Deutschland sucht den Superstar

Das Jesus-Programm

Wie Deutschland die unbefleckte Empfängnis des Superstars vorbereitet.
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Deutschland sucht den Superstar. Obschon der ewige Meikel gerade erst da war und eine versuchte Kindstötung präsentierte, will das Volk nicht nachgeben in seinem Drange nach Sensationen. RTL weiß Rat und beauftragt den jungen Popautor Dieter Bohlen, einen Übermenschen zu schaffen. Kein neuer Prometheus, doch ein neuer Popmythos soll's werden. Bohlen kriegt auch Helferlein an die Seite gestellt und sitzt hinterm Tresen und sagt, ob die Menschen und Kindlein, die kommen, auch singen können. Dabei ist er der einzige, der sagt, wenn es Scheiße ist. Bohlens Helferlein sind unfähig. Wer Bohlen vorwirft, er sei ungenügend literarisch geprägt, übersieht, dass Dieter seine Klientel dazu bringt, Adorno zu widerlegen: Es gibt ein falsches Leben im richtigen.

Sämtliche »Ich will Popstar anstelle des Popstars werden«-Menschen leiden an Überschätzung des eigenen Ichs. Keiner kann singen. Immerhin verspricht man sich in den Kaderschmieden des Reiches RTL, einen Popstar zu schaffen, der auch Schallplatten verkauft.

Während die No Angels herrlich feine Mädchen mit schönen Stimmen sind, sehen BroSis so Scheiße aus, wie sie sind. Das A und O der Superstarfindung ist das Ö. Fördern muss man viel versprechende Talente. Die findet man eigentlich nie bei Castings, sondern auf der Straße. Leider sehen sie oft so Scheiße aus wie BroSis und müssen ihr Leben lang Studiomusiker sein. Um das Schlimmste zu vermeiden, hat man diesmal einen Experten wie Bohlen dabei. Der kennt sich aus. Und wenn er einmal Doktor wird, werde ich der erste sein, der ihn reinen Herzens zu beglückwünschen weiß. Die zuständige Redakteurin weist mich vor der Erstellung dieses Artikels darauf hin, dass ich nicht allzu viel gemeine Sachen über Schwule schreiben soll. Ich verstehe das nicht. Da sie noch immer meint, »Superstar« fände samstagabends statt, und mir diesen Termin ans Herz zu legen wusste, kann ich diese aufregende Sendung nun gar nicht sehen. Alles, was ich im Laufe der letzten Wochen mitbekam, waren etwa 30 Sekunden an Trailern. Wenn es also um Schwule geht, kann und darf ich mich nicht schuldig machen, indem ich Gemeinheiten schreibe, die ich allesamt erfinden müsste. Wie z.B. Treffen sich zwei Schwule. Sagt der eine: Wie geht's? Antwortet der zweite: Von hinten. Langweilig. Lieber würde ich nun darauf hinweisen, dass es vermessen ist, den Superstar zu suchen.

Nehmen wir einmal an, Horst-Oliver aus Zirbenhausen gewinnt und ist Superstar. Wovon? Wieso ist er ohne jede Erfahrung etc. sofort Superstar und nicht Sängeranfänger? Viel angenehmer erscheint es doch, suchte man bei RTL II (oder war's RTL) den Sängeranfänger. Nicht unbedingt im Roggen, aber vielleicht auf Rügen. Da hat es ein sehr großes Haus, wo man mal Kraft durch Freude erlangen sollte. Wer also die notwendige Kraft, sich dem Wettbewerb zu stellen, aufweisen kann, wird Freude ernten. Viele Anhänger der Show werden nun einwenden, dieser Vergleich sei am Harem herbeigezogen. Die No Angels seien schließlich ganz toll. Finde ich auch. Am besten gefallen mir Lucie und Vanessa, auch wenn die eine einem Pizzabäcker verfiel und ich leer ausging. Andere wiederum krähen, BroSis sind ganz toll. Finde ich nicht.

