Offensive gegen die kommunistische Guerilla

Eine Regierung sieht rot

Die philippinische Präsidentin hat eine Offensive gegen die kommunistische Guerilla NPA begonnen. Auch die zivile Opposition und die verarmte Bevölkerung sind von staatlicher Repression bedroht.

Kreative Methoden« müssten nun im Krieg gegen die Guerillabewegung New Peoples' Army (NPA) benutzt werden, verkündete der philippinische Generalstabschef Benjamin Defensor Anfang Oktober. »Meine Truppen sollen alles und jedes anwenden, was im Kampf gegen die Kommunisten hilft.«

Die Militäroperation Gordischer Knoten, bei der am Sonntag der letzten Woche in Pampanga fünf NPA-Kämpfer erschossen wurden, ist nur ein Teil der staatlichen Offensive. Auf dem Programm stehen neue »Sicherheitsgesetze«, und obwohl die Regierung entsprechende Absichten bestreitet, fürchten Menschenrechtsgruppen und linke Organisationen, dass auch der Aufbau paramilitärischer Einheiten zu Defensors »kreativen Methoden« zählt. Paramilitärs begingen in ihrem religiös verklärten Antikommunismus schon in den achtziger Jahren unvorstellbare Grausamkeiten an allen, die ihnen rot erschienen.

Die Offensive richtet sich auch nicht allein gegen das maoistische Bündnis NDF (National Democratic Front), dem die Kommunistische Partei (CPP) und ihr bewaffneter Arm, die NPA, angehören. »Ich bin entschlossen, eine starke Republik zu errichten, indem ich dem Terrorismus und dem Verbrechen das Rückgrat breche«, verkündete die philippinische Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo in ihrer jährlichen Regierungserklärung im Juli. Nur so könne das erschütterte Vertrauen der Wirtschaft wieder aufgebaut werden. Also rief Arroyo zum Krieg gegen das Glücksspiel und die Entführungsbanden, gegen Schmuggler und Drogenhändler ebenso auf wie zum Kampf gegen die radikale Opposition. »Kriminelle sind Kriminelle«, so Arroyo, »ob sie von der üblichen Art sind oder aber im Namen ihrer politischen Ziele töten.« Am 5. August erklärte sie der kommunistischen Bewegung den »allumfassenden, unerbittlichen Krieg«.

Die NPA ist auf fast allen Inseln der Philippinen aktiv und verfügt immer noch über eine beträchtliche Unterstützung in der Bevölkerung. Sie konnte die Zahl ihrer Bewaffneten seit dem Jahr 1995 von 6 000 auf über 11 000 erhöhen. Das Militär geht davon aus, dass im ganzen Land 2 262 Dörfer unter dem Einfluss der NPA stehen, fünfmal so viele wie 1995. Und dieser Einfluss dürfte wachsen. Denn »solange wir eine Gesellschaft haben, in der die Hälfte arm ist, die Hälfte hungrig und die Hälfte unterdrückt, bleibt die Grammatik des Aufstands bestehen«, schrieb der Kolumnist Teodoro Benigno.

Auf die Kampfansage Arroyos reagierte die CPP in den letzten zwei Monaten mit einigen Angriffen auf Stromleitungen, Telefonstationen und Bauplätze. Sie kündigte zudem die Reaktivierung von 150 »Liquidationseinheiten« an, die gegen Soldaten und Politiker eingesetzt werden sollen.

Im Kampf gegen die kommunistische Guerilla kann die philippinische Regierung auf die Unterstützung der USA rechnen. Die Militärverbände, die gerade noch im Rahmen der als Manöver deklarierten sechsmonatigen Operation «Balikatan« (»Schulter an Schulter«) mit der US-Armee in den Südphilippinen die Abu-Sayyaf-Gruppe bekämpft haben (Jungle World, 14/02), werden in die Hochburgen der NPA auf der nördlichen Hauptinsel Luzon verlegt. Ab Mitte Oktober wird das US-Militär im Rahmen von »Balikatan 2« für vorerst neun Monate behilflich sein.

Kurz nach seiner Südostasienreise Anfang August, auf der er mit den Asean-Staaten einen »Anti-Terror-Pakt« geschlossen hatte, setzte der US-Außenminister Colin Powell die CPP und die NPA auf die Liste der ausländischen Terrororganisationen. »Die CPP will die philippinische Regierung durch einen Guerillakrieg stürzen und lehnt jegliche amerikanische Präsenz auf den Philippinen entschieden ab«, so die Begründung. 55 Millionen Dollar sagte Powell der Regierung für ein »Hilfspaket zur Terrorismusbekämpfung« zu. Mittlerweile haben neben der US-amerikanischen Regierung auch die niederländische und britische die Konten der CPP sperren lassen.

Ob eine bewaffnete Revolution noch der richtige Weg ist, die Gesellschaft zu befreien, darüber ist die philippinische Linke zerstritten. Eine terroristische oder kriminelle Vereinigung wie die Abu Sayyaf-Gruppe ist die NPA jedoch nicht, zahlreiche im ganzen Land aktive Basisorganisationen unterstützen die politischen Ziele der Bewegung. Solche Basisorganisationen, aber auch radikale Oppositionsgruppen und progressive Einzelpersonen, die mit der NPA nichts zu tun haben, werden zum Objekt der staatlichen Repression.

