Die Musik der Black Panther

Right On! Revolution!

Zwei neue CDs dokumentieren die musikalische Seite der Black Panther Bewegung.

Die Black Panther Party vertritt die Auffassung, dass dieses Land ein pluralistisches Land ist, auf ethnischer und auf kultureller Ebene«, schrieb Huey Newton 1971 in der Januarausgabe der Zeitschrift Scanlan zum Thema »Guerrilla War in the USA«. »Wir fordern das Ende der Klassengesellschaft und aller Unterschiede, mit denen sich eine Gruppe von der anderen abgrenzt ... Wir finden, dass die verschiedenen ethnischen Kulturen eine Schönheit besitzen, die einem Blumenstrauß gleicht, und wenn dies endlich von allen so gesehen würde, wäre die Welt ein glücklicher, interessanter Ort, und dann würden die Menschen zusammenkommen und sich vereinen ... Als unser Minister of Information, Eldrige Cleaver, sagte, wir werden eine 'grundsätzliche Rassenmischung' haben, sprach er nicht nur von Vermischung der Rassen, sondern über das komplexe Ganze, zu dem alle lebenden Wesen im Universum gehören, über die Vermischung und Transformation von allem. Er sprach vom Zustand, in sich selbst gefangen zu sein, und der Isolation und Einsamkeit, aus der man sich befreien muss, um zu einer vollständigen Person zu werden, die der Mensch dann wirklich sein kann.«

Der Minister of Defense der Black Panther Party, Huey Newton, starb als Cracksüchtiger, zitierte den geistesgestörten Eldrige Cleaver, und hat mal Bobby »Angst-vor-Ike-Turner« Seale mit der Reitgerte ausgepeitscht. Außerdem klang seine Stimme wie die von Mickey Mouse. Aber scheiß drauf. Für die damalige Zeit hat der Mann eine anständige und inspirierende Rhetorik besessen. Man muss diesen Burschen schon bewundern. Immerhin ist er einmal vor Louis Farrakhan, den Minister der Nation of Islam, getreten und hat gefragt:

»Bist du ein Mann?«

»Warum, natürlich«, soll Farrakhan darauf geantwortet haben.

»Also«, fing Huey an, »wenn ein Mann das ist, was er isst, und du ein Mann bist, welchen Teil vom Mann isst du dann?«

Zu der Doppel-CD-Compilation »Black & Proud: The Soul of the Black Panther Era« von Trikont Records gibt es ein Booklet mit einem Essay, in dem die Widerstandstaktik der frühen Bürgerrechtsbewegung herabgewürdigt wird: »Seit den späten fünfziger Jahren hatte sich der afroamerikanische Kampf für Bürgerrechte, Gleichheit und Freiheit maßgeblich an Martin Luther Kings ursprünglicher Taktik der Gewaltlosigkeit orientiert, doch ein Großteil der rastlosen Jugendlichen in den schwarzen Ghettos hatte die Schnauze voll von der damit einhergehenden Unterwürfigkeit.«

Die Aussage ist zwar weitgehend richtig, als Teenager in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern war auch mein Denken gefärbt von der dubiosen Rhetorik von Eldrige Cleavers »Soul on Ice«. Der pazifistischen »Onkel-Tom-Taktik« des Dr. King stand ich ziemlich zynisch gegenüber. Andererseits aber wird dieses Statement der strategischen Situation, in der sich die Bürgerrechtsbewegung damals befand, keinesfalls gerecht.

In erster Linie mobilisierten die Mitglieder der Bürgerrechtsbewegung die Bevölkerung einer bestimmten Community und versuchten so, ihre politischen Ziele zu erreichen. Dieses Vorgehen gehört zu den Grundprinzipien des Guerilla-Kriegs. Stehen militärische Mittel nur begrenzt zur Verfügung, braucht die Guerilla den Rückhalt der Bevölkerung, die in den Gebieten angesiedelt ist, in der sie operiert (Vgl. Che Guevara, Ho Chi Minh etc.).

