Nach dem Attentat auf den Präsidenten Nijasow

Einsam an der Spitze

Die Regierung Turkmenistans macht Russland für das Attentat auf den Präsidenten Nijasow verantwortlich. Dem autokratischen Herrscher mangelt es jedoch auch im Inland nicht an Feinden.

Am Morgen habe er friedlich in seinem Büro im Präsidentenpalast gearbeitet und erst dort erfahren, dass er gerade einem Attentat entkommen sei, ließ der turkmenische Präsident Saparmurat Nijasow über das staatliche Fernsehen verbreiten. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass er von dem offenbar gut geplanten Attentat am Montag der vorletzten Woche nichts mitbekam. Ein LKW blockierte den Weg des Präsidentenkonvois, und mehrere Angreifer eröffneten das Feuer. Einige Sicherheitskräfte wurden bei dem anschließenden Schusswechsel verletzt, einige der Attentäter offenbar getötet.

Eine Gruppe von 23 Männern wurde nach Regierungsangaben festgenommen. Die meisten hatten einen ausländischen Pass. Unmittelbar nach dem Anschlag beschuldigte Nijasows Sprecher, Serdar Durdijew, vier turkmenische Oppositionspolitiker, das Attentat geplant zu haben. »Der Befehl kam aus dem Ausland«, behauptete er; die Attentäter seien von Russland unterstützt worden. Die vier genannten Oppositionellen, darunter der langjährige Außenminister Boris Schikhmuradow, der im Exil in Moskau lebt, gaben zur Antwort, wahrscheinlich habe Nijazow das Attentat selbst eingefädelt, als Vorwand, um gegen Dissidenten im Land vorgehen zu können.

Doch das tut er schon seit einer ganzen Weile. Wesentlich beliebter als Nijasow sind die vier in Turkmenistan ohnehin nicht, denn sie standen lange in den Diensten des Präsidenten und gingen erst ins Exil, nachdem sie sich mit ihm überworfen hatten. Der Präsident des russischen Oberhauses, Sergej Mironow, wiederum wies die Vorwürfe gegen sein Land als so absurd zurück, dass sie keines Kommentars bedürften.

Die Beziehungen Russlands zu Nijasow sind äußerst angespannt, weil Turkmenistan sich im Streit um die Aufteilung des Kaspischen Meeres auf die Seite des Iran gestellt hat. Beide Länder wollen, dass alle fünf Anrainerstaaten 20 Prozent des an Erdöllagerstätten reichen Gewässers bekommen, während, wenn es nach Russland, Kasachstan und Aserbeidschan geht, die Wasserfläche nach der jeweiligen Küstenlänge aufgeteilt werden soll.

Doch Nijasow hätte auf der Suche nach den Feinden, die das Attentat geplant haben könnten, gar nicht so weit in die Ferne schweifen müssen. Seit einigen Monaten macht sich auch eine interne Opposition gegen den Präsidenten bemerkbar, der den offiziellen Titel Turkmenbaschi, Vater aller Turkmenen, führt. Flugblätter mit der Überschrift »Trau dich, Nein zu sagen!« und der Aufforderung, sich nicht mehr »wie ein Schaf« behandeln zu lassen, wurden über Nacht in der Hauptstadt Ashgabat und der Stadt Dashoguz im Norden des Landes verteilt. Einige Statuen und Porträts des Turkmenbaschi wurden zerstört.

Erst im November machte sich Nijasow wieder eine Menge Feinde, als er den stellvertretenden Premierminister, den Landwirtschaftsminister, vier der fünf Provinzgouverneure sowie Dutzende Beamte des Landwirtschaftministeriums erst - wie es in Turkmenistan inzwischen Usus ist - in einer im Fernsehen übertragenen Kabinettssitzung erniedrigte und dann fristlos feuerte. Die Baumwollernte hatte nur ein Viertel des Plansolls eingebracht, und Baumwolle ist das wichtigste landwirtschaftliche Exportprodukt des Landes.

Außerdem gab es in Turkmenistan in den vergangenen Monaten auch immer wieder Putschgerüchte. Damit die Sicherheitskräfte ihm nicht gefährlich werden können, mischt der Turkmenbaschi sie regelmäßig durch, die letzte größere »Säuberung« fand im Februar statt. Außerdem entlässt er auch gerne alle Minister und hochrangigen Beamten, die zu populär geworden sind, sodass Beobachter klagen, es gebe kaum mehr für Regierungsämter ausgebildete Turkmenen, die nicht im Gefängnis sitzen oder ins Exil gegangen sind.

Auch im Westen hätte dem Turkmenbaschi wohl kaum jemand eine Träne nachgeweint. Die Erdgasvorkommen in Turkmenistan sind Schätzungen zufolge die drittgrößten der Welt, das Land soll eine wichtige Rolle als Erdgaslieferant für die geplante Pipeline durch Afghanistan nach Pakistan spielen.

Doch Turkmenistan gilt auch als wichtiges Transitland für afghanisches Opium und Heroin, und es gibt immer wieder glaubwürdige Berichte, dass Nijasow selbst in den Drogenhandel verwickelt ist. Außerdem betreibt er eine strikt neutrale Außenpolitik. Oppositionelle argumentieren allerdings, er habe sein Land vollkommen isoliert. Anders als die Regierungen der vier zentralasiatischen Republiken verhielt er sich gegenüber dem von den USA erklärten »Krieg gegen den Terror« auffallend reserviert.

Und auch bei einem Großteil der eigenen Bevölkerung ist der Turkmenbaschi wohl unpopulär, denn in den fast 13 Jahren seiner Präsidentschaft nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion ist der Lebensstandard vor allem auf dem Land drastisch gefallen. Und für Hoffnungen auf Besserung gibt es keinen Anlass.

Um den Erdgasreichtum Turkmenistans richtig auszubeuten, bräuchte das Land Investitionen in Milliardenhöhe. Aber Nijasow ließ erst kürzlich wieder verlautbaren, die Erdgasförderung werde in den nächsten 15 Jahren nicht privatisiert, aus der Sicht potenzieller Investoren ein bedeutendes Hindernis. Aber solange er in Ashgabat an der Macht ist und es keine Rechtssicherheit gibt, hätten die Investoren wohl sowieso auf sich warten lassen.

Obwohl das Attentat auf den Turkmenbaschi das deutlichste Zeichen gewesen sein dürfte, dass sein Abstieg begonnen hat, scheint seine Herrschaft noch nicht ernsthaft gefährdet zu sein. Im Sommer ernannte ihn sein willfähriges Parlament schon zum zweiten Mal zum Präsidenten auf Lebenszeit. Und je offensichtlicher es wird, dass seine Herrschaft Turkmenistan ruiniert, um so byzantinischer wird der Personenkult um ihn.

Im August kündigte er an, dass die Wochentage und Monate in seinem Land umbenannt werden, der Januar zum Beispiel nach ihm selbst, der April nach seiner Mutter. Manche Turkmenen wagten sogar, vor der ausländischen Presse darüber zu klagen, dass ihr Präsident sie zum Gespött der Welt mache. Der turkmenische Dichter Shirali Murmuradow kommentierte aus dem schwedischen Exil: »Es gibt einen Kult, aber es gibt keine Persönlichkeit.«