»Der Trend scheint zu sein, die Unterschiede zwischen Terrorismus und Kriminalität, Rebellion und Banditentum, politischer Arbeit und Rowdytum, politischen Überzeugungen und religiösem Fundamentalismus zu verwischen«, so formuliert es der Journalist Sonny Africa. Im letzten Jahr sind 39 Funktionäre der Parteiliste Bayan Muna und des Netzwerkes Bayan vom Militär und von der Polizei ermordet worden, alle 39 wurden zuvor von den Sicherheitskräften als SympathisantInnen oder gar KämpferInnen der NPA bezeichnet. Militär und Polizei dürften Arroyos Botschaft als Freibrief verstehen, noch härter gegen die radikale Linke vorzugehen.

»Wer ist als nächstes dran?«, fragt Ric Reyes, einst ein leitender Kader der CPP und heute der Präsident der radikaldemokratischen Parteiliste Akbayan, die die Präsidentin noch zu den »guten Kommunisten« zählt, die ihren Krieg nicht zu fürchten hätten. Doch Arroyo hat selbst radikale Gewerkschaften zu ihren Gegnerinnen erklärt: »Wir werden auch gegen jene Krieg führen, die Fabriken terrorisieren, die Arbeitsplätze schaffen.«

Die Bezeichnung politischer GegnerInnen als »terroristisch« kann zur Folge haben, dass ihnen die zivilen Grundrechte entzogen werden. Mittlerweile liegen zehn Entwürfe für ein Antiterrorgesetz vor, dessen Verabschiedung für Arroyo höchste Priorität hat. Sie ähneln einander in der Absicht und im Ausmaß; sie sehen Verhaftungen und Internierungen ohne Haftbefehl bis 72 Stunden vor, erleichtern die Überwachung der Kommunikation und stellen die »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« sowie die nicht näher spezifizierte »Beihilfe« zu terroristischen Akten unter Strafe. »Sollte einer dieser Entwürfe im Parlament Bestand haben«, so Djorina Velasco vom Institute for Popular Democracy, »besteht dann keine Notwendigkeit mehr, das Kriegsrecht zu erklären, denn der Rechtsweg wäre ohnehin außer Kraft gesetzt.«

Arroyos »starke Republik« richtet sich aber auch gegen Menschen, die von der Armut zu illegalen Aktivitäten gezwungen werden. Sie hat dem Oberverwaltungsdirektor der Hauptstadtregion Metro Manila ihre volle Unterstützung bei dessen Kampagne gegen illegale StraßenhändlerInnen zugesagt. Er hatte die Polizei angewiesen, die Waren der StraßenhändlerInnen mit Kerosin anzuzünden, um sie von den Gehsteigen zu vertreiben. Zur gleichen Zeit lässt er Landbesetzer mit Tränengas vertreiben und ihre Hütten abreißen.

Kein Tag vergeht, an dem Arroyo sich nicht in den Medien als Kämpferin gegen die Kriminalität präsentiert. An einem Tag ist sie dabei, wenn in der Hauptstadt ein Drogenlabor ausgehoben wird, am nächsten macht sie eine Entführerbande in der Nachbarprovinz Bulacan dingfest. Die organisierte Kriminalität allerdings, in die nicht selten einflussreiche PolitikerInnen, Geschäftsleute, Polizisten und Militärs verwickelt sind, floriert weiter.

Arroyo betreibt bloße symbolische Politik, nicht zuletzt, weil der Wirtschaftsaufschwung auf sich warten lässt. Hohe Strompreise ließen die Beliebtheitswerte der Präsidentin im Juni sinken. Nun sollen die Kriminalitätsbekämpfung und der Krieg gegen die Guerillagruppen die Bevölkerung für die Regierung gewinnen. Ein bislang erfolgreiches Konzept, denn 63 Prozent der Bevölkerung sind mit der US-Intervention gegen die Abu-Sayyaf-Gruppe zufrieden. Die Hälfte der Bevölkerung begrüßt es, wenn die Armee nun auch gegen die NPA eingesetzt werden soll. Auch die Anwendung »kreativer Methoden« bei der Kriminalitätsbekämpfung ist populär.

Im Juli berief Arroyo Rodrigo Duterte zum Leiter der Nationalen Beratungskommission gegen das Verbrechen. Duterte, der Oberbürgermeister der drittgrößten Stadt Davao, schließt auch »extreme Maßnahmen« wie außergerichtliche Hinrichtungen nicht aus. In den letzten fünf Jahren wurden mindestens 80 Verdächtige auf den Straßen Davaos von Todesschwadronen ermordet. Taschendiebe wurden von Duterte persönlich im Rathaus mit einem Gürtel oder einem Kuhschwanz geschlagen.

Da die Verbrechensrate allein in den letzten sechs Monaten um 18 Prozent gestiegen ist, die Strafverfolgungsbehörden inkompetent sind und wohlhabende Täter sich leicht freikaufen können, findet die harte Linie Anklang. »Die Menschen können sich nicht auf das Rechtssystem verlassen, also verlassen sie sich auf Duterte«, so der ehemalige Gouverneur von Misamis Oriental, Homobono Adaza.

Die philippinische Oligarchie kann der Bevölkerung keinen Wohlstand mehr versprechen. So wird die »Sicherheit« zum einzigen Gut, das der Staat seinen BürgerInnen noch bieten kann. Doch die »kreativen Methoden« der Sicherheitspolitik bedrohen nicht allein Oppositionelle und in die Illegalität gedrängte Arme. Sie begünstigen auch die Bandenbildung im Staatsapparat und in seiner Umgebung und folglich den weiteren Zerfall der Gesellschaft. Arbeit ohne Sozialstandards, lokale Warlords, Paramilitärs und organisierte Kriminalität sind nur verschiedene Erscheinungsformen derselben Misere.