Das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens der schwarzen ländlichen Bevölkerung im Süden war die Kirche. Bedenkt man, wie konservativ die schwarzen Kirchengemeinden im Süden sind, ist es so gut wie unmöglich, sich vorzustellen, dass eine Gang bewaffneter Negroes mit ihrer Bewegung so viel Erfolg haben würde wie Dr. King mit seiner Befreiungstheologie (ein Gedanke, auf den mich seltsamerweise ein junger deutscher Student erst in den Achtzigern gebracht hat). Denn so, wie ich es verstehe, ist Dr. King nicht nur durch einen kleinen braunen Mann in Windeln mit Nickelbrille beeinflusst worden, sondern auch durch einen gewissen bärtigen deutschen politischen Theoretiker des 19. Jahrhunderts (vgl. Michael Eric Dyson in seinem Buch »I may not get there with you«).

Nach der Wut und Frustration, die Malcom X' Ermordung unter der schwarzen Stadtbevölkerung Amerikas ausgelöst hatte, wie in dem Booklet ganz richtig gesagt wird, war ein Teil der Schwarzen bereit für das Theater der bereits erwähnten Gang bewaffneter Negroes. Die Idee, dass sich die Schwarzen in Amerika aus Gründen der Selbstverteidigung bewaffneten, war nicht neu und wurde nicht erst durch die Panthers verbreitet. Aus praktischen Gründen hatten die Schwarzen im ländlichen Süden Gewehre zum Jagen und zum Selbstschutz. Mein Großonkel, Tabakfarmer in Virgina zur Zeit der schärfsten Rassentrennung, hat mir lustige Geschichten über Horden von bemützten KKK-Männern erzählt, die es gewagt hatten, seinen Grundbesitz zu betreten. Er kam mit der Flinte unterm Arm auf die Veranda, zielte auf sie und sagte:

»Was glaubt ihr, was das hier sein soll? Halloween? Macht, dass ihr wegkommt! Alles, was ihr von mir haben könnt, ist ein Arsch voll Schrot! Und nehmt dieses Kreuz mit!«

Es ist so, dass die Schwarzen in Amerika nie wirklich unterwürfig waren. Es war einfach notwendig, eine Kultur des Widerstands aufzubauen. Sonst hätten wir nicht überleben können.

Meine zynische Haltung gegenüber dem »friedlichen Widerstand« der Bürgerrechtsbewegung verschwand nach einem nächtlichen Erlebnis in den Anden von Kolumbien, Südamerika. Es war während einer Bahnfahrt in Richtung Cartagena City. Wegen eines landesweiten Streiks hielt unser Zug an einem kleinen Bergdorf an, das aussah wie das Filmset eines Sergio-Leone-Westerns. Es gab Gauchos auf Pferden und Schweine, die wild auf den ungepflasterten Straßen herumrannten. Als ich durch einen mit Passagieren vollbesetzten Waggon zur Toilette ging - ich trug mein Jimi-Hendrix-T-Shirt -, riefen die Leute hinter mir her: »Viva Jimi! Viva Jimi Hendrix!« Alle beteuerten, wie sehr sie Dr. Martin Luther King bewunderten und wie traurig sie waren, als er ermordet wurde.

Und ich ignoranter amerikanischer Arsch verfiel in eine Tirade über Malcom X, die Panthers und das Recht auf bewaffnete Selbstverteidigung gegenüber dem weißen Mann. Die Leute sahen mich an, als ob ich verrückt geworden wäre. Dann hatten plötzlich alle Hunger, ein spontaner Protestmarsch vor unserem haltenden Zug wurde organisiert und Essen verlangt. Weil ich so viel Mist geredet hatte, ernannte man mich kurzerhand zum Anführer der Protestkundgebung.

Nach dem Essen zogen wir uns alle in den einzigen Saloon im Dorf zurück und konsumierten große Mengen von Agua Dente, was so viel bedeutet wie: »Wasser mit Zähnen«.

Kurz vor Mitternacht war unser Zug wieder bereit, das Dorf zu verlassen. Ich war vollständig betrunken, torkelte aus dem Saloon, wankte durch die Straßen, stolperte über quiekende Schweine und brüllte mit erhobener Faust:

»Viva Ché, Ché Viva!«

Dann hörte ich eine Stimme hinter mir sagen:

»Hey, Stupido Americano!«

Als ich mich umdrehte, hatte ich sechs grobschlächtige Militärbullen vor mir, die M 16 im Anschlag.

