Die wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu Irak

Die Saddam AG

Trotz des Uno-Embargos vertieft die deutsche Industrie die wirtschaftlichen Beziehungen zum Irak.

Ulrich Burkhardt vom Münchner Messeveranstalter Imag freute sich: »Deutsche Waren und Güter stehen bei den Irakern sehr hoch im Kurs.« Er organisierte die Teilnahme von mehr als hundert deutschen Firmen an der Bagdad-Messe im November. Vertreten waren unter anderem die Siemens AG, Daimler-Chrysler, die Linde AG und die Deutz AG. Subventioniert wurde ihre Teilnahme vom Bundeswirtschaftsministerium.

Die Messe bot eine gute Möglichkeit, sich im Konkurrenzkampf um den irakischen Markt besser in Position zu bringen. Das Siegel »Made in Germany« scheint wieder begehrt zu sein im Irak. Firmen aus China, Indien oder Russland hingegen, die seit Jahren auf den irakischen Markt drängen, hätten »viel Schrott ins Land« gebracht, wie es Holger Hansen in der Financial Times Deutschland ausdrückte. Er vertrat die Maschinenbaufirmen Herrenknecht und Bauer auf der Messe.

Deutschland hat sich im Irak ohne Zweifel wieder beliebt gemacht. Insbesondere die Demonstrationen, die es hierzulande während des Besuchs des US-Präsidenten George W. Bush im Mai gab, wurden im Irak wohlwollend zur Kenntnis genommen. Diesen Zusammenhang stellte der irakische Handelsminister Mohamed Mahdi Salih im Juni ausdrücklich her. Deutschland sei wieder in die Gruppe der »preferred countries« aufgestiegen, jener Länder, denen der Irak oberste Priorität bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit einräumt, zitierte ihn damals der Rheinische Merkur.

Der Siemens-Sprecher Harald Reiter erklärte die Präsenz seines Unternehmens in Bagdad der Financial Times Deutschland zufolge mit den Worten: »Vor allem wollen wir unseren irakischen Freunden und Kunden zeigen, dass wir auch in kritischen Situationen zu ihnen stehen.« Hansen betonte ebenfalls, Deutschland könne es sich nicht leisten, einmal zu kommen und einmal zu gehen, auch wegen der hohen Seriosität der irakischen Geschäftspartner. »Irak war, das darf man nicht vergessen, in den siebziger und achtziger Jahren zeitweise der Markt Nummer eins für den Export von deutschen Baustoffen und Baumaschinen.«

Im Irak gebe es zahlreiche mögliche und bereits geplante Infrastrukturprojekte, bei denen deutsche Betriebe eine Rolle spielen könnten. So erhoffe sich nach Aussage Hansens ein deutsches Firmenkonsortium den Zuschlag für das U-Bahnprojekt in Bagdad. Zur Zeit liefert Siemens dem Irak offiziell Güter für Kraftwerkstechnik sowie medizintechnische Produkte, während Daimler-Chrysler Nutzfahrzeuge im Rahmen des Uno-Programms Oil for Food in den Irak exportiert.

Doch Siemens scheint auch inoffiziell, unter Umgehung des Embargos, groß im Geschäft zu sein. Wie das Fernsehmagazin »Report aus München« berichtete, helfe dabei eine Zweigstelle der Firma Iskratel in Moskau, die bereits in Zeiten des Realsozialismus mit Telefonvermittlungsanlagen erfolgreich war und bei der heute Siemens mit einer Mehrheitsbeteiligung das Sagen hat. Die Apparate kommen demnach vom Mutterunternehmen der Iskratel in Slowenien. Anfang 1998 habe Iskratel den Schleichweg über Moskau genommen, um dem Irak für 13 Millionen Dollar 14 digitale Telefonvermittlungsanlagen zu verkaufen. Die erforderliche Genehmigung der Uno für die Lieferung dieser Hightech-Ware lag nicht vor.

