Partei im Sonderangebot

Auf dem Parteitag der PDS in Gera dürfte es zur Entscheidung zwischen rechten Kommunisten und linken Sozialdemokraten kommen.

Das kleine Städtchen Gera in Thüringen könnte zu einem Synonym für eine historische Zäsur in der PDS werden. Denn dort findet am kommenden Wochenende der Parteitag statt, auf dem der gesamte Vorstand der Partei turnusgemäß neu gewählt wird. Nach der Niederlage der PDS bei der Bundestagswahl kommt dem nun eine neue Bedeutung zu. Die Nerven liegen blank in der Partei des Demokratischen Sozialismus. Erst der Rücktritt Gregor Gysis in Berlin, dann die Wahlschlappe. Nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag brechen zudem die Strukturen im Westen weg, nichts deutet auf ein baldiges Comeback der PDS auf Bundesebene hin.

Die Ursachen für die Wahlniederlage sehen die Genossen jeweils völlig unterschiedlich. Für die einen war es der ohne Frage völlig verkorkste Wahlkampf, für die anderen lag es eher am fehlenden »Gebrauchswert« bzw. »Profil« der Partei. Wieder andere glauben, die Anbiederung an die SPD und die Regierungsbeteiligungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern seien die Gründe. Obwohl sicher alle drei Erklärungen ihre Berechtigung haben, verschanzen sich die verschiedenen Strömungen in der Partei derzeit jeweils hinter einer und machen je nach Einschätzung andere Personen verantwortlich.

So werden Rücktrittsforderungen vor allem an den Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch und die Parteivorsitzende Gabi Zimmer gerichtet. Bartsch wird vor allem für den missglückten Wahlkampf verantwortlich gemacht, Zimmer für das unklare Profil der Partei. Bartsch hat inzwischen seine Verantwortung eingestanden und erklärt, es sei »ein unverzeihlicher Fehler gewesen, sich auf einen Konstellationswahlkampf 'Stoiber verhindern - PDS wählen' einzulassen«. Am lautesten dröhnen die Rücktrittsforderungen an Bartsch aus Sachsen, wo die PDS ihren größten Landesverband hat. Vor allem der dortige Vorsitzende der Landtagsfraktion, Peter Porsch, fordert Bartschs Kopf und stellt sich hinter Gabi Zimmer.

Den Rücktritt Zimmers hingegen wünschen vor allem junge PDS-Mitglieder wie die scheidende Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt oder die gescheiterte Berliner Direktkandidatin Sandra Brunner. Sie unterstützen eine mögliche Kandidatur der bisherigen stellvertretenden Parteivorsitzenden Petra Pau, die sich jedoch noch nicht festgelegt hat, ob sie gegen Zimmer antreten will.

Im Grunde hat es die PDS derzeit mit drei Strömungen zu tun. Da wären einmal die Sozialdemokraten um Roland Claus, Helmut Holter, Andre Brie, Gysi, Bartsch und auch Pau. Zum Zweiten gibt es die orthodoxen Marxisten und Nationalbolschewisten rund um die Kommunistische Plattform (KPF). Und drittens jene, die aus der PDS am liebsten eine ostdeutsche Volkspartei ohne linkes Profil machen würden.

Wortführerin der letzten Truppe ist die sächsische Politikerin Christine Ostrowski, die gleich nach der Wahl betonte, dass die Westausdehnung der PDS gescheitert und nunmehr eine konsequente Orientierung auf den Osten notwendig sei. Ähnliches war auch von der neben Pau direkt in den Bundestag gewählten Abgeordneten Gesine Lötzsch zu hören. Während die Sozialdemokraten nun vor allem gegen die KPF wettern - und umgekehrt -, haben junge Funktionsträger wie Angela Marquardt oder auch Matthias Gärtner vor allem Angst vor der rechten Ostfront um Ostrowski. Nur als gesamtdeutsches Projekt könne die Partei auch als linke, als sozialistische Partei bestehen, erklärte Marquardt.