»Du hältst die Klappe. Du steigst in den Zug, oder wir bringen dich um.«

Auf einmal machte Martin Luther King Sinn.

Obwohl ich nicht gegen die Ideologie der Black Panther Party bin, selbst wenn ich damit respektlos umgehe, haben die Veränderungen, die die Bürgerrechtsbewegung erkämpft hat, in den USA überlebt. Die Black Panther Party hat uns nur ein Erbe hinterlassen (und, o.k., eine Frühstückseinrichtung, die jetzt von der Regierung kontrolliert wird), auf das sich zukünftige Generationen junger Radikaler stützen können, ein Modell dafür, was man im revolutionären Kampf tun und lassen sollte.

***

Der Essay zu dieser Compilation beginnt lustigerweise mit einer Geschichte über den provokanten Bobby Seale, wie er in Begleitung von 30 bewaffneten Black Panthers die Marmorstufen des Capital Building in Sacramento hinaufstürmt, während der Gouverneur, der faltige Ronnie Raygun, vor 200 Zuhörern eine Ansprache hält. Damals wurde gerade für Kalifornien ein Anti-Waffen-Gesetz in Erwägung gezogen, man sagt, wegen dieser neuen Züchtung von Oakland Negroes. Die Panthers waren gekommen, um für ihr Recht auf Waffenbesitz zu demonstrieren. Sie stürmten den Sitzungssaal. Die dramatischen Bilder von bewaffneten Schwarzen in Lederjacken und Baskenmützen, die schockierten kalifornischen Gesetzemachern die Stirn boten, gingen damals um die ganze Welt.

Im Essay wird jedoch nicht erwähnt, dass Bobby Seale, wie er in dem Dokumentarfilm »All Power to the People« von Lee Lew Lee erzählt, sich in den weiten Hallen des Capital Building verirrt hatte. Rein zufällig hatte er irgendeine Tür geöffnet und versehentlich besagten Sitzungssaal betreten. Eine medienwirksame »Heldentat« war gar nicht geplant. Er wusste einfach nicht, wo es lang ging.

Als man mir dieses CD-Set gab, damit ich darüber schreibe, war ich zuerst ziemlich skeptisch, besonders, nachdem ich gelesen hatte, welche Künstler für die Compilation ausgewählt worden waren. Die Last Poets zum Beispiel waren nicht mit der sozialistischen Ideologie der Panthers einverstanden. Die Last Poets waren Black Cultural Nationalists und sind es noch immer - eine Ideologie, die Huey Newton für »reaktionär« und »konterrevolutionär« hielt. »Cultural nationalism«, sagte er in dem Buch »The Black Panthers Speak«, herausgegeben von Philip Foner, »oder Schweine-Kotelett-Nationalismus, wie ich ihn manchmal nenne, ist im Grunde ein Problem der falschen Sichtweise. Er scheint eher eine Reaktion als eine Antwort auf politische Unterdrückung zu sein. Die Cultural Nationalists wollen zur alten afrikanischen Kultur zurück, um so ihre Identität und Freiheit wiederzugewinnen. Mit anderen Worten: Sie dachten, dass die afrikanische Kultur automatisch politische Freiheit mit sich bringt.«

Abiodun Oyewole von den Last Poets, sagt dazu in einem Interview in meinem Buch »That's Blaxploitation«: »Eine Sache, die wir als Gruppe verkündet haben, ist, dass wir Nationalisten sind, und damit hat's sich. Wir kommen nicht aus so einem marxistisch-leninistischen Ding ..., wir sind strikte Nationalisten, und Marxismus/Leninismus war immer etwas, wo man schrecklich viel Zeug lesen musste, und viele Leute wollten bei keiner Revolution mitmachen, die in Deutschland 1850 stattfinden sollte, und fragten sich: Was hat das mit Amerika von 1969 zu tun?« (Seltsamerweise sieht sich Abiodun als Yoruba - ein Volk, das zweifellos seine Vorfahren zuallererst als Sklaven verkauft hat. Aber das nur ganz nebenbei.)

