Wijnschenk und Konsorten mich ausschließen, gibt das jeden Tag Krieg«, prophezeite De Jong und fügte hinzu: »Wer zu Wijnschenk hält, gleicht denen, die im Zweiten Weltkrieg mit den Feinden heulten.«

Letztlich setzte sich Wijnschenk gegen seine Kontrahenten durch. De Jong und Eberhard müssen nun die Fraktion verlassen. Den Schlusspunkt eines turbulenten Tages markierte ein unverdrossen streitlustiger LPF-Abgeordneter, der vor dem Sitzungssaal einen Journalisten verprügelte und dessen Fotoapparat zertrümmerte.

Die LPF wurde erst vor knapp einem Jahr von Pim Fortuyn gegründet. »Professor Pim«, wie er von seinen Anhängern liebevoll genannt wurde, warb mit Parolen wie: »Mehr Polizei, weniger Bürokratie, weniger Einwanderung«. Am 6. Mai, zehn Tage vor den Parlamentswahlen, wurde er in Hilversum erschossen. Die Wahlen gerieten zu einem Eintrag in das Kondolenzbuch, die LPF wurde auf Anhieb die zweitstärkste Kraft und erreichte 26 Sitze. Allerdings hatte Fortuyn schon bei der Gründung der Partei an den politischen Fähigkeiten der Parteimitglieder gezweifelt. Seiner Meinung nach war keiner der Kandidaten für ein Amt als Minister oder Staatssekretär geeignet. Dennoch beteiligte sich die LPF an einer rechten Koalition.

De Jong gehörte zu den wenigen Mitgliedern, die bei Fortuyn hohes Ansehen genossen. Sie erlitt jedoch nach dem Mord einen Nervenzusammenbruch und teilte der Fraktion später mit, sie sei manisch-depressiv. Die Zukunft der LPF als Regierungspartei wurde anschließend ohne ihre Mitwirkung festgelegt. Die Koalitionsverhandlungen leiteten Mat Herben und Ferry Hoogendijk, die einzigen erfahrenen Politiker der Partei. Sie sicherten der LPF unter anderem das Wirtschaftsressort. Hilbrand Nawijn avancierte zum Minister für Integrations- und Flüchtlingsangelegenheiten.

Auch in diesem Amt betreibt er die rassistische Politik der LPF. »Wir sind zu lieb gewesen zu Ausländern«, meinte Nawijn vor wenigen Wochen. Er forderte, dass nur noch 18 000 Asylbewerber pro Jahr zugelassen werden dürften. Ausländer müssten mindestens 21 Jahre alt sein und 130 Prozent des Mindestlohns verdienen, um eine Einreiseerlaubnis für ihre Ehepartner zu erlangen.

Für Hohn und Spott von Opposition und Koalitionspartnern sorgte sein Vorschlag, Personen, die neben der niederländischen eine weitere Staatsbürgerschaft besitzen und wegen einer Straftat zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt wurden, aus den Niederlanden auszuweisen. Ein Mitglied der Opposition meinte zu den Ideen des Integrationsministers, Nawijn sei wie eine Popkornmaschine ohne Deckel. Selbst Ministerpräsident Jan-Peter Balkenende (CDA) bat Nawijn, gegenüber den Medien vorsichtiger zu sein. Für 210 illegal im Land lebende Einwanderer wurde der rechtspopulistische Minister jedoch bereits zum Verhängnis. Sie wurden bei Razzien in Den Haag und Amsterdam Ende September verhaftet und abgeschoben.

De Jong hingegen durfte nur zuschauen, wie Nawijn und andere die Posten eroberten, auf die sie selber noch im April Ambitionen hegte. Ihre Position wurde geschwächt, im August musste ihr Lebensgefährte die Partei verlassen, weil er der rechtsextremen Centrum Partij '86 angehört hatte. Ende September räumte ihr persönlichen Mitarbeiter seinen Sessel. Seitdem ist sie in der Fraktion umstritten. So stichelte jüngst ein LPF-Abgeordneter: »Wir dachten eigentlich, dass sie medikamentös gut versorgt sei, aber sie hat offensichtlich nun doch ihre Tabletten vergessen.«

Der Zwist innerhalb der LPF beschäftigt inzwischen auch die Opposition. Paul Rosenmöller, Fraktionsvorsitzender von GroenLinks sagte: »Die Schlägereien und die Vergleiche mit dem Zweiten Weltkrieg verletzen elementare Regeln des Anstandes.« Echte Freude darüber, dass sich die Koalition nun selbst zerfleische, komme aber nicht auf, meinen Vertreter der Sozialisten.

Die Koalitionspartner VVD und CDA hingegen mahnen die streitenden Rechtspopulisten, die Stabilität der Regierung nicht zu gefährden. »Kollegen, verhaltet euch doch endlich normal! Haltet euch an Absprachen und besprecht alle politischen Angelegenheiten innerhalb der gesamten Fraktion«, beschwor der Fraktionsvorsitzende der VVD, Gerrit Zalm, die Mitglieder der LPF. Es könne nicht im Interesse der Partei sein, die Regierung zu stürzen, hieß es in der Umgebung des Ministerpräsidenten Balkenende, die Umfragewerte für die LPF seien dafür zu schlecht.

Balkenende und seine Regierung können sich vorerst auf eine notdürftig geeinte LPF-Fraktion verlassen. Am Freitag der vergangenen Woche verkündete Wirtschaftsminister Heinsbroek, dass »die Fraktion, die Regierungsmitglieder und die Partei wieder auf einer Linie« seien. De Jong und Eberhard wollen als einzelne Abgeordnete weiterhin die Regierung unterstützen. Der Streit um das Amt des Vizepräsidenten geht jedoch weiter.

Unsicher ist auch, wie die Basis das Theater in Den Haag aufnimmt. Die Mitglieder werfen Wijnschenk und seinen Getreuen vor, dass ihr Politikstil nicht den Absichten Fortuyns entspreche. Doch die sind post mortem schwer zu ermitteln. Lautete doch seine Maxime: »Ich sage, was ich denke und mache, was ich sage.«