Gutiérrez wird Präsident

In der Klemme

Als Oberst war er gescheitert, als Putschist hatte er verloren. Und dennoch ist Lucio Gutiérrez nun der erste Mann des Staates Ecuador. Mit 54,9 Prozent der Stimmen setzte sich der 45jährige in den Präsidentschaftswahlen am vorletzten Sonntag gegen den Bananenunternehmer Alvaro Noboa durch.

Das gute Ergebnis des ehemaligen Militärs hat einen einfachen Grund, hinter ihm stehen neben dem Gewerkschaftsdachverband FUT große Teile der indigenen Bevölkerung. Sie stellt 40 Prozent der Einwohner Ecuadors und zeigte sich in den letzten Jahren sehr kampfstark.

So etwa am 21. Januar des Jahres 2000. Gemeinsam mit rebellierenden Armeeangehörigen begannen Indígenas einen Aufstand, der zum Sturz der Regierung führte. Gutiérrez unterstützte die Rebellion; kurzfristig übernahm ein Triumvirat, dem er angehörte, die Macht. Doch nach wenigen Stunden machten hohe Militärs der »kleinen Volksregierung« ein Ende. Gutiérrez trat aus der Armee aus und gründete seine Partei Patriotische Gesellschaft 21. Januar.

Sie soll nun den Staat aus der Krise retten. Vor allem dem Kampf gegen die Korruption hat sich Gutiérrez verschrieben, zudem will er mehr Geld für die Armen locker machen. Das dürfte nicht leicht fallen. Rund ein Drittel des Etats gibt der Staat für die Zinsen und die Tilgung der rund 16 Milliarden Dollar Auslandsschulden aus. Um die Zahlungsunfähigkeit zu verhindern, zwingen Abkommen mit dem IWF dazu, in anderen Bereichen zu sparen: Gesundheit, Bildung, öffentlicher Dienst.

Deshalb richtet sich der Kampf der Indígenas gegen den IWF, die Zahlung der Auslandsschulden und den Beitritt zur von den USA geplanten gesamtamerikanischen Freihandelszone (Alca). Zudem fordern sie die Abschaffung der Dollarisierung, mit der die Regierung im Jahr 2000 versuchte, die Inflation zu stoppen. Die Armutsrate ist seither von 65 auf 80 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung gewachsen.

Dass nun ausgerechnet Gutiérrez als Hoffnungsträger gilt, verdankt er seiner Beteiligung am Januaraufstand und seiner nationalistischen Rhetorik. So erklärte der ehemalige Oberst, er werde sich für ein Bündnis einheimischer Unternehmer, der indigenen Bevölkerung und der Linken einsetzen. Gleichzeitig sagt er: »Wir werden exzellente Beziehungen zum IWF haben und pünktlich die Auslandsschulden zahlen.« Die Dollarisierung soll nicht beendet werden, und der Beitritt zum Alca steht für ihn kaum zur Disposition.

Mehr Geld gegen den Hunger und für die Bildung sowie gute Beziehungen zum IWF? Das passt derzeit in keinem Staat Lateinamerikas unter einen Hut. Ähnlich wie in Brasilien, wo Inácio »Lula« da Silva von der linken Arbeiterpartei jüngst die Wahlen gewann, ist in Ecuador absehbar, dass große Teile der Basis gegen den neuen Präsidenten opponieren werden.

Allerdings dürfte die Ära Gutiérrez wesentlich kürzer ausfallen als die des ehemaligen Gewerkschafters Lula. Denn Gutiérrez habe, so sagte es der Dependenztheoretiker Theotonio dos Santos der Jungle World, »keine soziale, politische und ideologische Verwurzelung« in der indigenen Bewegung.