Ljubljana jubelt
Was der slowenische Präsident Milan Kucan nach seiner Pensionierung am 22. Dezember zu tun gedenkt, ist wenig aufregend und passt genau ins Bild des braven Politikers, der er seit der Unabhängigkeit der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik seit dem Juni 1991 war. »Ich werde die Wände meines Appartements neu streichen«, ließ der Präsident über seine Pläne verlauten. Ebenso unspektakulär wird auch die Stichwahl um das Präsidentenamt verlaufen, die am 1. Dezember stattfindet. Janez Drnovsek, der derzeitige Premierminister, wird sich wohl gegen seine Konkurrentin, die Generalstaatsanwältin Barbara Brezigar, durchsetzen können.
Schon im ersten Wahlgang lag Drnovsek mit 44 Prozent der Stimmen in Führung, Brezigar erhielt nur 31 Prozent. Die Wahl Drnovseks passt zum Eindruck der Stabilität und Kontinuität, die Slowenien nach einem nur sechs Tage dauernden und lustlos geführten Krieg um die Unabhängigkeit vermitteln möchte. Das Land hat sich innen- und außenpolitisch von den Konflikten emanzipiert, mit denen sich bis heute der Rest der ehemaligen Teilrepubliken Jugoslawiens herumschlagen muss.
Drnovsek steht für diese Konfliktlosigkeit, er hat schon bisher das Land geleitet wie eine gut funktionierende Fabrik. Von Kucan wurde er entsprechend sanft bei seiner Kandidatur unterstützt, mehrmals ließ der noch amtierende Präsident anklingen, Drnovsek wäre ein Garant für einen »gleitenden Wechsel«. Selbst sein Wahlkampfmanager Gregor Golobic begründet die Notwendigkeit der Wahl Drnovseks mit dem Versprechen, auch in Zukunft vor besonders großen Herausforderungen gefeit zu sein: »Die Situation im Land ist stabil genug, und es gibt keine ungelösten oder akuten Aufgaben, die Drnovsek hindern würden, als Premierminister zurückzutreten und Staatspräsident zu werden.«
Slowenien wird in den nächsten Wochen jene Anerkennung des Westens erhalten, auf die der Rest des Balkan noch immer vergebens hofft. Die Mitgliedschaft in der Nato ist eine beschlossene Sache, ebenso in der Europäischen Union.
Drnovsek steht für diese lange ersehnte Reintegration in die Strukturen des Westens, daher erhielt er vor dem ersten Wahlgang vor drei Wochen auch die sanfte Unterstützung der Nato und der EU. Am Tag vor der Wahl trudelte die offizielle Einladung der Nato zum Beitritt ein, außerdem überwies die EU immerhin 22 Millionen Euro, damit das kleine Land die Kosten der baldigen Mitgliedschaft aufbringen kann.
Die Zustimmung der Bevölkerung zur Mitgliedschaft in den beiden Organisationen wuchs schon in den Wochen davor kräftig. So befürworten 49 Prozent der Bevölkerung den Nato-Beitritt, nur noch 33 Prozent sind dagegen. Allerdings ließ sich die Regierung in Ljubljana die Propaganda einiges kosten und vermied keinen auch noch so abgefeimten Propagandakniff, um die Slowenen zu überzeugen.
Unter dem Motto »eine sicherere Welt« wurden beispielsweise die slowenischen Schüler im Alter von sechs bis 15 Jahren aufgefordert, an einem Zeichenwettbewerb teilzunehmen. Die »sicherere Welt« wird natürlich, wie es im Begleittext zum Preisausschreiben eindeutig dargelegt wurde, allein von der Nato garantiert. Für die Erwachsenen wählte man andere Materialien aus. Jeder slowenische Haushalt erhielt einen Prospekt über die Lockungen des westlichen Militärbündnisses, praktischerweise wurden auch die Namen von kritischen Journalisten und Publizisten abgedruckt, die als unglaubwürdig zu betrachten seien.
Besonders teuer war aber wohl das Engagement des ehemaligen US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Bob Dole als Lobbyist in Washington. Er hatte die Aufgabe, die Regierung George W. Bushs von den Vorteilen eines slowenischen Beitrittes zur Nato zu überzeugen.
Es ist interessant zu beobachten, dass die Regierung in Ljubljana in den letzten Monaten mehr Wert auf den Beitritt zur Nato als zur EU legte: »Wenn die slowenische Regierung vor die Wahl gestellt würde, entweder der Nato oder der EU beizutreten, sie würde sich wohl für die Nato entscheiden«, sagt Michl Ebner, der Vorsitzende des gemischten Ausschusses EU-Slowenien im Europaparlament.
Rationale Gründe hat diese Präferenz nicht, vielmehr spielen psychologische Faktoren eine Rolle. Zwar sieht man sich nicht als Teil des Balkan, gleichzeitig kann man aber nicht ganz verdrängen, dass diese Weltgegend recht nahe und noch immer instabil ist. Der kurze militärische Konflikt um die Unabhängigkeit bleibt der slowenischen Regierung eben doch in Erinnerung. In der Bevölkerung spicht sich allerdings eine Mehrheit von 57 Prozent für einen Beitritt zur EU aus.
Aber nicht nur die Altlasten der Vergangenheit lassen die slowenische Regierung Schutz bei der Nato suchen, auch die Unberechenbarkeit eines neuen Nachbarschaftskonfliktes macht die Nato so attraktiv. Seit Jahren tobt ein Kleinkrieg zwischen Slowenien und Kroatien um die Bucht von Piran, in dem zwischen den Küstenwachen beider Staaten auch schon mal Schüsse fallen.
Kroatien beansprucht einen insgesamt sechs Kilometer langen Küstenstreifen entlang des Städtchens Piran für sich, Slowenien tut das gleiche und weiß, dass nur so der Zugang zum offenen Meer erhalten bleibt. Ansonsten wäre der slowenische Zugang zur Adria auf 36 Kilometer beschränkt, gleichzeitig würden sich die Hoheitsgewässer Kroatiens und Italiens vor der slowenischen Küste kreuzen. Wenn Slowenien nun der Nato und der EU beitritt, hätte es mit der Rückendeckung der beiden mächtigsten internationalen Organisationen auf dem europäischen Kontinent eine enorm verbesserte Verhandlungsposition.
Der Konflikt mit Kroatien könnte sich unterdessen noch verschärfen, denn die Kroaten fühlen sich durch die rasche Integration des nördlichen Nachbarn in die EU und die Nato ein wenig abgehängt. Noch vor wenigen Jahren schwebte Spitzenpolitikern aus beiden Staaten vor, sich gemeinsam um die Integration ihrer Staaten in die europäischen und die transatlantischen Strukturen zu bewerben.
In Zagreb fürchtet man nun, dass die Nato und die EU mit neuen Mitgliedsstaaten gesättigt sind und eine Aufnahme Kroatiens wohl noch länger auf sich warten lässt. Die Beteuerung Kucans, Slowenien wolle eine »Brücke für einen baldigen Beitritt Kroatiens« zur Nato sein, muss für kroatische Ohren deswegen etwas gönnerhaft klingen.