Symposium über Stars und Diven

Du bist mein Star

Es werden immer mehr Promis produziert. Aber die Diven bleiben auf der Strecke.

Ein Star zu werden, ist nicht schwer. Am wenigsten in Deutschland. Bekanntlich muss man nur wie Zlatko Shakespeare nicht kennen, wie Gina »Sex ist ihre Passion« Wild den Weg aus der Pornobranche direkt in die Arme Guido Westerwelles finden oder wie Jenny Elvers einfach Jenny Elvers sein. Und schon ist man ein Star, jemand, den alle kennen, den man auf seiner Party haben möchte und wegen dem man sich heimlich Klatschblätter kauft.

Doch irgendwie scheint etwas verloren gegangen zu sein. Dass inzwischen wirklich jeder seine 15 Minuten Berühmtheit bekommen kann, indem er Kandidat in einer Quizshow wird, und die Demokratisierung des Starwesens also voranschreitet, scheint auch wieder nicht recht zu sein. Jenny Elvers ist dafür berühmt, berühmt zu sein, Verona Feldbusch und Naddel sind vor allem wegen ihrer Beziehungen zu Deutschlands derzeit größtem Superstar, Dieter Bohlen, bekannt, und auch all die anderen Sternchen, Teppich- und Boxenluder, die wenigstens einmal in ihrem Leben genug Stoff für einen Aufmacher in Bild lieferten, lassen es anscheinend vor allem an einem vermissen: an wahrer Leistung.

So hörte man es zumindest auf dem Symposium »Diven - Stars - Ikonen«, das in der vergangenen Woche in der Berliner Akadademie der Künste stattfand. Vor allem den deutschen Stars fehlt es also an den deutschen Tugenden.

Ohne Fleiß kein Preis, das gilt auch für Busenwunder und ehemalige Containerbewohner. Wer es dann aber doch ohne Fleiß zu einer gewissen Bekanntheit bringt, also ein Star ohne ehrlich erarbeitetes Werk ist, den dürfe man ja wohl höchstens zu den »People« zählen, was so ungefähr das Gegenteil von »Diva« ist. Davon war zumindest der Referent Fred Sellin überzeugt, der soeben eine Biografie über Boris Becker veröffentlichte. Da setzte Beate Wedekind, die ehemalige Chefredakteurin der Bunten, die heute als Beruf Eventmanagerin angibt, noch eins drauf, als sie meinte, ein wahrer Star könne ja überhaupt nur jemand aus der Filmbranche sein, ein Schauspieler der alten Schule. »Und was ist dann mit Boris Becker?«, wurde sie gefragt. »Der ist ein Tennisstar.« Und somit eben kein »Star«.

So und so ähnlich wurde sich, dauernd japsend nach treffenden Kategorien - wer ist Diva, wer Star, wer people? -, durch die Veranstaltung gehangelt. Die einzige, die ein genaues Bild des Stars zeichnen konnte, war Elisabeth Bronfen, die Autorin des soeben erschienenen Buches »Die Diva. Eine Geschichte der Bewunderung«. Kennzeichnend für den Star sei sein deutlicher Abstand zu anderen und seine gleichzeitige Nähe zu Todesmythen, außerdem erfülle er die Wunschprojektionen seiner Bewunderer.

Ansonsten kam Bronfen aber leider viel zu kurz. Was nun genau die Diva vom Star unterscheidet und inwieweit die Diva eine Sonderposition innerhalb des Starwesens einnimmt, konnte im Lauf der Veranstaltung nicht befriedigend geklärt werden. Die Diva wurde vielmehr zum Synonym des »echten Stars« degradiert. Und der »echte Star« ist, und darin schienen sich alle einig, natürlich jemand wie Greta Garbo, Marilyn Monroe oder Marlene Dietrich, also ein mythisches, geheimnisumwittertes Wesen, umgeben von einer Aura und äußerst charismatisch; eine scheinbar ausgestorbene Spezies.

Denn all das, was den »echten Star« ausmacht, scheint es heute, in Zeiten des durchmedialisierten Alltags der Stars, in Zeiten der »Home Stories«, in denen Heiner Lauterbach das Innere seines Kühlschranks preisgibt, nicht mehr zu geben. Das Verschwinden des Starwesens, der Niedergang der Ikone, war dann auch das Vortragsthema von Roger Willemsen, dem - na ja - Star des Nachmittags. Für Willemsen liegt das Dilemma des Stars heute darin, dass er bei allem, was er in der Öffentlichkeit tut, immer auch an die Frage denken muss: »Welches Bild gebe ich dabei ab?« Dadurch wird er befangen, leistet sich keine Extravaganzen mehr, wird stromlinienförmig und verliert seine Mehrdeutigkeit, die ja gerade Stars wie David Bowie oder Madonna so aufregend macht.

