Krise der FPÖ

Apocalypse blau

Nach ihrer verheerenden Wahlniederlage ist eine Spaltung der FPÖ nicht mehr ausgeschlossen. von thomas schmidinger, wien

Mein Bedarf an Politik ist absolut gedeckt.« Am Tag nach der Katastrophe zog der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider überraschend schnell Bilanz. Doch schon kurz darauf war wieder alles anders. Trotz der schweren Wahlniederlage der Freiheitlichen Partei (FPÖ) sei er »absolut für eine Fortsetzung der Regierungsarbeit«, sagte er am Mittwoch der vergangenen Woche. Immerhin sei das Vertrauen der Wähler in das Regierungsprogramm gleich groß geblieben, »wenngleich sich die Gewichtung von den Freiheitlichen hin zur ÖVP verschoben hat«.

Tatsächlich haben sich die österreichischen Wähler bei den Nationalratswahlen am Sonntag vor einer Woche klar für die schwarz-blaue Koalition ausgesprochen. Die FPÖ verlor zwar rund zwei Drittel ihrer Wähler und kam nur noch auf knapp zehn Prozent, doch diese Stimmen kamen fast ausschließlich der konservativen ÖVP zugute. Die Sozialdemokraten und die Grünen gewannen hingegen nur insgesamt sechs Mandate hinzu. Mit rund 37 Prozent konnte sich die SPÖ zwar leicht verbessern, und die Grünen erreichten mit fast neun Prozent ihr bestes Ergebnis. Doch beide Parteien blieben weit hinter ihren Zielen zurück.

Obwohl die meisten Meinungsforscher einen knappen Ausgang erwartet hatten, fiel der Wahlsieg von Wolfgang Schüssels ÖVP mit 42 Prozent sehr deutlich aus. Während sich die Sozialdemokraten des Desasters durchaus bewusst waren, feierten die Grünen ihren »Wahlsieg« und zeigten demonstrative Zufriedenheit. Nur hinter den Kulissen drückten einige Mitglieder ihre Enttäuschung über die gescheiterte Wende aus.

Die Hoffnung, dass nach dem spektakulären Crashkurs der FPÖ wieder eine neue Mehrheit gelingen könnte, hat sich als falsch erwiesen. Zwar bestraften die Wähler die Freiheitlichen für ihre internen Richtungskämpfe, nicht aber die Regierung. Dabei hat sich an den autoritären, rassistischen und antisemitischen Einstellungen der ehemaligen FPÖ-Wählerschaft nichts geändert.

Wenn der Führer nicht mehr recht zu führen weiß, wendet sich die Basis einem anderen zu. Der FPÖ hat hauptsächlich ihre innere Zerstrittenheit geschadet. Und ohne Haider an der Spitze lassen sich autoritäre Charaktere offensichtlich nicht dazu ermuntern, seine Partei zu wählen. Gut möglich also, dass der Kärntner Landeshauptmann, der sich bewusst aus der Wahlkampagne heraushielt, sich am Ende wieder als Retter in der Not präsentieren kann.

Doch setzt sich der heftige Machtkampf innerhalb der Partei auch nach den Wahlen fort. So schloss in der vergangenen Woche die Parteispitze um Herbert Haupt innerhalb weniger Stunden mehrere prominente Mitglieder aus, darunter den ehemaligen Klubobmann Peter Westenthaler und den ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser.

Als mehrere Landesorganisationen die günstige Gelegenheit nutzen wollten, um ebenfalls einige unliebsame Parteimitglieder loszuwerden, schaltete sich Jörg Haider ein. Er kritisierte das Vorgehen, worauf Haupt prompt die meisten Ausschlüsse wieder zurücknahm. Westenthaler, der nicht in die Partei zurück darf, will nun mit dem ehemaligen FPÖ-Nationalrat Norbert Guggerbauer als Anwalt gegen seinen Ausschluss klagen.

Guggerbauer, der Anfang der neunziger Jahre als Klubobmann der FPÖ zurücktreten musste und dabei alle seine Funktionen verlor, ist jedoch nicht nur als Anwalt tätig, sondern schaltet sich auch direkt in den Machtkampf ein. Seit einigen Tagen kursiert auch ein internes »Gegenpapier« zu der Gruppe um den deutschnationalen Ewald Stadler, der die Regierung im September zu Fall brachte. Im »Freiheitlichen Manifest 2002«, das in dieser Woche präsentiert werden soll, wird unter anderem ein »Neubeginn der FPÖ« gefordert, die Unterstützung für Saddam Hussein ausdrücklich verurteilt und die Ost-Erweiterung der EU begrüßt. Aber auch diese Fraktion kann sich die erweiterte Union nur als ein »Europa der Vaterländer« vorstellen.

Was in österreichischen Medien gerne als Richtungsstreit zwischen Liberalen und Rechtspopulisten beschrieben wird, ist daher nicht viel mehr als ein Strategiestreit innerhalb einer rechtsextremen Partei. Es geht nicht um die Ideologie, sondern um die Frage, ob man sich an einer Regierung unter Führung der ÖVP beteiligen oder doch lieber in der Opposition bleiben soll. Inhaltlich unterscheiden sich beide Fraktionen vorwiegend in der Wirtschaftspolitik.

Die Konflikte innerhalb der FPÖ haben sich aber schon längst so weit verselbständigt, dass diese Differenzen nur mehr mühsam auszumachen sind. Sie ergeben sich vor allem aus persönlichen Rivalitäten und Intrigen sowie aus der Frage, wer über das Vermögen der geschrumpften Partei verfügen kann.

Auch offene Kritik an Haider ist kein Tabu mehr. »Haider muss erkennen, dass die Partei sich nicht täglich nach seinem Befinden ausrichten kann«, sagte die ehemalige Vorsitzende der FPÖ, Susanne Riess-Passer, am Wochenende. »Die Partei muss mehr sein als ein Fanclub.« Manche schließen mittlerweile sogar eine Spaltung der Partei nicht mehr aus, wie der stellvertretende Parteiobmann Thomas Prinzhorn, der diese Möglichkeit in der aktuellen Ausgabe des Wochenmagazins Profil bestätigte.

Auch in der Provinz machen die Gegner Haiders mobil. In Niederösterreich werden derzeit Unterschriften für einen Sonderparteitag gesammelt, um den Landesobmann Ernest Windholz abzuwählen. Ewald Stadler ließ seinen Parteifreunden über die Medien ausrichten, dass jeder, der die Liste unterzeichne, als »ein Wahlunterstützer für die ÖVP« zu betrachten sei.

Auch in anderen Landesverbänden regt sich Unmut. Die Vorarlberger FPÖ scheint an eine Abspaltung von der Bundespartei zu denken. In Mäder, der Heimatgemeinde Stadlers, trennte sich bereits vor den Wahlen die Ortsgruppe von der FPÖ. Im ganzen Land lösen sich Ortsgruppen auf oder trennen sich von ihrer Partei.

Die Kritik des in der Presse gern als liberal bezeichneten Vorarlberger FPÖ-Vorsitzenden Hubert Gorbach an der Führungsriege ist dabei symptomatisch für den aktuellen Zustand der Partei. Er nimmt es Haupt übel, dass er zuerst den Ausschluss mehrere Mitglieder betrieben ihn, dann aber wieder zurückgenommen habe. »Das zeigt eine Führungslosigkeit, wie wir sie in unserem Unternehmen absolut und sofort abstellen würden«, empörte sich Gorbach.

Deshalb haben sich auch die Wähler dem besseren Führer zugewendet. Und der heißt bis auf weiteres Wolfgang Schüssel.