Außerdem war ich skeptisch, weil einige Künstler fehlten, die eigentlich dazugehört hätten. Ich hatte mit The Lumpen & The Revolutionary Messengers gerechnet und mit der BPP's Motown-Style R&B Group. Aber sie sind nicht dabei. Es ist sogar möglich, dass sie nie Aufnahmen gemacht haben. Ich weiß es nicht. Ich sehe auch nicht Tower of Power, eine weiße Funk-Band aus Oakland (großer Hit: »What is hip?«). Die haben die Panthers unterstützt und für ihre Community-Programme und ihre politischen Gefangenen Benefizkonzerte gegeben. Erstaunlich ist auch, dass Bob Dylan fehlt. Huey Newton war ein großer Fan seiner Musik; obwohl ich mir natürlich vorstellen kann, dass es schwierig sein wird, hierfür die Rechte zu bekommen. MC 5 aus Detroit sind nicht dabei. Sie waren mit der Schwesterorganistation der BPP, der White Panther Party unter John Sinclair, assoziiert und stehen für den Beginn des Punk. Es gibt auch keine Stücke aus der Platte »America Eats Its Young« der extrem politischen, wenn auch von Drogen umnebelten Band Funkadelic. Wer aber wirklich fehlt, ist Elaine Brown.

Als Huey Newton und Bobby Seale wegen verschiedener Delikte im Gefängnis saßen, übernahm Elaine die Parteiführung. 1969 brachte sie eine Platte mit Folk Songs bei Vault Records heraus. In seinem Buch »Black Talk« sagt Ben Sidran über ihr Album: »Es ist erstaunlich, dass eine Organisation, die laut eigener Aussage die wichtigste Stimme für das schwarze Ghetto sein soll, es bisher nicht geschafft hat, das an sich schon revolutionäre Medium Schallplatte für sich in Anspruch zu nehmen. Warum wurde dieses Medium so schlecht genutzt? Die LP, äußerst dogmatisch, zeigt, dass hier nicht erkannt wurde, dass schwarze Musik in Amerika an sich schon revolutionär ist.«

Es kann sein, dass Ms. Brown fehlt, weil es wegen des Gerüchts über ihre Arbeit für die CIA einen Bruch mit der BBP gegeben hatte. Laut Cointel-Pro (counter intelligence programme) war derartige Propaganda in der Partei weit verbreitet. Oder eben doch, weil, wie Sidran es sagt, ihre Platte »scheiße« war.

Offensichtlich habe ich ungewöhnlich viel Zeit damit verbracht, das Booklet der CD zu lesen, daran rumzunörgeln und Fehler zu finden. Man wird der Geschichte der Schwarzen in den USA und ihrem Kampf ums Überleben und für Selbstbestimmung eben nicht gerecht, indem man die BPP romantisiert. Es ist nicht verständigungsfördernd und wird die Unwissenden nur verwirren. Essays wie diese führen dazu, dass irregeleitete europäische Kommunisten, wie der, dem ich gerade in Italien begegnet bin, mir alberne Fragen stellen wie: »Wann fangen die Schwarzen endlich mit der Revolution an?«

Darauf hatte ich nur eine Antwort: »Wenn du auf die Schwarzen in den USA wartest, dass sie die Revolution machen, dann ist dein Arsch in Schwierigkeiten!«

Doch als ich dann schließlich eines Nachts dazu kam, die eigentliche Musik zu hören, musste ich feststellen, dass sie wirklich supergut ist. Und warum? Weil die Stimmung und der Geist der Black-Panther-Ära eingefangen wurde. Ich habe mich in die damalige Zeit zurückversetzt gefühlt. Ich übertreibe nicht, ich war dort. Viele Stücke klingen, als ob sie auf den Soundtrack eines Blaxploitation-Films gehören.

Aber wenn es euch interessiert: Das wirkliche Juwel des Samplers ist die Nummer 13 auf der ersten CD. Es ist ein Kinderchor, der sich Ghetto Reality nennt und von einem dumpfen Piano begleitet wird, und der Chor singt eine Hymne auf den King of Soul: »His hair is slick and shiny! James Brown!!« Das Lied ist ein wahres Wunder.

Diverse: »Black & Proud: The Soul of the Black Panther Era« (Trikont/Indigo)