Bush untersagt Streiks

Stau auf hoher See

US-Präsident George W. Bush ließ den Streik in den Häfen der Westküste gerichtlich unterbinden. Doch der umstrittene Eingriff kann den Arbeitskampf nur verzögern.

Bis jetzt erfüllt das Produktionsniveau unsere Hoffnungen und Erwartungen nicht«, sagte John Pachtner vom Unternehmerverband Pacific Maritime Association (PMA) und zeigte sich enttäuscht. Auch eine Woche nachdem der US-Präsident George W. Bush am 9. Oktober nach zehn Tagen Arbeitskampf die Öffnung von 29 Häfen an der Westküste gerichtlich erzwungen hatte, lag die Arbeitsleistung 20 Prozent unter dem normalen Niveau.

Das sei eine Folge der angestauten Menge an Containern, sagt die International Longshore and Warehouse Union (Ilwu), die mit dem Arbeitskampf an den Docks gewerkschaftliche Mitspracherechte bei der künftigen Einführung moderner Technologien zu etablieren versucht, wegen der zahlreiche Jobs wegfallen könnten. Die PMA dagegen wittert eine inoffizielle Fortsetzung des Bummelstreiks der Beschäftigten, den sie mit einer Aussperrung beantwortet hatte.

Bush hatte den Streik unter dem Hinweis auf den Taft-Hartley Act, der es dem Präsidenten erlaubt, bei »Gefahr für die nationale Wirtschaft oder Sicherheit« in Streiks einzugreifen, für ungesetzlich erklärt. An der Westküste werden zwei Drittel der US-Importe abgewickelt, der Arbeitskampf behinderte vor allem die Einfuhren aus Asien. Zeitweilig warteten 200 Schiffe allein aus Südkorea vor der Küste auf ihre Entladung, berichten asiatische Medien. Hyundai könne deswegen 1 100 Modelle nicht abliefern. Das japanische Elektronikunternehmen Matsushita Electric Industrial Co. habe 120 Schiffe auf hoher See, deren Fracht nicht gelöscht werden könne. Bananen aus Peru vergammelten an Bord der Frachter, und die großen US-Handelsketten fürchteten, dass große Mengen Spielzeug nicht rechtzeitig für das Weihnachtsgeschäft in den Läden sein werden. Asiatische Wirtschaftsexperten prophezeiten in Südkorea und Japan Produktionsstopps in fast allen Industriezweigen, auch bei den Autoherstellern, falls der Streik nicht innerhalb der nächsten zehn Tage beendet werde. Dann seien die Lager voll.

In den USA führte der Ausstand zu chaotischen Zuständen in den Lagerhallen geführt. Dort stapeln sich zum Export bestimmte Güter, Fleisch, Obst und Weintrauben aus Kalifornien. Zwei Milliarden Dollar koste der Streik die US-Wirtschaft pro Tag. Steven Cohen, ein Professor für Regionale Planung an der Universität von Berkely, befürchtete in einem Interview in der Detroit News jedoch noch weiter reichende Auswirkungen. Die asiatischen Märkte und Währungen hätten nach zwei weiteren Streikwochen in eine »ausgewachsene Krise« stürzen können. »Es ist, als lege man einen Sumpf trocken. Plötzlich sieht man jede Menge ekelhafter Sachen.«

Es war jedoch wohl weniger die Sorge um die Konjunktur in Asien, die Bush nun zum Handeln zwang. Im November stehen die Kongresswahlen bevor, eine schlechte Versorgung hätte sich da negativ auswirken können. Aber auch nach dem politisch umstrittenen Eingriff des US-Präsidenten auf der Grundlage des zuletzt im Jahr 1979 von Jimmy Carter erfolglos gegen streikende Bergarbeiter angewandten Taft-Hartley Act ist der Streik noch nicht wirklich beendet. 80 Tage nach der Öffnung der Häfen haben die Arbeiter das Recht, in einer geheimen Abstimmung über das letzte Angebot der Unternehmer zu entscheiden. Lehnen sie ab, darf der Arbeitskampf fortgesetzt werden.

Der Taft-Hartley Act wurde 1947 zunächst gegen den heftigen Widerstand und später gegen das Veto des damaligen Präsidenten Harry S. Truman vom Kongress verabschiedet. Ein »Sklavenarbeitsgesetz« nannte Truman die Vorlage, die unter anderem den Gewerkschaftszwang aufhebt und den Unternehmern erlaubt, gegen Arbeitnehmervertreter vor Gericht zu klagen, wenn sie Tarifverträge brechen. Außerdem müssen Gewerkschaften ihre Finanzen offenbaren.

Einer der beiden Initiatoren, nach denen das Gesetz benannt wurde, war der konservative Fred Allan Hartley jr. Er wurde als »Mr. Republican« bekannt, für ihn waren Gewerkschaften ein rotes Tuch. Ein Passus, in dem es den Spitzenfunktionären verboten war, sich in Wahlkämpfen zu engagieren, wurde 1950 vom Obersten Gericht ebenso gestrichen wie die Vorschrift, dass sie erklären mussten, nicht Mitglied einer kommunistischen Organisation zu sein.

In ihrer Untersuchung aller seit 1947 mit dem Verweis auf den nationalen Notstand gesetzlich beendeten 32 Streiks kommen die Professoren Michael H. LeRoy und John H. Johnson IV zu einem klaren Schluss. Das Gesetz sei maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Gewerkschaften an Einfluss verloren hätten. Die öffentliche Unterstützung der Ausstände sank rapide, die Arbeitnehmervertretungen wurden als ökonomisch egoistische Akteure gesehen, die dem Land nur schaden wollten.

Ähnlich wurde auch der jetzt beendete Ausstand in den Häfen beurteilt. Berichte, wonach einzelne Streikende bis 105 000 Euro im Jahr verdienten, führten schnell zu der Annahme, hier habe man es mit Leuten zu tun, die den Hals einfach nicht voll bekämen und denen die wirtschaftlichen Folgen ihrer Aktionen egal seien. Dass solche Gehälter die Ausnahme sind, konnten die Gewerkschaften nicht deutlich machen.

LeRoy und Johnson IV weisen schließlich nach, dass die Globalisierung und der technologisch bedingte Verlust von Arbeitsplätzen die Macht der Gewerkschaften deutlich schwächen. Im Vergleich zu den siebziger Jahren sei die Zahl der Streiks zwischen 1990 und 1999 um 90 Prozent gesunken, »dabei hätten es, gemessen an der Arbeitslosenquote, weit mehr sein müssen, denn üblicherweise steigen in solchen Zeiten die Unterstützung für die Arbeiternehmervertretungen und der Streikwille«. Insgesamt gebe es nun keinen Grund mehr, den Taft-Hartley Act nicht umgehend abzuschaffen.

Entscheidet sich eine Gewerkschaft für den Arbeitskampf, bedeutet der Taft-Hartley Act nur eine Verzögerung; 30 Prozent aller gerichtlich ausgesetzten Streiks wurden nach 80 Tagen wieder aufgenommen. Darauf verweisen derzeit auch die Hafenarbeiter, die Anfang Januar wieder streiken dürfen. Und Experten meinen, dass beide Seiten »den Ausstand ohne finanzielle Probleme mindestens fünf Monate lang« führen könnten.