Roma-Proteste

Im Sande verlaufen

»Das Wort 'Besetzung' darf man hier nicht mal in den Mund nehmen«, erzählt Renate Gemkow, die in der Flüchtlingsberatung tätig ist. Die 40 am vergangenen Donnerstag im Sitzungssaal des Berliner Abgeordnetenhauses versammelten Roma der Gruppe »Amen Acas Kate!« müssen schmunzeln: »Besetzung?« Nein, es handelte sich doch nur um einen Besuch, um der Fraktion der Grünen im Abgeordnetenhaus einen Forderungskatalog zu übergeben.

Auch in der Presseerklärung wurde das B-Wort vermieden. »Schließlich hätte Walter Momper sonst sofort die Polizei geholt«, weiß Reiner Felsberg, der Berliner Fraktionsgeschäftsführer der Grünen. Denn die Hausordnung des preußischen Landtages, der das Berliner Parlament beherbergt, verbietet jede »Versammlung« in seinen Gemäuern. Die Grünen beeilten sich dann auch, den Vorfall herunterzuspielen. Volker Ratzmann, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, ließ verlauten: »Roma-Protest bei den Grünen: keine Besetzung!«

Dabei verhielten sich die Abgeordneten als kulante und freundliche Gastgeber. Zwar bekamen nicht alle einen Kaffee, aber es wurde bekräftigt: »Wir haben für das Anliegen der Roma Verständnis.« Und »als Berliner Abgeordnetenhausfraktion unterstützen wir die Forderung nach einer Bleiberechtsregelung, insbesondere für die jetzt von Abschiebung bedrohten Roma aus Jugoslawien.«

Die Berliner Grünen machten sogar noch weitere Zugeständnisse. Man werde sich bemühen, einen Beschluss der Bundesdelegiertenkonferenz in Hannover zu erreichen, der sich für ein Bleiberecht aussprechen soll, und wolle obendrein noch ein Gespräch mit der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Marie-Luise Beck, vermitteln.

Mit derartigen Unterredungen haben die Roma schon Erfahrungen gemacht. Nach der Besetzung der Berliner PDS-Bundesgeschäftsstelle Mitte November wurde die Roma-Gruppe von Berlins Innensenator Erhart Körting (SPD) zum Gespräch eingeladen. Konkrete Ergebnisse lieferte die Aussprache nicht. Die Ankündigung, seit Jahren in Deutschland lebende Familien mit Kindern nicht abzuschieben, wurde nicht eingehalten. Auch der Vorstoß des Berliner Senats auf der Innenministerkonferenz in Bremen am vorigen Freitag verlief im Sande, eine von Berlin gewünschte so genannte Altfallregelung für Roma wird es nicht geben.

Trotzdem kämpften die Berliner Roma weiter. Die nächste Aktion war schon am 8. Dezember geplant, eine Gedenkveranstaltung zu Ehren der Opfer der NS-Verfolgung von Sinti und Roma. Am 8. Dezember 1938 hatte der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, in einem Runderlass des Reichsinnenministeriums das Vorgehen bei der »endgültigen Lösung der Zigeunerfrage« erklärt. Der Ort der Veranstaltung sollte das Willy-Brandt-Haus sein, die Parteizentrale der SPD. Doch so weit kam es erst gar nicht. »Die SPD verlangt 5 000 Euro für einen Raum«, berichtet Gemkow. »Und leider nehmen sie keine Chipkarten«, ergänzt Milan.