Seit im Mai des Jahres 2000 eine Delegation von Unternehmensvertretern den Irak besuchte, wurden die deutsch-irakischen Wirtschaftsbeziehungen systematisch ausgebaut. Im Juni des letzten Jahres forderte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ludolf von Wartenberg, die Wirtschaftssanktionen gegen den Irak zu »überdenken«. Die Politik müsse »die Bitte der Industrie« verstehen, das Land mit den zweitgrößten Ölreserven der Welt und einem Absatzmarkt von 24 Millionen Menschen nicht zu »vernachlässigen«. Der deutsche Export in den Irak sei wegen der Sanktionen von sechs Milliarden Mark seit Anfang der neunziger Jahre auf 270 Millionen Mark gesunken, während französische Firmen dort immer noch Waren im Wert von drei bis vier Milliarden Dollar hätten absetzen können.

Seit den siebziger Jahren waren deutsche Unternehmen führend am Aufbau der irakischen Infrastruktur sowie an der Errichtung von Industrie- und Ölförderanlagen beteiligt. In den achtziger Jahren, d. h. während des ersten Golfkrieges, exportierte die deutsche Wirtschaft jährlich Güter für acht Milliarden Mark in den Irak. Neben Frankreich haben in den neunziger Jahren vor allem Russland und China ihre Geschäfte im Irak ausgeweitet und den deutschen Einfluss eingeschränkt.

Von den Sanktionen sei die deutsche Wirtschaft »infolge ihrer Lieferstruktur« besonders betroffen, klagte Wartenberg. Damit umschrieb er vornehm die Tatsache, dass deutsche Unternehmen vor allem von der Aufrüstung des Regimes profitierten. Vor allem die Preussag AG, die Bayer AG, Thyssen und Rheinmetall wurden in diesem Zusammenhang immer wieder genannt.

Dass mittelständische deutsche Firmen wie Karl Kolb, Pilot Plant und WET dem Irak Anlagen für die Giftgasproduktion lieferten, ist seit 1984 bekannt. Die Bundesregierung reagierte damals unwirsch auf entsprechende Informationen, die vor allem aus den USA und Israel kamen. Der damalige Wirtschaftsminister Martin Bangemann (FDP) machte »reinen Konkurrenzneid der Amis« im lukrativen Geschäft mit dem Irak aus und erklärte der New York Times: »Demnächst sollten wir wohl noch den Export von Hämmern unterbinden, weil irgend jemand sie nutzen könnte, anderen damit auf den Kopf zu schlagen.«

Mit dem Verbot der Lieferung rüstungsrelevanter Güter kamen die deutsch-irakischen Geschäfte fast zum Erliegen. Doch nach der vor allem auf deutsche Initiative erfolgten Lockerung der Uno-Sanktionen im Mai dieses Jahres bewertete das Bundeswirtschaftsministerium die Möglichkeiten für die deutsche Industrie als deutlich besser, insbesondere beim Handel mit Baumaschinen, Kraftfahrzeugen und Stahlerzeugnissen. Der Geschäftsführer des BDI bezeichnete nun 90 Prozent der deutsch-irakischen Ausfuhrverträge als unproblematisch. Doch wenn der BDI heute sein »differenziertes Angebot im Rahmen der Rehabilitierung, Wartung und Erneuerung des alten Maschinenbestandes« hervorhebt, wird Saddam Hussein das als Angebot zur Erneuerung seines Rüstungsarsenals zu interpretieren wissen.

Im Auswärtigen Amt hieß es in diesem Sommer, die deutsche Wirtschaft genieße »Präferenzen bei den Entscheidungsträgern der irakischen Wirtschaft«. Nicht zuletzt deshalb gelang es deutschen Unternehmen, vom Jahr 2000 bis ins Jahr 2001, also noch vor der Lockerung der Sanktionen, ihre Exporte in den Irak nahezu zu verdreifachen. Um die Geschäfte weiter anzukurbeln, bemüht sich die deutsche Regierung seit dem September dieses Jahres auch um den Vorsitz im Uno-Ausschuss für die Sanktionen gegen den Irak. Dieser Ausschuss kontrolliert den irakischen Außenhandel. Denn bei einer solchen über Jahre gewachsenen Verbindung wäre es doch ärgerlich, wenn einem die irakischen Geschäftsfreunde wegen eines US-amerikanischen Krieges verloren gingen.