UN-Resolution

Die Resolution ist gut, alles andere ist Quark

Die UN-Resolution über die Rückkehr der Waffeninspektoren droht mit Konsequenzen, falls der Irak ihre Forderungen nicht erfüllt. Der US-Regierung kann sie zur Legitimation eines Krieges dienen.

Beinahe konfuzianische Freude erfasste bereits am Donnerstag der vergangenen Woche den stellvertretenden chinesischen UN-Botschafter in New York, Zhang Yishan: »Das Sonnenlicht der Einheit kündigt sich an.« Knappe 24 Stunden später verzogen sich die Wolken am politischen Firmament tatsächlich. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen konnte sich auf den Text der neuen Resolution 1441 verständigen.

Der Zeitplan sieht nun vor, dass der Irak bis zum Freitag die Resolution offiziell annehmen muss. Bis zum 8. Dezember hat das Regime Saddam Husseins eine vollständige Liste seiner nuklearen, biologischen und chemischen Waffenprogramme zu übergeben, bis zum 23. Dezember müssen die Waffeninspektoren der Unmovic und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) ihre Arbeit aufnehmen. 60 Tage später schließlich, also bis zum 21. Februar des kommenden Jahres, soll ein erster Bericht der Inspektoren die Kooperationsfreude der Irakis bestätigen. Oder auch nicht.

Dass der Irak die Resolution annehmen wird, scheint wahrscheinlich. »Obwohl die neue Resolution für den Irak natürlich unangenehm ist, scheint dem Regime die Annahme der Bedingungen noch immer als bessere Alternative zu einem Krieg«, sagt Marc Burgess, der Leiter des Washingtoner Center for Defense Information (CDI). Auch Saddam Hussein machte schon zwei Tage vor der Verabschiedung der neuen Resolution in einem Interview mit der panarabisch orientierten ägyptischen Wochenzeitung al-Usbou' Andeutungen, eine neue Resolution nicht grundsätzlich ablehnen zu wollen. »Die Zeit arbeitet für uns. Wir brauchen noch etwas mehr davon und die amerikanisch-britische Koalition wird unter der Last der Volksmeinung zerbrechen.«

Vertraut Saddam Hussein also seinen eigenen analytischen Fähigkeiten, wird er die neue Resolution akzeptieren und die Waffeninspektoren zumindest ins Land lassen. Davon geht auch Viktor Gobarev, der Direktor des US-Politinstituts Stratfor aus: »Mit 60prozentiger Wahrscheinlichkeit wird er akzeptieren. Schon jetzt haben sich Russland, Frankreich und China mit seiner Regierung in Verbindung gesetzt, um ihn davon zu überzeugen.«

Immerhin enthält die neue Resolution genaue Vorschriften, die eine Attacke der USA im Falle fortgesetzter irakischer Hinterhältigkeiten gegenüber den Waffeninspektoren schwierig, aber nicht unmöglich machen. Der Sicherheitsrat muss in diesem Fall noch einmal zusammentreten, um die Konsequenzen zu beraten. Was den Franzosen, Russen und Chinesen als ein Sieg erscheint, wird paradoxerweise auch von den USA so interpretiert: »Wenn der Sicherheitsrat sich nicht dazu durchringen kann, die in der Resolution angekündigten schwersten Konsequenzen auch zu beschließen, wird kein Mitglied des Sicherheitsrates durch diese Resoluti-on daran gehindert, selbst Schritte zu unternehmen«, sagte der US-amerikanische Botschafter bei den Vereinten Nationen, John Negroponte, nach der Abstimmung.

Die USA erachten ihre Verpflichtungen gegenüber den Vereinten Nationen schon wegen der insgesamt achtwöchigen und recht zähen Debatte um die Formulierungen in der Resolution als erfüllt. »Diese Debatte hat vor allem so lange gedauert, um die Fähigkeit der Amerikaner zur Diskussion mit dem Sicherheitsrat zu zeigen«, sagt der Politologe Burgess.

Die kritische Phase beginnt aber schon mit der 30tägigen Frist, in der eine Liste der Waffenprogramme verlangt wird. Hier wird von den Irakis absolute Vollständigkeit erwartet, und die USA haben eine Passage in die Resolution schreiben lassen, die es ihnen ermöglichen könnte, den Irak schon innerhalb dieser Frist des Unwillens zu bezichtigen. In Paragraf 4 heißt es, dass eine falsche oder nicht vollständige Liste der Waffenprogramme dem Sicherheitsrat gemeldet werden müsse.

Ein UN-Diplomat erkläutert diesen Paragrafen der Jungle World: »Es ist darin nicht festgehalten, wer von solchen Verfehlungen berichten soll. Wenn also ein künftiger amerikanischer Waffeninspektor im Team von Hans Blix meint, es fehle eine Anlage zur Waffenproduktion in der Liste, kann er selbständig den Sicherheitsrat darüber informieren. Dann hätten die USA eine Möglichkeit, ihren Militärschlag zu führen.«

Auch die Auswahl der rund 200 künftigen Waffeninspektoren ist eine sensible Sache. »Es gab in unserem Team Spione, die ihre Informationen an das Pentagon weitergegeben haben. Einige der von unserer Unscom-Mission gesammelten Informationen wurden später zur Zielauswahl bei amerikanischen Raketenangriffen auf den Irak benutzt«, erinnert sich der ehemals leitende UN-Waffeninspektor Scott Ritter im Gespräch mit der Jungle World. Hans Blix, der Leiter der Unmovic, will jetzt darauf achten, dass die Irakis sich nicht über das künftige Personal aufregen. Er erklärte das Hauptquartier in Bagdad zur agentenfreien Zone: »Wenn ich jemanden mit zwei Hüten in dem Team entdecke, ist er draußen. Ich hoffe, das ist allen klar.«

Gleichzeitig will sich Blix einen gewissen Spielraum bei der Beurteilung der Frage vorbehalten, wann eine Verletzung der UN-Resolution vorliegt, die dem Sicherheitsrat gemeldet werden müsste. »Wenn man auf der Straße ist und ein Reifen geht kaputt, ist das eine Sache. Wenn man aber auf der Straße ist und alle vier Reifen gehen gleichzeitig kaputt, ist das schon etwas anderes«, so Blix.

Den USA wäre die Variante mit den vier platten Reifen auf jeden Fall die liebste. Denn nichts Schlimmeres könnte George W. Bush und seiner Regierung passieren, als einen kooperativen und zahmen Saddam Hussein walten zu lassen, der die UN-Resolution ernst nimmt. »Für die Bush-Regierung wäre das ein Worst-Case-Szenario, weil damit diese Redundanz bei der Betonung des Kampfes gegen den Terror und die Beschwörung der Achse des Bösen lächerlich würde. Wenn Saddam Hussein kooperiert, wäre der Erzfeind plötzlich rehabilitiert. Das kann der Betrunkene im Weißen Haus nicht zulassen«, prognostiziert Scott Ritter.

Er erwartet, dass sich die US-Regierung mit allen Mitteln bemühen wird, Saddam Hussein Verstöße gegen den UN-Beschluss nachzuweisen. Auch für das irakische Regime dürfte allerdings die Versuchung, bei der Zusammenstellung der Liste etwas zu vergessen oder die Inspektoren von manchen Orten fern zu halten, recht groß sein; insgesamt 700 Anlagen gelten nach diversen Geheimdienstinformationen als potenzielle Produktionsstätten von Massenvernichtungswaffen. Die neue Resolution mit ihren freizügigen Formulierungen lässt jedenfalls allen Beteiligten genügend Möglichkeiten für ihre weiteren Schachzüge.