Eine Biofrafie über den Spion Richard Krebs

Gerührt und geschüttelt

Der Spion Richard Krebs war Kommunist und Kommunistenhasser und agierte zwischen der Komintern und der Gestapo. Sein bewegtes Leben ist jetzt nachzulesen.

Angesichts des geschwundenen Interesses an einer Auseinandersetzung mit der Geschichte des Kommunismus erscheint es umso interessanter, wenn jetzt ein Buch erscheint, das den Werdegang eines heute weithin vergessenen Kommunisten nachvollzieht und das ganz unverhohlen mit dem Kommunismus dieses Mannes sympathisiert. Zumal der Verfasser nicht im Verdacht steht, ein Altkader der DKP zu sein. Er heißt Ernst von Waldenfels und lebt als freier Journalist und Übersetzer in Berlin. Sein Buch trägt den fürchterlichen Titel »Der Spion, der aus Deutschland kam« und den reißerischen Untertitel »Das geheime Leben des Seemanns Richard Krebs«, was eher eine Kolportagegeschichte erwarten lässt als eine weithin ernst zu nehmende Auseinandersetzung mit der Biografie des Richard Krebs.

Wer war nun dieser Richard Krebs? Er schrieb 1941 unter dem Pseudonym Jan Valtin das Buch »Out of the night«, das in den fünfziger Jahren in deutscher Übersetzung unter dem Titel »Tagebuch der Hölle« erschien. »Out of the night« war für ein paar Monate ein Bestseller in den USA. Als er das Buch veröffentlichte, hatte Krebs eine unglaubliche, für politisch Aktive dieser Jahre jedoch nicht ungewöhnliche Odyssee hinter sich.

Krebs wird 1905 in eine bürgerliche deutsche Familie hineingeboren, die einen Großteil ihres Besitzes in den Inflationsjahren verliert. Er wird Seemann und ein leidenschaftlicher Kommunist. Recht schnell erkennen verdeckt arbeitende Mitglieder der Komintern das organisatorische Talent dieses Mannes und beginnen damit, ihn zu einer Figur ihres kommunistischen Spionagenetzes zu machen. Wegen des - so legt es Waldenfels nahe - im Auftrag der Partei durchgeführten Versuches, eine unliebsame Person in den USA zu töten, wird der junge Mann auf San Quentin eingesperrt, wo er seine Neigung zur Literatur entdeckt.

Krebs liest sich quer durch die Gefängnisbibliothek und entwickelt zugleich sein eigenes Talent als Autor. Als er entlassen wird, kehrt er nach Deutschland zurück, organisiert dort gemeinsam mit seiner Frau Hermine Abende im »Interklub«, einer Tarnorganisation der Komintern, heuert Seeleute für Spionagedienste an und muss schließlich vor den Nazis nach Dänemark fliehen, wo er sofort hilft, die zerschlagenen Strukturen der Komintern zu reorganisieren.

In Hamburg, wohin ihn ein Auftrag geführt hat, wird Krebs verhaftet, in ein Lager gesperrt und gefoltert. Er lässt sich - auch das kann Waldenfels plausibel machen - im Auftrag der Komintern als Agent der Gestapo anheuern, wird von den Nazis freigelassen, kehrt nach Dänemark zurück und liefert von dort falsche Informationen nach Hamburg.

Krebs macht sich jedoch, als er merkt, dass die Mitglieder der Komintern ihn und seine inzwischen wieder in Deutschland weilende Frau nur missbrauchen, für die Gestapo - und somit auch für die Komintern - unbrauchbar. Dann flieht er vor der Komintern wie vor den Nazis in die USA, lebt dort illegal und schreibt mit »Out of the night« seine an manchen Stellen geschönten und insgesamt sehr wütenden Memoiren.

In den USA wird er gefeiert. Doch nach Pearl Harbor, angesichts des Bündnisses mit der Sowjetunion, ist Krebs als nunmehr antikommunistischer Autor nicht mehr gefragt, er wird von J. Edgar Hoover gejagt, als »feindlicher Ausländer« auf Ellis Island interniert und verlässt 1943 das Internierungslager als gebrochener Mann. Er publiziert noch ein paar Bücher, denen kaum Erfolg beschieden ist, und stirbt schließlich 1951, gerade mal 45jährig.

Das Buch, für das Waldenfels Akten der Gestapo, des CIC, des FBI und der Komintern benutzen konnte, hat den Nachteil, dass der Autor an einigen Stellen versucht, dem martialischen Seemannsgehabe und der wilden Spionagestory, die der Buchtitel verspricht, Genüge zu tun. Ebenfalls störend ist die Bewunderung für echte Kerle, die sich bisweilen Bahn bricht, dennoch ist das Buch höchst lesenswert.

Denn die Geschichte des zunächst glühenden Anhängers des Kommunismus, der dann zum leidenschaftlichen Kommunistenfresser wird und schließlich ein Verlorener ist, wirft nicht nur ein Schlaglicht auf den Zustand der kommunistischen Bewegung vor den Säuberungen Stalins, sondern beleuchtet auch die spezifischen Probleme des Kommunismus in Deutschland.

Waldenfels kann zeigen, dass die deutschen Kommunisten ernsthaft glaubten - und damit Lenin doch reichlich überinterpretierten -, dass nur ein kommunistisches Deutschland die kommunistische Internationale zum Sieg führen könne, die Deutschen glaubten, dass man »den Russen« vormachen müsse, wie man eine Revolution richtig organisiere. Während eine ganz andere, die nationalsozialistische »Revolution« nämlich, bereits stattfand, wähnten sie noch immer in der Sozialdemokratie, dem so titulierten »Sozialfaschismus«, den Hauptfeind.

Erst ein paar Jahre nach der »Machtergreifung« stellte sich die Kommunistische Partei Deutschlands bzw. der verbliebene Rest davon den Nationalsozialisten entgegen. Und dann musste man bald schon wieder einen neuen ideologischen Dreh finden, um seinen Anhängern den Hitler-Stalin-Pakt zu erklären.

Andererseits zeigt dieses Buch auch, was passiert, wenn ein Mensch sich einer Ideologie rückhaltlos verschreibt: Der fanatische Glaube an den Kommunismus, der den pubertierenden Richard Krebs ebenso prägt wie den Agenten Krebs, wird nach einem »Verrat« beinahe ebenso schnell durch einen rückhaltlosen Antikommunismus abgelöst, den man ihm gleichfalls nicht dankt. Dass man aber, wenn man sich einer politischen Ideologie anvertraut wie einer Religion, sich nicht nur für einen Führerkult anfällig macht, sondern auch von anderen Gläubigen dieser Ideologie zwangsläufig »verraten« werden muss, da die Geschichte nicht den Lehrsätzen gemäß verläuft und entsprechend von der politischen Kirche immer neue Anpassungsleistungen verlangt werden, das macht diese Biografie gleichfalls deutlich. Insofern trägt die Geschichte des Richard Krebs, so hässlich und schmerzhaft sie ist, zur Aufklärung bei.

Ernst von Waldenfels: Der Spion, der aus Deutschland kam. Aufbau-Verlag, Berlin 2002, 382 S., 22,50 Euro