Irakpolitik der USA

Weihnachten in Bagdad

Trotz diplomatischer Zurückhaltung im UN-Sicherheitsrat ist die US-Regierung zum Eingreifen im Irak entschlossen. Bloß über die Nachkriegsordnung muss noch nachgedacht werden.

Für Safaa Mahmoud, den Repräsentanten des schiitisch-irakischen Oppositionsbündnisses Oberster Rat der Islamischen Revolution (Sciri) in Europa, ist die Zeit im Wiener Exil beinahe abgelaufen. Das glaubt er jedenfalls. »Bis Weihnachten könnte alles erledigt und ich wieder in Bagdad sein«, sagt der Maschinenbauingenieur, der seit 1983 die europäische Lobby für eine der relevanten irakischen Oppositionsgruppen organisiert. Denn er rechnet mit einem Sturz Saddam Husseins noch in diesem Jahr. »Die Amerikaner werden auch ohne den Sicherheitsrat losschlagen, und wir sind schon längst bereit, um gemeinsam mit den anderen oppositionellen Gruppierungen nach Bagdad zu marschieren und Saddam Hussein zu stürzen«, sagte Mahmoud im Gespräch mit der Jungle World. Erst in der letzten Woche dekretierte der US-Präsident George W. Bush auch ein straffes Trainingsprogramm für irakische Oppositionelle. Bis zu 5 000 von ihnen sollen militärisch ausgebildet werden, ein Vorhaben, das immerhin 92 Millionen US-Dollar kostet.

Immerhin »mehr als 15 000 Männer« hat die Sciri, die vor allem von der schiitischen Bevölkerungsgruppe im Süden des Landes unterstützt wird, unter Waffen, eine nicht zu unterschätzende Streitmacht also, die sich nicht unbedingt mit US-amerikanischen Plänen zur Kolonisation des Irak abgeben möchte. »Die USA sollen die Elitetruppen Saddam Husseins bombardieren, wir werden am Boden gegen sie vorgehen. Allerdings sind wir gegen Pläne der USA, ein Militärregime im Irak zu errichten, das unter der Aufsicht der Amerikaner steht«, so Mahmoud.

Es ist wohl eine der Lehren aus dem Kosovo-Krieg, dass Aufständische ohne Luftwaffe einfach die US-Air Force rufen können. Doch nach den Bombardements sollen die oppositionellen Gruppierungen wieder auf sich allein gestellt sein, der Leiter des US-Zentralkommandos, Tommy Franks, soll nach den Wünschen der Opposition nicht als Chef eines US-Militärregimes im Irak fungieren.

Dabei sind diese US-Pläne gerade erst bekannt geworden. Sie orientieren sich an den amerikanischen Erfahrungen in Deutschland und Japan nach 1945. Doch die Sache könnte letztlich am Personal scheitern: »In Deutschland konnten die USA wieder jene Politiker an entscheidende Positionen setzen, die schon in der Weimarer Republik politische Posten innehatten. In Irak wird das nicht funktionieren, weil es eine solche Politikergeneration schon wegen der langen Regierungszeit von Saddam Husseins Baath-Partei seit 1968 nicht mehr gibt«, meint der US-amerikanische Sicherheitsexperte John Pike im Gespräch mit der Jungle World. Außerdem, so der Leiter des in Washington tätigen Sicherheitsunternehmens Globalsecurity, fehle es im Irak an einer Integrationsfigur, die so wie der ehemalige König Zahir Schah in Afghanistan alle Bürger an die guten alten Zeiten erinnere.

Bereits Mitte November wollen sich die Führer der wichtigsten irakischen Oppositionsbewegungen - darunter auch die Vertreter der Kurden im Norden - in Wien oder Brüssel treffen, um am grünen Tisch »Nation Building« zu betreiben. Aber über vieles haben sie sich offenbar schon verständigt. »Wir wollen für ein Jahr eine Übergangsregierung, in der alle wichtigen ethnischen und politischen Gruppierungen vertreten sind, danach soll es Parlamentswahlen geben«, so Mahmoud. Offenbar um die USA nicht zu verschrecken, soll der iranische Einfluss auf die Schiiten im Irak - das Oberhaupt der Sciri, Scheich Ayatollah Muhammad Baqr al-Hakim residiert in Teheran - nicht weiter gefördert werden.

Auch ein Export des iranischen Modells einer islamischen Republik ist zumindest nach Mahmouds Worten ausgeschlossen. »Wir werden ein säkularer Staat, es wird auch keine Einführung der Sharia geben. Schließlich leben bei uns nicht nur Moslems.« Außenpolitisch schwenken die von Teheran finanzierten Oppositionellen ebenfalls schon auf die Linie der USA ein und wollen das Existenzrecht Israels anerkennen. »Die Irakis haben wichtigere Probleme als die Frage der Palästinenser. Und wir können nicht palästinensischer als die Palästinenser sein«, sagt Mahmoud.

Die politische Mäßigung der Schiiten im Irak ist für die USA von entscheidender Bedeutung, denn sie könnten eine Schlüsselrolle spielen, wenn Washington ansetzt, auch den Rest der so genannten Achse des Bösen zu beseitigen. So hat Pike keine Zweifel daran, dass der Irak nur ein Probelauf für weitere Attacken der USA sein wird: »Der Irak ist das leichteste Ziel, diplomatisch völlig isoliert und auch militärisch vollkommen unterlegen.« Nach dem Krieg ist vor dem Krieg?

Der neueste US-amerikanische Resolutionsentwurf zum Thema Irak, der die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates finden soll, sieht indes weiterhin vor, dass die USA berechtigt sind anzugreifen. Der Sicherheitsrat selbst soll demnach nur noch einmal konsultiert werden, fürs völkerrechtliche Protokoll eben.

Die UN-Waffeninspektoren dürften dann keine Rolle mehr spielen, denn sie würden den US-amerikanischen Zeitplan gehörig durcheinander bringen. »Meiner Ansicht nach werden die Waffeninspektoren den Irak nicht mehr wieder sehen«, meint Pike. Das nämlich würde auch den weiteren Krieg gegen die »Achsenmächte des Bösen« stören. »Solange die Amerikaner von Bushs Reden zum Kampf gegen den Terror nicht gelangweilt sind, wird er das Thema forcieren. Bis jetzt sind die Amerikaner nicht gelangweilt.«

Auch die schiitische Opposition will den Umsturz so schnell wie möglich hinter sich bringen, ohne Inspektoren: »Saddam Hussein spielt nur mit den Inspektoren, es hat keinen Sinn, dass sie zurückkommen«, mutmaßt Mahmoud.

Er verweist auch auf die angeblich engen Kontakte zwischen Saddam Husseins Regime und der al-Qaida Ussama bin Ladens. »Es gibt insgesamt zwei al-Qaida-Trainingslager im Irak, eines im Norden und eines im Süden.« Womit der Missing Link zwischen dem »Kampf gegen den Terror« und dem Kampf gegen Saddam Hussein gefunden sein dürfte.

Die USA können zufrieden mit der Opposition sein. Denn was die CIA und andere US-Geheimdienste bisher nicht zu konstruieren imstande waren, besorgen nun die Gegner Saddams selbst.

Das gesamte Interview mit Safaa Mahmud finden Sie im Internet unter http://www.weltpolitik.tk