Außerdem sieht Willemsen eine Tendenz im Starwesen, die auf den Prognosen von Berti Vogts basiert, der ja schon seinerzeit vekündete: »Der Star ist die Mannschaft.« So würden immer häufiger Starkollektive auf den Titelseiten der Society-Presse landen und Boy- oder Girlgroups das Promiindividuum ablösen. Was nicht ganz stimmt, da es sich um die Rückkehr der Gruppe handelt, die bereits in den Sechzigern, man denke nur an die Beatles oder die Monkees, als Stareinheit beschworen wurde.

Auf dem Symposium wurde nur wenig Falsches, aber viel Langweiliges gesagt. Vor allem von Fred Sellin, der eifrig darauf hinwies, dass Anna Kournikowa noch nie ein Turnier gewonnen habe und dennoch mehr verdiene als die meisten im Tenniszirkus, dass niemand den letztjährigen Nobelpreisträger für Medizin kenne, aber jeder Naddel. Was, so seine höchst erstaunliche Erkenntnis, an den Medien liege. Die Medien machen Stars, die Medien vernichten Stars. Ach, wirklich?

Bei einer derartigen Einfältigkeit drängte sich eine Frage förmlich auf: Und wo bleiben die Fans? Haben sie etwa nichts mehr zu sagen? Die in Starfragen äußerst bewanderte Julie Burchill schrieb vor gut 20 Jahren: »Der Fan eines Aushilfsstars aber hat Macht - wenn er und andere seinesgleichen nicht länger lauschen/lachen/kaufen, bleibt dem verklärten Niemand nichts, denn wenn er aufhört zu gefallen, hört er auf zu existieren.« Und das soll heute nicht mehr gelten?

Zumindest so einfach wie Sellin kann man es sich nicht machen. Die Medien agieren ja nicht im luftleeren Raum, sondern müssen sich, besonders was den Boulevard betrifft, immer wieder der Masse vergewissern. So handeln sie quasi als Starmacher im Auftrag der Masse.

Dass die Medien dennoch eine mächtige Instanz in Starfragen sind, ist unbestritten. Doch umgekehrt befinden auch sie sich in einem Abhängigkeirsverhältnis zu den Stars. Heike-Melba Fendel, eine ehemalige Schauspielerin und heute Leiterin der Medienagentur »Barbarella«, lieferte dann auch einen Beitrag über das Phänomen, das sie »People-Isierung« oder »Bunte-Isierung« nannte. Sie berichtete davon, dass selbst Semiprominente inzwischen zu wirklich jedem Scheiß von irgendwelchen Medien befragt würden: »Esther Schweins, was halten sie denn so von Kinderprostitution?«

Für die Konjunktur des Stars sprächen bereits die Gagen, die selbst in Zeiten der Rezession unvermindert hoch seien. Schon für Präsenzauftritte könne man eine sechsstellige Summe bekommen, z.B. das Model Mark Wahlberg, wenn er einem flauen Sektempfang etwas Glanz spendet, den die Klatschpresse braucht, um daraus eine Story zu machen.

In einer Zeit, in der alte Punkslogans wie »Kill your Idols« selbst bei Linken ziemlich aus der Mode gekommen sind, eine Ideologiekritik des Starwesens als gänzlich unglamouröse Geste wahrgenommen würde und ein Verriss des Buchs von Dieter Bohlen in der Jungle World völlig unmöglich war, kam auch auf dem Symposium kirchentagsmäßige Kritik am Starwesen erst gar nicht auf.

Doch die Frage, warum man sich jetzt mit dem Starthema auseinandersetze, konnten die Teilnehmer des Panels nur unbefriedigend beantworten. Weil es halt Spaß macht. Das war ein bisschen wenig. Dass der Star emanzipatorisches Potenzial besitzen kann, dass Madonna Frauen einiges über den Umgang mit ihrer eigenen Sexualität gelehrt hat und dass manche Mädchen wegen Kathleen Hanna, der Sängerin von Bikini Kill und Le Tigre, auf die Idee kamen, selbst eine Band zu gründen, wurde vergessen.