Interessant ist, wer sich jetzt hinter den potenziellen Kandidatinnen versammelt. Da weder die antiautoritären Linken noch die Marxisten der KPF eine eigene Mehrheit haben und vermutlich auch keine eigenen Kandidaten, dient man sich entweder Petra Pau oder Gabi Zimmer an. Die KPF steht hinter Zimmer, weil sich Zimmer gegen Flügelkämpfe und Richtungsentscheidungen ausgesprochen hat und weiter den Frieden mit allen Strömungen sucht; die Ost-Fraktion mag vor allem Zimmers Basisnähe. Die sehr wenigen antiautoritären Linken hingegen versammeln sich zur Zeit gemeinsam mit den Sozialdemokraten hinter Petra Pau, weil Pau für den Reformprozess weg vom autoritären SED-Denken steht.

Die Tageszeitung junge Welt, die der KPF nahe steht, hetzt bereits kräftig gegen Petra Pau und spricht sich für Gabi Zimmer aus. Vordergründig, um sich der weiteren Sozialdemokratisierung der PDS entgegenzustellen. Doch wenn man sich an Zimmers ersten und einzigen Versuch erinnert, der Politik der PDS ein Profil zu geben, nämlich an ihr Bekenntnis, sie liebe Deutschland, und an ihren Wunsch, die PDS möge doch endlich ein positives Nationalgefühl entwickeln, dann erkennt man auch andere Berührungspunkte zwischen Zimmer und den Nationalbolschewisten.

Auch die Sympathien der antiautoritären Linken für die Sozialdemokratin Pau sind verständlich. Erstens will man vor allem die deutschtümelnde Zimmer loswerden und hat selbst keine Mehrheiten dafür. Zweitens haben die Sozialdemokraten in der PDS auch ein großes historisches Verdienst. Denn sicher kann man Pau, Brie, Gysi und Bartsch nachsagen, dass sie nur Sozialdemokraten seien. Aber immerhin sind sie das!

Sie waren es, die der teilweise reaktionären Parteibasis nach der Wende ein Programm aufdrückten, in dem die Forderung nach der Legalisierung von Cannabis und nach »Offenen Grenzen für Alle« stand, für die es an der Parteibasis eigentlich überhaupt kein Verständnis gab und gibt. Gysi und den Sozialdemokraten in der PDS ist es zu verdanken, dass sich im Osten nach dem Fall der Mauer nicht eine einzige große nationalistische Volksbewegung etablierte, sondern dass viele ehemalige SED-Mitglieder mit ihren rassistischen, autoritären Ansichten wenigstens ansatzweise nach links gewendet wurden. Das darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Anbiederung an die SPD zum katastrophalen Profil der PDS beigetragen und den »Gebrauchswert« der Partei gleichfalls reduziert hat.

In Gera könnte es nun zum Showdown zwischen linken Sozialdemokraten und rechten Kommunisten kommen. Dazwischen dürften einige versprengte, sehr unterschiedliche Linke, etwa Wessis wie Ulla Jelpke und Winfried Wolf, die mal hier, mal da taktische Bündnisse schließen, vermutlich vollständig zerrieben werden. Die Gewinner könnten jene sein, die sich auf den Osten besinnen möchten. Sie haben ihre Vertreter sowohl unter den Sozialdemokraten als auch unter den Kommunisten und stellen den Großteil der Basis. Für die PDS als linke Partei dürfte deren Erfolg endgültig das Ende bedeuten.

Dass der Parteitag in Gera stattfindet, könnte sich als Vorteil für die aus Thüringen stammende Parteivorsitzende Zimmer erweisen. Aber auch unabhängig davon scheint sie den größeren Teil der Basis hinter sich bringen zu können. Für Pau oder eine andere Gegenkandidatin wird es schwer. Die Zeiten sind vorbei, in denen Gregor Gysi oder Lothar Bisky auf einem Parteitag aufs Podest steigen und die Delegierten durch eine einzige Rede und ein wenig psychischen Druck zu Entscheidungen bewegen konnten, die mit deren eigentlichen Auffassungen gar nichts zu tun hatten.

Ob sich Gysi überhaupt einem Pfeifkonzert auf dem Parteitag aussetzen wird, ist noch offen. Sollte er doch reden, wird man schon an den Reaktionen ablesen können, ob am Ende die auch von Gysi nicht geliebte Zimmer als strahlende Siegerin aus der Halle stapfen oder ob in Gera ein Richtungswechsel - wohin auch immer - stattfinden wird. Sollte es ein »Weiter so« mit Gabi Zimmer geben, haben bereits einige gerade auch der jungen Nachwuchspolitiker ihren Rückzug aus der Politik angekündigt.