Ausstellung über Ken Adam

Der Schwindel des Bösen

In Berlin wird das Lebenswerk des Filmarchitekten Ken Adam ausgestellt.

Als Klaus Adam 1934 mit seinen Eltern Berlin verlässt, um nach London zu ziehen, ist er zwölf Jahre alt. Das Sport- und Modefachgeschäft »S. Adam« in einem imposanten Gründerzeitpalast muss die Familie, die zum jüdischen Großbürgertum gehört, aufgeben.

Klaus wird auf ein Internat nach Edinburgh geschickt. Nach seinem Schulabschluss lernt er in der Pension, die seine Mutter nach dem Tod des Vaters in London führt, Emigranten aus aller Welt kennen, darunter auch einige Filmschaffende. Die Welt des Films zieht ihn an, dennoch beginnt er erstmal ein Architekturstudium. 1940 meldet er sich zum Militär und wird zum Kampfflieger ausgebildet. So kommt es, dass er als einziger britischer Pilot mit deutschem Pass Einsätze gegen Deutschland fliegt.

Nach dem Ende des Krieges ändert Klaus Adam seinen Vornamen in Ken und beginnt als Zeichner bei den Londoner Riverside Studios. Was dann folgt, ist eine der ganz großen Karrieren innerhalb der Filmarchitektur. Bald ist er an internationalen Produktionen beteiligt und wird 1956 als Art Director für den Film »Around the World in Eighty Days« für den Oscar nominiert. Vier Jahre später beginnt die fast 20jährige Tätigkeit, die ihn weltberühmt machen sollte, das Production Design für die James-Bond-Filme. Der visionäre Stil, den er für den ersten Bond-Film, »Dr. No« (1960/61) entwirft, prägt alle weiteren Filme des Genres bis heute und geht weit über das hinaus, was in den Romanvorlagen Ian Flemings angelegt war.

Die Ausstellung der Arbeiten Ken Adams, die das Deutsche Filmmuseum Frankfurt im Berliner Martin-Gropius-Bau nun zeigt, umfasst nur drei Räume. Das mag angesichts der Schwindel erregenden Raumkonstruktionen der ausgestellten Filmsets etwas unterdimensioniert erscheinen, erweist sich aber als angemessen, da die (neben Filmausschnitten und Modellen) über 300 ausgestellten Originalentwürfe überraschend klein sind. Das mindert ihre Faszination jedoch nicht. Denn die Großzügigkeit, die weltläufige Eleganz und die hemmungslose, von aller Funktionalität enthobene Freiheit im Entwurf von Innenräumen sprechen aus jedem dieser maximal 30 mal 60 Zentimeter großen Blätter.

Warum sie so klein sein mussten, versteht man, wenn man die Fotos betrachtet, die Adam bei der Arbeit zeigen. Lässig am Schreibtisch sitzend, eine riesige Havanna im Mund, führt er mit großem Schwung den geliebten Flo-Master übers Blatt. Adam: »Die Erfindung des Filzstiftes war wie eine Befreiung für mich ... Letizia (seine Frau; J.M.) hat mir beigebracht, freier und natürlicher zu zeichnen ... Sie fand meine Rohentwürfe am expressivsten. Sie hat sie aus dem Papierkorb gefischt und gesagt: So musst du zeichnen. Nicht stricheln, sondern mit wildem Schwung entwerfen.«

Man versteht auch, dass dieser Stil nicht nur die technikverliebten Zukunftsvisionen der Sechziger reflektiert, sondern direkt vom deutschen Expressionismus der zwanziger Jahre beeinflusst wurde. Ken Adam sah den Film »Das Cabinet des Dr. Caligari« zwar erst in London, aber er beeindruckte ihn wie kein zweiter Film.

Entsprechend gibt es auch in seinen Ausstattungen der James-Bond-Filme nur selten den rechten Winkel, eigentlich nur im gigantischen Innenraum von Fort Knox in »Goldfinger«. Ansonsten erzeugen stürzende Linien, asymmetrisch ins Unendliche sich windende Treppen und dramatische Ausleuchtungen eine Atmosphäre aus erhabenem Schauer und existenziellem Schwindel. Stets verweigert der entworfene Raum einen zentralen Fluchtpunkt und damit eine Einordnung des Individuums in die Welt. Was bei Adams neu ist, ist seine Ästhetisierung der Technik und die kompromisslos moderne Eleganz, die seine Orte des Bösen besitzen.

