Ein Mann, der sich was traut
Seine Besuche werden mittlerweile schon fast zur Routine. Bereits zum dritten Mal innerhalb eines Jahres besuchte Jörg Haider Anfang November den irakischen Präsidenten Saddam Hussein oder eines seiner Doubles. Kurz vor den österreichischen Parlamentswahlen, bei denen die Freiheitliche Partei (FPÖ) mit herben Verlusten rechnen muss, scheint Haider einem prominenten Vorbild zu folgen, das zeigte, wie man doch noch in letzter Minute gewinnen kann.
Kurz nach seiner Rückkehr gab der Kärntner Ministerpräsident dem österreichischen Nachrichtenmagazin Profil Auskunft über die Motive seiner Reise, die an die Aussagen des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder über die USA und den »deutschen Weg« erinnern. Die Kriegsdrohung gegen den Irak sei »ein Versuch der USA, von inneren Problemen abzulenken und die Kriegsindustrie anzukurbeln«, erklärte Haider. »Die USA betreiben einen brutalen Imperialismus und Kolonialismus. Es geht schlicht und einfach um eine der größten Ölreserven der Welt.« Eine Meinung, die zumindest viele seiner Parteifreunde teilen.
Als er wegen seiner Reise heftig kritisierte wurde, präsentierte er sich auch noch als Friedensstifter. Er habe Saddam nur bewegen wollen, der UNO nachzugeben erklärte er lapidar. Außerdem sei Israel genauso wenig eine Demokratie wie der Irak. Bereits nach seiner zweiten Reise im Mai hatte er im Fernsehsender al-Jazeera behauptet, dass die israelische Armee in Jenin Kriegsverbrechen begangen habe. Den Palästinensern hingegen gestand er damals das »Recht auf Widerstand mit allen Mitteln« zu.
Organisiert und bezahlt wurden alle Reisen in den Irak von der Österreichisch-Irakischen Gesellschaft. Ihr Vizepräsident ist der so genannte Volksanwalt Ewald Stadler (FPÖ), der Saddam öffentlich verteidigte, als dieser die Anschläge vom 11. September 2001 als Folge der »zionistischen Politik« der USA bezeichnete. Der Verteidigungsminister Herbert Scheibner (FPÖ) führt hingegen die am Ende des vergangenen Jahres von ihm mitbegründete Österreichisch-Syrische Gesellschaft an.
Auch mit Syrien pflegt Haider gute Kontakte. Während seiner letzten Reise traf er sich auf dem Weg nach Bagdad mit dem syrischen Außenminister Mustafa Tlass, der auch als Autor antisemitischer Hetzschriften bekannt ist. So behauptet er, dass Juden vor dem Pessach-Fest Christen ermordeten, um mit ihrem Blut das traditionelle ungesäuerte Brot zu bereiten.
Besonders gute Beziehungen unterhält Haider auch nach Libyen. Er sitzt im Vorstand der Österreichisch-Libyschen Gesellschaft und ist durch seine enge Freundschaft mit einem Sohn des Staatspräsidenten Muammar al Gaddafi seit dem Ende der neunziger Jahre mit dem libyschen Herrscherhaus verbunden. Der »Revolutionsführer« begrüßte Haider damals als Verbündeten im Kampf gegen die »zionistische Herrschaft«. Und von ihr fühlen sich Haider und seine Anhänger schließlich schon seit langem verfolgt. Inzwischen hält selbst sein ehemaliger Generalsekretär, der im Spätsommer zusammen mit der damaligen FPÖ-Führungsriege zurücktreten musste, Haider für einen Antisemiten.
Tatsächlich sind dessen Besuche in Bagdad auch als Provokation der ehemaligen Parteispitze zu verstehen. Wiederholt kritisierten die Entmachteten die Solidaritätsfahrten ihres »einfachen Parteimitglieds« öffentlich. Zuletzt fand der Finanzminister Karl-Heinz Grasser deutliche Worte über die Besuche im Irak, worauf Haider konterte, Grasser wolle »einen Job in den USA« haben und brauche dazu »offenbar das Wohlwollen der Ostküste«.
Das ist der schlimmste Vorwurf, den man einem Mitglied der FPÖ machen kann. Vor allem in den Reaktionen auf die Anschläge vom 11. September wurde der Hass auf die USA, denen man ihr erfolgreiches Engagement bei der Zerschlagung des Naziregimes nicht verzeihen kann, deutlich. »Andere Völker mussten mit ähnlichem Terror - allerdings von amerikanischer Seite - schon viel früher Bekanntschaft machen«, war in dem der FPÖ nahe stehenden Blatt Aula zu lesen. Man müsse sich auch fragen, ob die Terroranschläge in den USA nicht »als Vergeltung für Ermordung und Vertreibung der Palästinenser, für Bomben auf Bagdad und Belgrad, Hiroshima und Nagasaki, für Terrorangriffe auf Dresden, Hamburg und Wien« begriffen werden könnten.
Auch das von der blau-schwarzen Koalition in diesem Jahr mit 75 000 Euro unterstützte Wochenblatt Zur Zeit, das österreichische Pendant der Jungen Freiheit, argumentiert ähnlich. Im vergangenen Jahr veröffentlichte es unter dem Titel »Irak ist ein offenes Land« ein Interview mit dem jetzigen irakischen Außenminister Naji Sabri. Den Grund für die UN-Sanktionen sieht er allein darin, dass sich der Irak »niemals einer angloamerikanischen Kolonialpolitik unterworfen und (...) niemals den zionistischen Rechtsanspruch akzeptiert« habe.
Dieser Meinung ist auch John Gudenus, ein Mitherausgeber von Zur Zeit, der die FPÖ im Bundesrat vertritt und am Ende des letzten Jahres Israel als einen »rassistischen, auf nationale und religiöse Ungleichheit aufbauenden Unrechtsstaat« bezeichnete. Einige Monate später hieß es in der Zeitung über die Zukunft Palästinas: »In einer Periode friedlicher und gleichberechtigter Nachbarschaft wäre kein Raum für ein Volk, das sich aufgrund seiner selbst proklamierten Auserwähltheit besondere Vorrechte anmaßt.«
Haider, der von dem Blatt als »Heros für die Arabische Welt« bezeichnet wird, schrieb dort Ende Mai von »staatsterroristischen Akten, wie sie etwa Israel gegenüber den Palästinensern begeht«. Da nicht nur seine Anhänger das genauso sehen, ist der innenpolitische Schaden solcher Äußerungen gering. Gleiches gilt für Haiders Reisen in den Irak, deretwegen ihn viele seiner Landsleute bewundern. Die vor Jahren plakatierte Parole vom Jörg, der »sich was traut«, hat sich für diese Leute erneut bestätigt.