Doch ich möchte Ihnen einen weiteren, vielleicht passenderen Vergleich anbieten (wie ein Advokat). Es gibt Menschen, die gern Maggi in ihr Süppchen tun. Und solche, die es unterlassen. Die Geschmäcker sind eben verschieden. Man kann also eine imaginäre Linie zwischen diesen Geschmacksfronten ziehen. Ich nenne sie Maggi-No-Linie, da ich maggiphob bin. Sehen Sie, wie einfach es ist. Deutschland wird nie einen neuen Superstar finden können, weil der ja einer Geschmacks-pandemie unterläge. Alle Mädchen und Jungen und Onkels und so müssten den ganz toll finden, und keiner dürfte sagen, der wäre garstig. Bei echten Superstars, wie z.B. dem ewigen Meikel, hat jeder was davon. Die Klatschpresse den unlängst begangenen Mordversuch, die Mädchen den süßen Kerl, obschon die eigentlich immer sagen »Igitt, der ist bestimmt schwul!«, wenn sie einen mädchenhaften Burschen sehen. Beim Meikel ist das anders. Auch die Eltern finden Meikel toll, weil der was gegen Schwarze tut, weil der einfach nicht so aussehen mag. Auch die Großeltern finden das ganz toll. Fast wie damals, als Dieter noch studiert hat. Der soll ja mal was Besseres werden als wir, sagen sie und kochen einen Kaffeesurrogatextrakt aus gefuckten Mucken.

Heute sind nurmehr die RTL-Zuschauer gefuckt, weil sie denken, sie könnten sich mal eben eine geringfügige Einflussnahme erlauben. Deshalb schicken sie die Jasmin und die Schackeline, was der ihre Enkelinnen sind, ja auch heute noch zu dat Kasting, weil die es mal besser haben sollen als sie. Doch kaum eine Schackeline hat das nötige Stimmchen, weshalb sie es ja auch nicht gegen die Großeltern erhob, um sich den Schmarrn zu sparn. Die meisten Schackelines und René glauben aber ganz doll, dass sie singen können wie ein Vögelchen. Dann fangen die Bestien auch noch das Heulen an, weil sie sich vorm Dieter lächerlich gemacht ham. Ich hab mir nich vorbereitet, weil meine Omi damals den Hibler oder wie der heißen tut, der damals Präsident war, gewählt hat. Sagen sie. Da tut es kein Wunder, dass der Herr Bohlen sie bei lebendigem Leib zernichtet. Bohlen ist im Grunde eine umgekehrte Version der Anne Bohleng, die damals auch den Kopf abgerissen gekriegt hat, als ihr Mann sie nicht mehr so voll gut fand.

Anstatt den Kopf zu verlieren, köpft Bohlen. Direkt ins Tor. Keiner macht ihm was vor. Er ist ein Profi. Kein Kofi. Annan, der immer schlichten will. Schlicht sind nur die Kandidaten, die glauben, ich bin im Fernseh, da werd ich Schtar. Ich hasse junge Menschen, die sich unvorbereitet Situationen stellen und glauben, sie kämen damit durch. Wie z.B. Autoren, die einen Text über eine Sache verfassen müssen, die sie nie gesehen haben.

Nun gibt es montags das »Superstar Magazin«. Da kann der Fan gucken, ob hinter den Kulissen auch ein Kampf abgeht. Die Natur des Menschen ist vom Kampf gegeneinander geprägt. Die Natur des Deutschen ist Kampf, zurück zur Natur ist Kampfer. Derlei medizinische Wickel werden die Kandidaten benötigen, nachdem sie sich hinter den Kulissen die Augen ausgestochen haben. Niemand glaubt ernsthaft, dass ein deutsches Superstartum ohne Konflikt abläuft. Die einzigen bisherigen deutschen Superstars waren Despoten und Fußballspieler. Die reden heute noch vom Kampfsport Fußball, und sieht man dessen Vorzeigevertreter, den Franz, so umgibt ihn jener Lichtdom, der auch eine Britney Speer vom Normalbürger unterscheidet. Ob ein von RTL II (oder ist es jetzt RTL?) gezeugter Superstar auch diesen ewigen Glanz erleben wird, sei dahingestellt. Solange jedoch am Ende Deutschland den Superstar gefunden hat, können wir uns beruhigt zurücklehnen, denn auch die dämlichsten Vertreter des Deutschen Volkes werden ihn letztendlich erkennen. In Dieter Bohlen. Den Messias der deutschen Musikszene. Der ist schon da und muss nicht erst hingefickt werden. Und er ist wahrhaft bescheiden und will nichts davon hören, wie der Zeitreisende in »Das Jesus Video«, der auch so tut, als erkenne er nicht mal seine eigene schnörkelige Handschrift.