Überhaupt scheint Adam zu intellektuell gewesen zu sein, um die eigentlich simplen Agentenstorys von Ian Fleming wirklich zu schätzen, aber er erkannte darin seine eigene große Chance: »Je schwächer das Drehbuch, desto mehr Freiheiten gibt es für den Production Designer. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass dieser chaotische Agentenplot eine neue Art von Design möglich machen könnte. Es eröffnete sich mir auf eine völlig neue Weise die Möglichkeit, mit Sets zu arbeiten, die ironisch waren, die überlebensgroße Dimensionen hatten und mit neuen Materialien operierten, die unser neurotisches Zeitalter zum Ausdruck bringen konnten.«

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen natürlich James Bond und die Domizile und Schaltzentralen seiner finsteren Widersacher, die die kollektiven Wohn(alp)träume der Zeit verkörpern. Blofelds anheimelnde Behausung im Inneren eines erloschenen Vulkans beispielsweise, die in doppelter Berliner Mietshaushöhe, 40 Meter hoch, aufgebaut wurde (»You Only Live Twice«, 1967). Und Stromberg bekam 1977 in »The Spy Who Loved Me« eine sich über mehrere Stockwerke erstreckende Wohnung ganz im psychedelisch-amorphen Wellen- und Ellipsendesign spendiert.

Doch nicht nur die Innenräume, auch die zahlreichen gadgets, die verspielten kleinen Superwaffen und Fahrzeuge, mit denen Q den Superagenten ausstattete, sind von Adam erdacht. Er selbst hält allerdings keinen der Bond-Filme, sondern »Dr. Strangelove or How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb« (Stanley Kubrick, 1963) für sein eindrucksvollstes Set Design, und das kann man in der Ausstellung gut nachvollziehen.

Ebenso dass Ronald Reagan sich die Weltpolitik nach diesem Film als ein großes Pokerspiel vorstellte. Der amerikanische Präsident soll nach dem Einzug ins Weiße Haus aus allen Wolken gefallen sein, als er erfuhr, dass der berühmte war room aus »Dr. Strangelove« dort gar nicht existierte. Adam: »Ich habe zwangsläufig weiter experimentiert, bis mir die Geschichte mit dem großen Dreieck einfiel: Ein runder Tisch, den wir, obwohl schwarzweiß gedreht wurde, mit grünem Filz bezogen, um eine Pokerspiel-Atmosphäre zu kreieren. So als ob die Generäle, der Präsident und der russische Diplomat um das Schicksal der Welt pokerten.«

Aber auch andere bedeutende Arbeiten Adams werden dokumentiert, insbesondere die aus seinem bislang letzten Film, der den Emigrantensohn zur Auseinandersetzung mit seinen Berliner Wurzeln zwang: »Taking Sides - Der Fall Furtwängler« (István Szabó, 2001). Andreas Michael Felten und Jörg Plenio drehten einen in der Ausstellung gezeigten und sehenswerten Dokumentarfilm über die Entstehung dieses Films.

Wer sich nach der Ausstellung in der Stimmung für den Kick der Realität fühlt, kann die wenigen Schritte zur unterirdischen Baustelle des neuen Regionalbahnhofes am Potsdamer Platz gehen. Sie liegt etwa in der Mitte zwischen dem im Krieg zerstörten Kaufhaus der Adams und der später zerstörten Villa der Familie. Dort, unter der Erde, in unmittelbarer Nachbarschaft zu verschütteten Nazibunkern und Schächten aus Zeiten des kalten Krieges, kann man sich ein wenig ergreifen lassen vom Schwindel des Bösen. Das mehrstöckige unterirdische Bauwerk hat ungefähr die Dimensionen und die rohe Anmutung, in denen sich ein auf dem Weg zur Weltherrschaft befindlicher Superschurke wohlfühlen würde. Dennoch, Blofeld hätte hier bestimmt ein gewisses Quäntchen Eleganz vermisst.

Ken Adam: »James Bond - Berlin - Hollywood. Visionäre Filmarchitektur«. Martin-Gropius-Bau, Berlin. Noch bis zum 24. Februar 2003