Referendum im Irak

Die Stunde der Demokraten

Da staunt der Diktator, der Militärmachthaber wundert sich. Mit 100 Prozent Zustimmung hat Saddam Hussein am Dienstag der vergangenen Woche im Referendum über die Fortsetzung seiner Herrschaft um weitere sieben Jahre als erster die totale Mehrheit errungen. Das Ergebnis lässt zumindest an Ehrlichkeit nichts zu wünschen übrig, galt doch bislang bei Scheinwahlen das ungeschriebene Gesetz, der Form halber wenigstens ein halbes Prozent als ungültig zu werten.

Genügend Wahlhelfer standen bereit, um dem im Zustand künstlicher Unwissenheit und Armut gehaltenen Volk bei der Stimmabgabe zu helfen. Sorgsam wurden die Wahlscheine vor der Stimmabgabe auf ihre Richtigkeit überprüft und mit den Meldelisten der Sicherheitsdienste verglichen. Des Schreibens Unkundige und besonders Überzeugte bekundeten ihre Zustimmung mit Blut. Wer der Wahl fernbleiben wollte, musste mit dem Entzug der Lebensmittelrationen rechnen. Und wer an diesem Tag versuchte, ein Ferngespräch zu führen, der bekam anstelle des Freizeichens ein Wahlkampflied zu hören: »Alle Iraker singen froh: Saddam ist der Stolz meines Landes.«

Kein Wunder, dass die beherzte Kampagne für mehr Demokratie bei der beobachtenden deutschen Presse gut ankam. Denn Deutsche sind wohl gelitten in Bagdad, wo ihnen »noch immer zum Wahlsieg Gerhard Schröders gratuliert wird«, weiß die FAZ zu berichten. Während des Besuchs einer deutschen Delegation habe der Vizepräsident Tariq Aziz am Freitag die deutsche Regierung als »mutig und prinzipienfest« gelobt.

So wartete vergeblich, wer sich wenigstens anlässlich der absurden Wahlen im Irak eine Kritik der Bundesregierung an der Baath-Partei und ihrem Führer erhofft hatte. Und auch die notorischen Vertreter der Zivilgesellschaft blieben stumm. Längst werden die deutschen Vorbehalte gegen einen Sturz der Diktatur im Irak richtig gewertet als Unterstützung Saddam Husseins. Und er ist es gewohnt, dass Zustimmung sich als Schweigen zu seinen Verbrechen äußert.

Weil aber nicht nur Kritik, sondern auch Glückwünsche zum Wahlerfolg ausblieben, gratulierte sich die irakische Regierung kurzerhand selbst. In einem Telegramm, gab die irakische Nachrichtenagentur bekannt, erklärte der Vorsitzende des Revolutionären Kommandorates, die Wahl sei ein weiterer »Sieg gegen den Zionismus und den US-Imperialismus« und die Iraker hätten »ihre absolute Liebe zu Saddam Hussein bewiesen«.

Wie es mit dieser Liebe in Wirklichkeit bestellt ist, zeigen die Ergebnisse im kurdischen Nordirak. Ganze 1,8 Prozent der Befragten stimmten in einer repräsentativen Umfrage der Iraqi Foundation for Democracy für Saddam Hussein. Vorgelegt wurde der gleiche Wahlschein wie beim Referendum, lediglich die Stimmabgabe mit Blut schied aus. Dieses Ergebnis wird in den angekündigten Wahlen im Nordirak bestätigt werden. Dort wird Saddam nicht als Kandidat antreten, denn die Tatsache, dass die Kurden erneut ein demokratisch legitimiertes Parlament wählen wollen, gilt dem Regime in Bagdad als Hochverrat.

Auf Unterstützung aus Deutschland können die Kurden daher nicht hoffen. Weder die Bundesregierung noch die deutsche Industrie haben bislang Interesse an einem demokratischen Nordirak bekundet. Letztere möchte man dort auch gar nicht haben. Der Kontakt zur deutschen Wirtschaft bestand bislang vor allem in Form abgeworfener Giftgasgranaten aus deutschen Produktionsanlagen. Auf Delegationen wartet man an den Orten der Vernichtung bis heute vergebens.